Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermittlung von Beschäftigungstagen. Treuwidrigkeit der Berufung auf unzureichenden Beschäftigungsumfang
Orientierungssatz
Als Beschäftigungstage iSd. § 6 Abs. 7 Nr. 3 TVaP gelten nur solche Kalendertage, für die Urlaubsentgelt tatsächlich beantragt und gezahlt wurde. Kalendertage, für die möglicherweise ein Zahlungsanspruch bestanden hätte, aber kein Urlaubsentgelt beantragt wurde, sind nicht zu berücksichtigen.
Normenkette
Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen der Deutschen Welle vom 6. Februar 2002 i.d.F. vom 29. Juni 2004 (TVaP) § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1, §§ 3, 6 Abs. 7-8, §§ 9-10, 11 Abs. 1, § 25; Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen der Deutschen Welle vom 1. Januar 1978 in der ab 1. September 1998 geltenden Fassung (TVaP aF) Ziff. 5.9; Durchführungstarifvertrag Nr. 1 zum Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen vom 1. Januar 1978 i.d.F. vom 29. Juni 2004 (TV Urlaub) Ziff. 1; Durchführungstarifvertrag Nr. 1 zum Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen vom 1. Januar 1978 i.d.F. vom 29. Juni 2004 (TV Urlaub) Ziff. 2; Durchführungstarifvertrag Nr. 1 zum Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen vom 1. Januar 1978 i.d.F. vom 29. Juni 2004 (TV Urlaub) Ziff. 3.1; Durchführungstarifvertrag Nr. 1 zum Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen vom 1. Januar 1978 i.d.F. vom 29. Juni 2004 (TV Urlaub) Ziff. 3. 4; BGB §§ 162, 242; TVG § 12a Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 30. Oktober 2012 – 12 Sa 417/12 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Ansprüche auf tarifliches Fortzahlungsentgelt, Übergangsgeld sowie auf Urlaubsabgeltung.
Der Kläger war seit 1980 als Journalist und freier Mitarbeiter für die Beklagte in deren Sportredaktion tätig. Auf das Vertragsverhältnis fand kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen der Deutschen Welle vom 6. Februar 2002 in der Fassung vom 29. Juni 2004 (TVaP) Anwendung. Dieser enthält ua. folgende Regelungen:
„§ 1 |
Persönlicher Geltungsbereich |
(1) |
Dieser Tarifvertrag findet Anwendung auf Rechtsverhältnisse, die zwischen arbeitnehmerähnlichen Personen im Sinne von § 12a Tarifvertragsgesetz und der Deutschen Welle durch Dienst- oder Werkverträge begründet werden; … Arbeitnehmerähnliche Personen im Sinne dieses Tarifvertrages sind Mitarbeiter, die die Voraussetzungen der wirtschaftlichen Abhängigkeit nach § 2 und der sozialen Schutzbedürftigkeit nach § 3 erfüllen. |
… |
|
§ 2 |
Wirtschaftliche Abhängigkeit |
(1) Die wirtschaftliche Abhängigkeit eines Mitarbeiters ist gegeben, wenn er entweder bei der Deutschen Welle oder bei ihr und anderen Rundfunkanstalten, die zur Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) gehören, mehr als die Hälfte seiner erwerbsmäßigen Gesamtentgelte (brutto ohne gesonderte Kostenerstattung) im maßgeblichen Zeitraum bezogen hat. …
§ 3 |
Soziale Schutzbedürftigkeit |
Die soziale Schutzbedürftigkeit des Mitarbeiters ist gegeben, wenn er innerhalb der letzten sechs Monate vor der Geltendmachung eines Anspruchs aus diesem Tarifvertrag oder seinen Durchführungstarifverträgen mindestens an 42 Tagen (einschließlich Urlaubstage) für die Deutsche Welle und andere ARD-Anstalten aufgrund vertraglicher Verpflichtungen tätig war und seine Einkünfte aus Erwerbstätigkeit im Sinne dieses Tarifvertrages im Kalenderjahr vor der Geltendmachung des Anspruchs nicht mehr als 74.000,– EURO brutto betragen haben.
