Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeldanspruch – Ruhen – Urlaubsabgeltung – Schadensersatz – untergegangener Urlaubsanspruch
Leitsatz (amtlich)
Der arbeitsrechtliche Anspruch auf Schadensersatz wegen eines im Verzug des Arbeitgebers untergegangenen Urlaubsanspruchs ist keine Urlaubsabgeltung iS des § 117 Abs 1a AFG.
Stand: 12. November 2001
Normenkette
AFG § 117 Abs. 1a, 4 S. 2; BUrlG § 7 Abs. 4
Beteiligte
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 16. März 2000 aufgehoben; die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 28. Juni 1999 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger wendet sich gegen einen Erstattungsbescheid der Beklagten, mit dem diese die Rückzahlung von Arbeitslosengeld (Alg) wegen einer Urlaubsabgeltung verlangt.
Der im Jahre 1942 geborene Kläger war seit 1960 Zivilangestellter, zuletzt Abteilungsleiter, bei den in der Bundesrepublik (Westdeutschland) stationierten US-Streitkräften. Durch rechtskräftiges Urteil vom 13. Januar 1995 (Az 15 Sa 1236/94) hatte das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG) die Unwirksamkeit einer durch den Arbeitgeber ausgesprochenen Kündigung zum 30. Juni 1994 festgestellt; zu einer weiteren Tätigkeit des Klägers für seinen Arbeitgeber kam es danach nicht mehr. Am 29. Juni 1995 schlossen die Arbeitsvertragsparteien einen Aufhebungsvertrag, wonach das Arbeitsverhältnis zum 31. Januar 1996 unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist beendet werden sollte. Anläßlich der Beendigung zu diesem Termin erhielt der Kläger ua eine Urlaubsabgeltung hinsichtlich des für 1996 zustehenden anteiligen Urlaubs, der nach Angabe des Arbeitgebers im Anschluß an das Arbeitsverhältnis bis zum 5. Februar 1996 gedauert hätte.
Der Kläger meldete sich mit Wirkung zum 1. Februar 1996 arbeitslos; die Beklagte bewilligte ab dem 6. Februar 1996 Alg in Höhe von DM 693,60 wöchentlich (Bescheide vom 18. und 22. April 1996). Im formularmäßigen Antrag auf Alg hatte der Kläger unter dem 8. März 1996 angegeben, er erhebe noch Ansprüche gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber für Zeiten nach seinem Ausscheiden, nämlich wegen Urlaubs. Aufgrund dessen machte die Beklagte gegenüber dem zuständigen Amt für Verteidigungslasten einen Anspruchsübergang nach § 115 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch geltend. Mit Urteil vom 27. Januar 1997 (Az 11 Sa 128/96) verurteilte das Hessische LAG die Bundesrepublik Deutschland in Prozeßstandschaft für die Streitkräfte der Vereinigten Staaten von Amerika (des früheren Arbeitgebers), dem Kläger DM 5.569,82 brutto nebst 4 % (Prozeß-) Zinsen aus dem entsprechenden Nettobetrag seit dem 8. März 1996 zu zahlen: Der von ihm geltend gemachte Anspruch auf Abgeltung von 30 Tagen Erholungsurlaub für 1995 stehe ihm nicht zu, da die Urlaubsansprüche des Klägers am 31. Dezember 1995 untergegangen seien; hiermit sei aber auch die Grundlage für eine Urlaubsabgeltung als Surrogat für diesen Anspruch entfallen. Der Kläger habe jedoch einen Anspruch auf Ersatz des Schadens, der ihm durch den Untergang des fraglichen Urlaubs- bzw Urlaubsabgeltungsanspruchs entstanden sei. Die Arbeitsvertragsparteien hätten den Untergang der Urlaubsansprüche des Klägers bzw den fehlenden Zugang einer wirksamen Mahnung je zur Hälfte zu vertreten. Am 2. April 1997 zahlte das Amt für Verteidigungslasten den vom LAG ausgeurteilten Betrag an den Kläger aus; nach Angaben des Amtes war die Überleitungsanzeige der Beklagten vom 30. April 1996 nicht an die Zahlstelle weitergeleitet worden.