§ 6 |
Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen |
… |
|
(7) |
Als Beschäftigungstage im Sinne dieses Tarifvertrages gelten Kalendertage, |
|
- an denen der Mitarbeiter mindestens 3 Stunden tatsächlich bzw. nach den Daten des elektronischen Honorar-Abrechnungssystems innerhalb der Räumlichkeiten der Deutschen Welle tätig war, oder
- die bei der Auftragserteilung (§§ 19 Abs. 1, 20 Abs. 3) oder nach sonstiger Vereinbarung zwischen Deutscher Welle und Mitarbeiter für die Erfüllung dieses Auftrages einschließlich etwaiger Tätigkeiten innerhalb der Räumlichkeiten der Deutschen Welle vereinbart wurden, oder
- für die Urlaubsentgelt nach dem Durchführungstarifvertrag Nr. 1 … gezahlt wurde.
|
(8) |
Als Beschäftigungsjahr im Sinne dieses Tarifvertrages gilt jedes Kalenderjahr, in dem der Mitarbeiter jeweils an mindestens 72 Beschäftigungstagen (Abs. 7) für die Deutsche Welle tätig war. |
… |
|
§ 9 |
Beendigung der Tätigkeit |
(1) Beabsichtigt die Deutsche Welle die Beendigung der Tätigkeit eines Mitarbeiters, so muss sie ihm dies unter Berücksichtigung der Mitteilungsfristen nach § 10 vorher schriftlich mitteilen (Beendigungsmitteilung), wenn der Mitarbeiter im laufenden Kalenderjahr oder im Kalendervorjahr mindestens an 72 Beschäftigungstagen für die Deutsche Welle tätig war. …
(2) Bis zum Ablauf der Mitteilungsfristen nach § 10 hat der Mitarbeiter im Falle der Beendigung der Tätigkeit Anspruch auf die Leistungen nach diesem Tarifvertrag und seinen Durchführungstarifverträgen. Der Mitarbeiter hat innerhalb der Fristen nach § 10 Anspruch auf das monatliche Durchschnitts-Gesamtentgelt des Kalenderjahres vor Zugang der Beendigungsmitteilung oder vor Beendigungsdatum der letzten Tätigkeit (Fortzahlungsentgelt) verbunden mit der Verpflichtung zur Ausübung ihm zeitlich und fachlich zumutbarer Tätigkeiten bis zum Ablauf der Frist. …
Die Mitteilungsfrist beträgt zwei Kalendermonate nach zwei zusammenhängenden Beschäftigungsjahren, sie verlängert sich
…
auf zwölf Kalendermonate nach zehn zusammenhängenden Beschäftigungsjahren.
(1) |
Ein Anspruch auf Übergangsgeld nach Maßgabe der Absätze 2 – 5 ist gegeben, wenn |
|
1. |
bei dem Mitarbeiter mindestens fünf zusammenhängende Beschäftigungsjahre gegeben sind, und |
|
… |
|
(1) Mit dem Inkrafttreten dieses Tarifvertrages tritt der ‚Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen der Deutschen Welle vom 1.1.1978 in der ab 01.01.1996 bzw. 01.09.1998 geltenden Fassung’ außer Kraft, soweit nicht in Absatz 2 eine anderweitige Regelung enthalten ist.
(2) Wenn und soweit arbeitnehmerähnliche Personen Ansprüche aufgrund eines Einsatzes für die Deutsche Welle vor dem 01.07.2002 nach dem ‚Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen der Deutschen Welle vom 1.1.1978’ in seiner jeweils gültigen Fassung erworben haben, werden diese grundsätzlich nach den einschlägigen Tarifverträgen vor Inkrafttreten dieses Tarifvertrages behandelt und durch diesen Tarifvertrag nicht berührt. …
§ 26 |
Inkrafttreten, Änderungen und Kündigung des Tarifvertrages |
(1) Dieser Tarifvertrag tritt am 01. Juli 2002 in Kraft.
…”
Der Vorgängertarifvertrag des TVaP, der Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen der Deutschen Welle vom 1. Januar 1978 in der ab 1. September 1998 geltenden Fassung (TVaP aF) enthält ua. folgende Regelung:
„5. |
Beginn und Dauer der Arbeitnehmerähnlichkeit |
|
… |
|
|
5.9 |
Ist ein Mitarbeiter zusammenhängend mindestens 15 Kalenderjahre für die Deutsche Welle tätig gewesen oder hat er das 50. Lebensjahr vollendet und ist zusammenhängend mindestens 10 Kalenderjahre für die Deutsche Welle tätig gewesen, so kann seine Tätigkeit nur aus wichtigem Grund von der Deutschen Welle beendet werden.” |
Der Durchführungstarifvertrag Nr. 1 zum Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen vom 1. Januar 1978 in der Fassung vom 29. Juni 2004 (TV Urlaub) bestimmt ua.:
„1. |
Urlaubsanspruch |
|
1.1 |
Die unter § 1 des Tarifvertrages für arbeitnehmerähnliche Personen der Deutschen Welle vom 06.02.2002 (TVaP) fallenden Mitarbeiter haben – soweit nicht nach § 1 Absatz 2 TVaP ausgeschlossen – unter den Voraussetzungen seiner §§ 2 und 3 Anspruch auf einen bezahlten Urlaub. |
|
1.2 |
Soweit tarifvertraglich nicht anderes vereinbart, gelten die Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes. |
|
… |
|
|
Protokollnotiz zu Ziffer 1: |
|
Zur Geltendmachung eines evtl. Ergänzungsanspruches gegenüber der Deutschen Welle neben einem Urlaubsanspruch aus überwiegender Tätigkeit für eine andere ARD-Rundfunkanstalt genügt die Vorlage der Urlaubsbewilligung der anderen Anstalt. |
2. |
Urlaubsdauer |
|
2.1 |
Der Jahresurlaub beträgt 31 Arbeitstage. |
|
… |
|
|
2.4 |
Ein vom Mitarbeiter im Kalenderjahr nicht beantragter Urlaub verfällt, es sei denn, dass der Mitarbeiter an der Antragstellung schuldlos verhindert war und diese bis spätestens 1. April des folgenden Jahres nachholt. |
|
… |
|
3. |
Urlaubsentgelt |
|
3.1 |
Der Mitarbeiter erhält von der Deutschen Welle ein Urlaubsentgelt für die Urlaubstage, die ihm nach Ziffer 2.1 und 2.2 des Tarifvertrages zustehen. Das Urlaubsentgelt bemisst sich nach dem Einkommen, das der Mitarbeiter in den letzten zwölf Monaten vor Urlaubsantritt von der Deutschen Welle erhalten hat, einschließlich der von der Deutschen Welle gezahlten tariflichen Leistungen, höchstens 61.000,00 EUR. Es wird dividiert durch 260 und dann mit der Anzahl der Urlaubstage multipliziert. Zum Einkommen zählen nicht die von der Deutschen Welle bezahlten Übernahmeoder Wiederholungshonorare. |
|
… |
|
4. |
Urlaubsabgeltung |
|
Der Urlaub ist durch Zahlung in Höhe der Urlaubsvergütung abzugelten, wenn er wegen Beendigung des arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnisses mit der Deutschen Welle im laufenden Kalenderjahr nicht mehr gewährt und genommen werden kann.” |
Die Beklagte setzte den Kläger zunächst durchschnittlich an zwei Tagen pro Woche (Mittwoch und Freitag) ein. Mit Schreiben vom 28. Juni 2002 teilte sie dem Kläger mit, dass dieser wegen des Verlusts des Sendeplatzes für die Sendung S mittwochs nicht mehr beschäftigt werden könne. Ab dem 1. September 2002 war der Kläger regelmäßig nur noch freitags für die Beklagte tätig, im Jahr 2007 an 53 Tagen, im Jahr 2008 an 55 Tagen und im Jahr 2010 an 45 Tagen.