Mit Bescheid vom 8. Oktober 1997 und Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 1997 machte die Beklagte dem Kläger gegenüber einen Erstattungsanspruch nach § 117 Abs 4 Satz 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in Höhe von DM 3.699,20 geltend. Der Kläger habe für die Zeit vom 6. Februar bis zum 13. März 1996, in der sein Anspruch auf Leistungen nach § 117 Abs 1 bis 3a AFG geruht habe, Alg in dieser Höhe erhalten. Der ihm vom Hessischen LAG zuerkannte Schadensersatzanspruch stehe in unmittelbarem Zusammenhang mit den untergegangenen Leistungsansprüchen und werde deshalb auch von § 117 Abs 4 AFG erfaßt; die maßgebliche Zahlung sei im April 1997 an den Kläger mit befreiender Wirkung erfolgt.
Im Klageverfahren hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 5. Mai 1998 erklärt, den Erstattungsbetrag auf DM 2.080,80 herabzusetzen. Der Kläger habe Schadensersatz für nur 15 Urlaubstage erhalten, so daß der Anspruch auf Alg auch nur für die Zeit vom 6. bis zum 26. Februar 1996 geruht habe. Mit Urteil vom 28. Juni 1999 hat das Sozialgericht (SG) Mainz der Klage insoweit stattgegeben. Der dem Kläger zugesprochene Schadensersatz stelle keine der in § 117 Abs 1 bis 2, 3a AFG genannten Leistungen dar, so daß der Anspruch auf Alg nicht zum Ruhen gekommen sei. § 117 Abs 1a AFG sei auch keiner erweiternden Auslegung über den Wortlaut hinaus zugänglich, da hierunter – im Gegensatz zu § 117 Abs 2 AFG – keine „ähnliche Leistung” falle; als Abfindung „oder ähnliche Leistung” iS des § 117 Abs 2 AFG sei die hier streitige Zahlung ebenfalls nicht zu werten, da insoweit kein ursächlicher Zusammenhang zwischen der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Gewährung der Leistung bestehe.
Mit Urteil vom 16. März 2000 hat das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz auf die Berufung der Beklagten das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 8. Oktober 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 1997, wie er durch den Schriftsatz der Beklagten vom 5. Mai 1998 seine Ausgestaltung gefunden habe, sei rechtmäßig. Dem Kläger sei im Zuge einer rechtmäßigen Gleichwohlgewährung Alg erbracht worden, weil er zum Zeitpunkt der Zahlung dieser Leistung tatsächlich die von ihm geltend gemachte Urlaubsabgeltung noch nicht erhalte habe. Bei der vom Arbeitgeber erbrachten Zahlung handele es sich um Urlaubsabgeltung iS des § 117 Abs 1a AFG. Nach Sinn und Zweck dieser Regelung müsse der Eintritt des Ruhenstatbestandes auch im vorliegenden Fall bejaht werden. Der Vorschrift liege der Gedanke zugrunde, daß ein Arbeitsloser noch keiner Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bedürfe, solange er Arbeitsentgelt oder Urlaubsabgeltung als Arbeitsentgelt für nicht genommene Urlaubstage erhalte. Hinsichtlich Entstehung und Umfang des Schadensersatzes bestehe ein so unmittelbarer Zusammenhang mit dem Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsanspruch, daß die Anwendbarkeit des § 117 Abs 1a AFG auch auf den Schadensersatzanspruch für untergegangene Urlaubsabgeltungsansprüche gerechtfertigt sei. Der Arbeitgeber des Klägers habe auch gemäß § 117 Abs 4 Satz 2 AFG den Schadensersatzanspruch mit befreiender Wirkung an den Kläger ausgezahlt. Denn jedenfalls habe die Beklagte die Zahlung an den Kläger nachträglich genehmigt, so daß die befreiende Wirkung eingetreten sei. Da dem Kläger nach dem Urteil des LAG nur die Hälfte des ursprünglich eingeklagten Urlaubsabgeltungsanspruches von insgesamt 30 Tagen zugesprochen worden sei, sei gemäß § 117 Abs 1a AFG von der Zahlung einer Urlaubsabgeltung in Form eines Schadensersatzanspruches für 15 Urlaubstage auszugehen; bei einer arbeitsvertraglich vereinbarten Fünf-Tage-Woche ruhe der Anspruch des Klägers daher für die Zeit vom „6.2.1996 bis 26.6.1996”; das insoweit gezahlte Alg in Höhe von insgesamt DM 2.080,80 habe der Kläger daher zu erstatten.