Seit Beginn seiner Tätigkeit bei der Beklagten war der Kläger in erheblich größerem Umfang auch Mitarbeiter der Sportredaktion des Deutschlandfunks, der von Deutschlandradio produziert wird. Diese ist ebenso wie die Beklagte eine ARD-Rundfunkanstalt. Der Kläger erhielt auf Antrag von Deutschlandradio Urlaub und Urlaubsentgelt. Die Beklagte zahlte ihm auf Antrag sog. Ergänzungsurlaubsentgelt, im Jahr 2007 für 13 Tage, im Jahr 2008 für 10 Tage, im Jahr 2009 für 26 Tage und im Jahr 2010 für 20 Tage.
Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 28. September 2010 mit, dass sie das Vertragsverhältnis mit Wirkung zum 31. Januar 2011 beende. Der Kläger machte mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 25. März 2011 gegenüber der Beklagten Ansprüche auf Fortzahlungsentgelt und Übergangsgeld nach dem TVaP erfolglos geltend.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, er habe Anspruch auf Zahlung von Fortzahlungsentgelt, Übergangsgeld sowie Urlaubsabgeltung. Er hat ausgehend von einer zwölfmonatigen Mitteilungsfrist und einem daraus folgenden Ende des Vertragsverhältnisses am 31. Oktober 2011 die Abgeltung von 26 Urlaubstagen mit 1.072,46 Euro brutto verlangt und Fortzahlungsentgelt in Höhe von 8.870,46 Euro brutto sowie Übergangsgeld in Höhe von 28.316,25 Euro brutto beansprucht. Zwar sei er in den letzten Kalenderjahren an weniger als 72 Tagen für die Beklagte tätig gewesen, bei der Berechnung der für die geltend gemachten Ansprüche erforderlichen 72 Beschäftigungstage im Kalenderjahr sei jedoch auch sein gemäß der Protokollnotiz zu Ziff. 1 des TV Urlaub bestehender Ergänzungsurlaubsanspruch im Umfang von jährlich 31 Tagen unabhängig davon zu berücksichtigen, ob er diesen Ergänzungsurlaubsanspruch tatsächlich geltend gemacht habe. Auch § 12a Abs. 2 TVG gebiete, die bei Deutschlandradio erhaltenen 31 Urlaubstage pro Jahr in die Berechnung der Beschäftigungstage nach dem TVaP einzubeziehen. Im Übrigen habe die Verringerung des Beschäftigungsumfangs durch die Beklagte im Jahr 2002 gegen Ziff. 5.9 TVaP aF verstoßen. Ein wichtiger Grund habe nicht vorgelegen, weshalb die Beklagte auch ab dem 1. September 2002 verpflichtet gewesen sei, ihn an zwei Tagen pro Woche zu beschäftigen. Die Beklagte habe sich insoweit in Annahmeverzug befunden. Zwar habe er der Beklagten weiter gehende Dienste weder tatsächlich noch wörtlich angeboten. Ein solches Angebot sei jedoch nach § 296 BGB entbehrlich gewesen, weil die Beklagte ihm nach den Dienstplänen mittwochs keine Arbeit mehr zugewiesen habe und damit eine nach dem Kalender bestimmte Mitwirkungshandlung unterblieben sei. Die Beklagte dürfe aus ihrem rechtswidrigen Verhalten keinen Vorteil ziehen, weshalb er nach § 242 BGB so gestellt werden müsse, als habe er durchgängig bei der Beklagten an zwei Tagen pro Woche gearbeitet.
Der Kläger hat zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen
- an ihn Fortzahlungsentgelt für den Zeitraum vom 5. Oktober 2010 bis zum 31. Oktober 2011 in Höhe von 8.870,46 Euro brutto zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
- an ihn ein Übergangsgeld in Höhe von 28.316,25 Euro brutto zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
- an ihn eine Urlaubsabgeltung in Höhe von 980,48 Euro brutto zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, der Kläger habe die für seine Ansprüche erforderlichen 72 Beschäftigungstage in den maßgeblichen Kalenderjahren nicht erreicht.