Mit einem am 19. Juli 2000 beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangenen Schriftsatz vom 18. Juli 2000 hat der Kläger beantragt, ihm wegen Versäumnis der Revisionsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da er an einer akuten Lyme-Borreliose erkrankt gewesen sei; diese Krankheit habe ihn gehindert, rechtzeitig mit einem Anwalt Kontakt aufzunehmen. Mit der gleichzeitig erhobenen – vom LSG zugelassenen – Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 117 Abs 1a AFG. Diese Vorschrift sei einer erweiternden Auslegung über den Wortlaut hinaus nicht zugänglich. Bestehe kein Urlaubsanspruch mehr, weil er verfallen sei, so sei der Tatbestand der zweiten Alternative des § 117 Abs 1a AFG nicht gegeben (Hinweis auf BSG vom 25. Juli 1993 – 11 RAr 17/92).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts vom 16. März 2000 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 28. Juni 1999 zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das Berufungsurteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision ist zulässig, insbesondere nicht verfristet. Die nach Zustellung des Berufungsurteils vom 4. Mai 2000 bis zum Montag, dem 5. Juni 2000 laufende Revisionsfrist (§ 164 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgerichts ≪SGG≫) und die bis zum 4. Juli 2000 laufende Revisionsbegründungsfrist (§ 164 Abs 2 Satz 1 SGG) einzuhalten, war der Kläger ohne Verschulden verhindert (§ 67 Abs 2 Satz 2, Abs 1 SGG). Insoweit ist ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Die Revision des Klägers ist auch begründet. Auch in dem noch streitigen Umfang sind die angefochtenen Bescheide rechtswidrig. Denn die Beklagte hat gegen den Kläger keinen Erstattungsanspruch nach § 117 Abs 4 Satz 2 AFG (§ 117 AFG in der hier maßgeblichen Fassung des Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms vom 21. Dezember 1993, BGBl I 2353).
Der Erstattungsanspruch setzt voraus, daß der Kläger bei Bewilligung des Alg eine der in § 117 Abs 1 bis 2 und 3a AFG genannten Leistungen – hier eine Urlaubsabgeltung iS von § 117 Abs 1a AFG – zu beanspruchen hatte, die er zu diesem Zeitpunkt tatsächlich noch nicht erhalten hat; in diesem Fall wird das Alg iS der Gleichwohlgewährung nach § 117 Abs 4 Satz 1 AFG auch in der Zeit gewährt, in der der Anspruch auf Alg ruht. Mit der Zahlung des Alg geht der Anspruch auf die Arbeitgeberleistung gemäß § 115 SGB X in Höhe des Alg auf die Bundesanstalt für Arbeit über (s Senatsurteil vom 14. Juli 1994, BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 11, S 77 mwN), die ihrerseits nach § 117 Abs 4 Satz 2 AFG vom Arbeitslosen Erstattung des Alg verlangen kann, wenn der Arbeitgeber später die geschuldete Leistung trotz des Rechtsübergangs mit befreiender Wirkung an den Arbeitslosen ausgezahlt hat. Ein derartiger Erstattungsanspruch ist jedoch durch die vom Arbeitgeber aufgrund des Urteils des LAG vom 27. Januar 1997 geleistete Zahlung nicht entstanden. Denn damit hat der Arbeitgeber insbesondere keine Urlaubsabgeltung iS von § 117 Abs 1a AFG geleistet, die der Kläger bei Zahlung des Alg zu beanspruchen hatte.
Mit dem Begriff „Urlaubsabgeltung” in § 117 Abs 1a AFG ist auf den arbeitsrechtlichen Begriff Bezug genommen, wie er den einschlägigen Regelungen des Arbeitsrechts (§ 7 Abs 4 Bundesurlaubsgesetz ≪BUrlG≫ oder tariflichen Regelungen) zugrunde liegt. Danach ist Urlaubsabgeltung ein Surrogat (Ersatz) für einen wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr erfüllbaren Urlaubsanspruch (stRspr des Bundesarbeitsgerichts ≪BAG≫, zB BAG vom 19. Januar 1993, AP Nr 63 zu § 7 BUrlG Abgeltung, mwN; zu Rechtsnatur und Inhalt des Urlaubsabgeltungsanspruchs Leinemann/Linck, Komm zum Urlaubsrecht, 1994, § 7 BUrlG Rz 172 ff).