Das Arbeitsgericht hat – ausgehend von einem Ende des Vertragsverhältnisses am 31. Januar 2011 – dem Kläger Urlaubsabgeltung für drei Urlaubstage in Höhe von 117,37 Euro brutto zuzüglich Zinsen zuerkannt und die der Beklagten am 21. November 2011 zugestellte Klage im Übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter, soweit die Klage abgewiesen wurde.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat mit Recht einen Anspruch des Klägers auf Fortzahlungsentgelt gemäß § 9 Abs. 2 TVaP verneint.
1. Nach dieser Tarifvorschrift besteht ein Anspruch auf Fortzahlungsentgelt ausschließlich während des Laufs der Mitteilungsfrist nach § 10 TVaP. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 TVaP hat die Beklagte die Beendigung der Tätigkeit dem Mitarbeiter schriftlich mitzuteilen, wenn dieser im laufenden Kalenderjahr oder im Kalendervorjahr an mindestens 72 Beschäftigungstagen für sie tätig war. Nach § 10 TVaP setzt die Mindestmitteilungsfrist von zwei Monaten zwei zusammenhängende Beschäftigungsjahre voraus, wofür nach § 6 Abs. 8 TVaP pro Kalenderjahr 72 Beschäftigungstage iSv. § 6 Abs. 7 TVaP Voraussetzung sind.
2. Das Erfordernis von 72 Beschäftigungstagen erfüllte der Kläger in den maßgeblichen Kalenderjahren 2009 und 2010 nicht.
a) Der Kläger war für die Beklagte in keinem der beiden Kalenderjahre an 72 Kalendertagen iSv. § 6 Abs. 7 Nr. 1 TVaP tätig. Auch bei Anwendung des § 6 Abs. 7 Nr. 3 TVaP errechnen sich nach dem Tatsachenvortrag des Klägers weder 72 Beschäftigungstage im Jahr 2009 noch im Jahr 2010. Nach dieser Vorschrift gelten als Beschäftigungstage auch Kalendertage, für die Urlaubsentgelt nach dem Durchführungstarifvertrag Nr. 1 gezahlt wurde. Dies gilt auch dann, wenn die Kalendertage einbezogen werden, für die die Beklagte dem Kläger sog. Ergänzungsurlaubsentgelt gezahlt hat.
b) § 6 Abs. 7 Nr. 3 TVaP spricht von Kalendertagen, für die „Urlaubsentgelt … gezahlt wurde”. Nicht in Anspruch genommener Urlaub bleibt damit entgegen der Ansicht des Klägers unberücksichtigt (vgl. zum TVaP aF bereits BAG 16. Mai 2002 – 6 AZR 287/01 – zu 1 a der Gründe). Dies ergibt sich nicht nur unmittelbar aus dem Wortlaut des Tarifvertrags, sondern auch aus dem Zweck der Anrechnungsregelung. Die Rechtsposition des Mitarbeiters soll sich nicht dadurch verschlechtern, dass er seine Ansprüche aus dem TV Urlaub geltend macht. Die Tarifvertragsparteien gingen erkennbar davon aus, dass der Mitarbeiter tätig gewesen wäre, wenn er nicht Urlaub in Anspruch genommen hätte. Nach der Auslegung des Klägers könnte es bei der Nichtbeanspruchung von Urlaub zu einer doppelten Berücksichtigung von Kalendertagen kommen, einmal nach § 6 Abs. 7 Nr. 1, 2 TVaP für geleistete Tätigkeiten sowie nach § 6 Abs. 7 Nr. 3 TVaP für nicht in Anspruch genommene Urlaubstage. Im Übrigen spricht gegen das Verständnis des Klägers auch der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit. Wenn der Mitarbeiter an der Antragstellung nicht schuldlos verhindert war und diese nicht bis spätestens 1. April des folgenden Jahres nachholt, verfällt nach Ziff. 2.4 TV Urlaub ein vom Mitarbeiter im Kalenderjahr nicht beantragter Urlaub. Dieser Wertung würde es widersprechen, wenn sich ein Mitarbeiter auch nach dem 1. April des Folgejahres im Rahmen des § 6 Abs. 7 TVaP auf nicht beantragten Urlaub berufen könnte. Unentschieden kann deshalb bleiben, wie viele Urlaubstage dem Kläger, der seit dem 1. September 2002 für die Beklagte nur noch freitags tätig war, in den Kalenderjahren 2009 und 2010 nach dem TV Urlaub jeweils zustanden.
c) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass in den maßgeblichen Kalenderjahren nicht jeweils 72 Beschäftigungstage deshalb zugrunde zu legen sind, weil die Beklagte Dienste des Klägers treuwidrig nicht angenommen hat. Dabei können die Fragen, ob die dem Kläger von der Beklagten mit Schreiben vom 28. Juni 2002 mitgeteilte Verringerung seiner Tätigkeit von zwei Tagen auf einen Tag pro Woche entsprechend der Auffassung des Klägers gegen Ziff. 5.9 TVaP aF verstieß und ob sich die Beklagte ab dem 1. September 2002 mit der Annahme der Dienste des Klägers an jeweils einem Tag pro Woche in Verzug befand, unbeantwortet bleiben. Selbst wenn sich die Beklagte bei Anwendung der vom Senat im Urteil vom 16. März 1999 (– 9 AZR 314/98 – zu I 3 d bb (3) der Gründe) aufgestellten Grundsätze tatsächlich im Annahmeverzug befunden hätte, hätte sie das Erreichen von jeweils 72 Beschäftigungstagen in den Kalenderjahren 2009 und 2010 durch den Kläger nicht wider Treu und Glauben verhindert, sodass diese Voraussetzung für die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche nicht erfüllt ist.
aa) Eine Treuwidrigkeit der Beklagten nach § 242 BGB könnte sich nur unter dem Gesichtspunkt der unredlichen Vereitelung einer gegnerischen Rechtsposition ergeben (siehe dazu Staudinger/Looschelders/Olzen (2009) § 242 Rn. 246 ff.). Das Gesetz behandelt diesen Fall paradigmatisch in § 162 Abs. 1, § 815 BGB (vgl. BAG 12. April 2002 – 2 AZR 148/01 – zu II 2 c bb der Gründe, BAGE 101, 39). Nach § 162 Abs. 1 BGB gilt eine Bedingung als eingetreten, wenn ihr Eintritt von der Partei, zu deren Nachteil sie gereichen würde, wider Treu und Glauben verhindert wird. Wann die Beeinflussung des Geschehensablaufs treuwidrig ist, lässt sich nicht abstrakt bestimmen, sondern nur im Einzelfall beurteilen. Maßgeblich ist, welches Verhalten von einem loyalen Vertragspartner erwartet werden konnte. Dies ist mittels einer umfassenden Würdigung des Verhaltens der den Bedingungseintritt beeinflussenden Vertragspartei nach Anlass, Zweck und Beweggrund unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Inhalts des Rechtsgeschäfts, festzustellen (BGH 16. September 2005 – V ZR 244/04 – zu II 1 der Gründe). Ein Verschulden im technischen Sinn ist zwar keine Voraussetzung für eine Treuwidrigkeit, jedoch bei der Gesamtabwägung zu berücksichtigen (vgl. Staudinger/Bork (2010) § 162 Rn. 10).
bb) Daran gemessen liegt bei der gebotenen Gesamtabwägung eine Treuwidrigkeit der Beklagten nicht vor. Der Zweck der Verringerung des Beschäftigungsumfangs durch die Beklagte bestand nicht darin, das Erreichen der Anzahl an Beschäftigungstagen gemäß § 9 Abs. 1 iVm. § 6 Abs. 8 TVaP im Falle einer Vertragsbeendigung zu verhindern, sondern dem aus ihrer Sicht verringerten Beschäftigungsumfang ab dem 1. September 2002 Rechnung zu tragen. Da der Kläger sich weder sofort noch in den folgenden Jahren gegen seinen verringerten Einsatz wandte, insbesondere weder wörtlich noch tatsächlich weitere Dienste anbot und jeder Anhaltspunkt dafür fehlt, dass die Beklagte selbst von der Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens ausging, sind die Voraussetzungen einer treuwidrigen Beeinflussung des Geschehensablaufs durch die Beklagte nicht erfüllt.