Eine erweiternde Auslegung oder eine entsprechende Anwendung des § 117 Abs 1a AFG auf Fälle, in denen der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Schadensersatz in Geld verlangen kann, weil die Urlaubsgewährung bereits vorher infolge Ablaufs des Kalenderjahres im Verzug des Arbeitgebers unmöglich geworden ist (vgl dazu Leinemann/Linck, aaO, Rz 181 zu § 7 BUrlG), ist ausgeschlossen. Dies gilt gleichermaßen für Schadensersatz, der – wie nach dem Urteil des LAG – in einem zusätzlichen konstruktiven Schritt damit begründet wird, der Arbeitgeber habe durch sein Verhalten das Unterbleiben einer ordnungsgemäßen Mahnung und damit den Untergang des Urlaubs- bzw Urlaubsabgeltungsanspruchs mitverschuldet. Derartiger Schadensersatz steht einer Urlaubsabgeltung iS von § 117 Abs 1a AFG nicht gleich und kann auch nicht wie eine solche behandelt werden.
Dies folgt aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte der Norm. Wie bereits vom SG zu Recht ausgeführt, fehlt in § 117 Abs 1a AFG zum Begriff „Urlaubsabgeltung” – ähnlich wie in Abs 1 zum Begriff „Arbeitsentgelt”, jedoch anders als in Abs 2 – die ausdrückliche Regelung, daß die hier angeordneten Rechtsfolgen auch dann eintreten sollen, wenn der Arbeitnehmer lediglich eine „ähnliche Leistung” erhalten oder zu beanspruchen hat. Schon dies verbietet eine erweiternde Auslegung des Begriffs.
Auch aus der Entstehungsgeschichte ergibt sich kein Hinweis darauf, daß der Begriff „Urlaubsabgeltung” in einem weiteren Sinne verstanden werden sollte. § 117 AFG hatte zunächst – bis 1982 – ein Ruhen des Alg nur für Arbeitsentgelt in Abs 1 und für Abfindungen, Entschädigungen und ähnliche Leistungen in Abs 2 vorgesehen. Mit diesen Regelungen ließen sich Urlaubsabgeltungen nicht erfassen, weil sie als einmalige Geldzuwendungen aus dem Arbeitsverhältnis nicht einem bestimmten Zeitraum nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses zugeordnet werden konnten. Um auch Urlaubsabgeltungen wegen ihrer Nähe zum Arbeitsentgelt zu erfassen, wurde § 117 AFG durch das Gesetz zur Konsolidierung der Arbeitsförderung vom 22. Dezember 1981 ≪AFKG≫ (BGBl I 1497) um einen Abs 1a erweitert, der nunmehr ein Ruhen bei erhaltenen oder zu beanspruchenden Urlaubsabgeltungen vorsieht. Dabei bedurfte es zur Festlegung des Ruhenszeitraums der besonderen Anordnung, daß das Alg für die Zeit des abgegoltenen Urlaubs ruht (Satz 1) und der Ruhenszeitraum mit dem Ende des die Urlaubsabgeltung begründenden Arbeitsverhältnisses beginnt (Satz 2; vgl aber die Verschiebung des Ruhenszeitraums nach § 117 Abs 2 Satz 5 AFG). Damit sollte ausgeschlossen werden, daß der Arbeitslose neben dem in Form einer Urlaubsabgeltung gezahlten Arbeitsentgelt Alg erhält. Im Interesse der Versichertengemeinschaft sei es nicht gerechtfertigt, daß der Arbeitslose neben dem Arbeitsentgelt zusätzlich eine Lohnersatzleistung beziehe (vgl die Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks 9/846, S 44, zu Nr 35 Buchst a). Durch dasselbe Gesetz (AFKG) wurde – ua auch zur Vermeidung versicherungsrechtlicher Nachteile während des Ruhenszeitraums – das Beschäftigungsverhältnis in der Renten- und Arbeitslosenversicherung fiktiv um den Zeitraum der Urlaubsabgeltung verlängert und der Beitragspflicht unterworfen; in der Krankenversicherung wurde entsprechend die Fortsetzung der Mitgliedschaft – unter Beitragspflicht – angeordnet (zu den Einzelheiten vgl BSG vom 11. Dezember 1986, SozR 2200 § 405 Nr 11 S 36 f). Eine derartige Regelung konnte schon aus Gründen der Rechtsklarheit nur auf einen Zeitraum erstreckt werden, der der Dauer des abgegoltenen Urlaubs entsprach. Die Entwurfsbegründung verwendet dementsprechend durchgehend den Begriff „Urlaubsabgeltung” ohne weitere Erläuterung und übernimmt damit einen feststehenden Begriff des Arbeitsrechts, ohne ihm eine eigenständige sozialrechtliche Bedeutung zu unterlegen. Dies hätte im übrigen gerade beim Beitragseinzug als typischem Massengeschäft zusätzliche Probleme geschaffen. Allerdings ist der für die Ruhenszeit des § 117 Abs 1a AFG geschaffene Versicherungsschutz bereits mit Wirkung ab 1. Januar 1986 – aus Praktikabilitätsgründen – wieder beseitigt worden. Die dadurch eingetretene Lücke im Versicherungsschutz konnte nur deshalb hingenommen werden, weil das Ruhen auf die – typischerweise begrenzte – Zeit des arbeitsrechtlich abzugeltenden Urlaubs beschränkt war.