d) Das Landesarbeitsgericht hat auch zutreffend erkannt, dass aus § 12a Abs. 2 TVG entgegen der Ansicht des Klägers nicht folgt, dass er aufgrund der zusätzlichen Beschäftigungs- und Urlaubstage bei Deutschlandradio in den Kalenderjahren 2009 und 2010 jeweils 72 Beschäftigungstage erreicht hat.
aa) Nach § 12a Abs. 1 Nr. 1 TVG sind arbeitnehmerähnlich solche Personen, die wirtschaftlich abhängig und vergleichbar einem Arbeitnehmer sozial schutzbedürftig sind. Weitere Voraussetzungen sind, dass sie aufgrund von Dienst- oder Werkverträgen für andere Personen tätig sind, die geschuldeten Leistungen persönlich und im Wesentlichen ohne Mitarbeit von Arbeitnehmern erbringen und entweder überwiegend für eine Person tätig sind oder einen gesetzlich näher bestimmten Anteil ihres Einkommens von einer Person beziehen. Nach § 12a Abs. 2 TVG gelten mehrere Personen, für die die arbeitnehmerähnliche Person tätig ist, als eine Person ua. dann, wenn sie einer nicht nur vorübergehenden Arbeitsgemeinschaft angehören. Sinn und Zweck der Vorschrift ist die Vermeidung von Umgehungsmöglichkeiten auf Seiten der Auftraggeber, indem bestimmte Formen der korporativen und unternehmerischen Zusammenarbeit von Auftraggebern zusammengefasst und als eine Person fingiert werden (ErfK/Franzen 14. Aufl. § 12a TVG Rn. 9). Es ist anerkannt, dass die Mitglieder der „Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland” (ARD) gemäß § 12a Abs. 2 TVG als eine Person anzusehen sind (siehe BAG 19. Oktober 2004 – 9 AZR 411/03 – zu B I 4 der Gründe, BAGE 112, 203).
bb) Dem beschriebenen Schutzzweck, namentlich die Fiktion der ARD-Anstalten als eine Person für die Bestimmung der wirtschaftlichen Abhängigkeit nach § 12a Abs. 1 Nr. 1 TVG, wird bereits durch § 2 Abs. 1 TVaP Rechnung getragen, wonach die Beschäftigung bei anderen ARD-Anstalten bei der Bestimmung des Anwendungsbereichs des Tarifvertrags zu berücksichtigen ist. Einen weiteren normativen Gehalt hat § 12a Abs. 2 TVG nicht. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Vorschrift nicht bewirkt, dass tarifliche Ansprüche einer arbeitsnehmerähnlichen Person gegenüber verschiedenen Auftraggebern einheitlich behandelt werden müssen.
II. Auch ein Anspruch des Klägers auf Übergangsgeld nach § 11 Abs. 1 TVaP besteht nicht. Ein solcher Anspruch erfordert gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 TVaP mindestens fünf zusammenhängende Beschäftigungsjahre, wobei ein Beschäftigungsjahr nach § 6 Abs. 8 TVaP 72 Beschäftigungstage voraussetzt. Daran fehlt es im Jahr 2010 und in den Vorjahren.
III. Schließlich hat der Kläger keinen Anspruch auf die Abgeltung von weiteren 23 Urlaubstagen gemäß Ziff. 4 TV Urlaub. Da eine Beendigungsmitteilung nach § 9 Abs. 1 TVaP entbehrlich war und keine Mitteilungsfrist gemäß § 10 TVaP eingehalten werden musste, endete das Vertragsverhältnis am 31. Januar 2011. Die Beklagte hatte deshalb nicht mehr als drei Urlaubstage aus dem Jahr 2011 abzugelten. Nach dem Hinweis des Senats in der Revisionsverhandlung hat der Kläger klargestellt, dass er eine höhere als die ihm von den Vorinstanzen zuerkannte Abgeltung für diese drei Urlaubstage nicht mehr beansprucht.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Brühler, Krasshöfer, Klose, Neumann, Mehnert
Fundstellen
EzA-SD 2014, 15 |
NZA-RR 2014, 598 |