Arbeitsrechtlich hat dem Kläger bei Beendigung seines Arbeitsverhältnisses aber gerade keine Urlaubsabgeltung zugestanden, sondern allenfalls – wie das LAG entschieden hat – ein hiervon zu unterscheidender Schadensersatzanspruch. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung ist arbeitsrechtlich nämlich weder Schadensersatz noch Abfindung, sondern Erfüllungssurrogat, das an die gleichen Voraussetzungen gebunden ist wie zuvor der Urlaubsanspruch (Leinemann/Linck, aaO, Rz 177 zu § 7 BUrlG).
Zu diesem Ergebnis steht nicht in Widerspruch, daß das BSG in zwei Fällen Leistungen des Arbeitgebers, die der Arbeitnehmer bereits vor der Bewilligung des Alg erhalten hat, als Urlaubsabgeltung iS von § 117 Abs 1a AFG angesehen hat, obwohl sie ohne Rechtsgrund erbracht waren bzw nach Arbeitsrecht nicht (mehr) als solche zustanden (Urteil des 11. Senats vom 29. Juli 1993 – 11 RAr 17/92 – EzA § 117 AFG Nr 9 und Urteil des erkennenden Senats vom 23. Januar 1997 SozR 3-4100 § 117 Nr 14). In beiden Fällen hat das BSG lediglich dem Umstand Rechnung getragen, daß zum Ruhen des Anspruchs auf Alg eine Urlaubsabgeltung nach § 117 Abs 1a AFG nicht nur dann führt, wenn der Arbeitslose diese Leistung „zu beanspruchen”, sondern auch dann, wenn er sie „erhalten” hat. Dieses – auch in Abs 1 und Abs 2 enthaltene – Tatbestandsmerkmal wäre neben dem Merkmal „zu beanspruchen hat” überflüssig, wenn damit nicht eigenständige Sachverhalte hätten erfaßt werden sollen, bei denen gerade kein Anspruch auf die Arbeitgeberleistung, hier auf Urlaubsabgeltung iS der einschlägigen arbeitsrechtlichen Bestimmungen, besteht, diese Leistung vielmehr tatsächlich erbracht worden ist. Deshalb treten die Ruhensfolgen des § 117 Abs 1a AFG auch dann ein, wenn der Arbeitnehmer eine – nicht geschuldete bzw rechtsgrundlos erbrachte – Leistung seines Arbeitgebers erhalten hat, die nach dem Willen beider Arbeitsvertragsparteien „als Urlaubsabgeltung” geleistet bzw entgegengenommen wird. Dem entspricht es, daß zum Begriff „Arbeitsentgelt” in § 117 Abs 1 AFG nach der Legaldefinition in § 14 Abs 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch auch „Einnahmen” aus einer Beschäftigung gehören, wenn auf diese Einnahmen kein Rechtsanspruch besteht, der Arbeitslose sie jedoch „als Arbeitsentgelt” erhält bzw erhalten hat. Hierum geht es im vorliegenden Falle jedoch gerade nicht. Denn der Kläger wendet sich gegen einen Erstattungsanspruch nach § 117 Abs 4 Satz 2 AFG, der – wie bereits ausgeführt – voraussetzt, daß der Kläger zu dem insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Zahlung des Alg noch eine Urlaubsabgeltung „zu beanspruchen hatte”. Dies war nicht der Fall.
In dieser Hinsicht folgt der Senat den im Urteil des Hessischen LAG vom 27. Januar 1997 (11 Sa 128/96) getroffenen und vom LSG zugrunde gelegten Feststellungen, und zwar auch insoweit, als diese Feststellungen auf der Grundlage des für den Kläger maßgeblichen Tarifvertrags für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 16. Dezember 1966 (TV AL II, MinBlFin 1967, 118) getroffen worden sind. Danach hatte der Kläger für das Urlaubsjahr 1995 30 Tage Urlaub zu beanspruchen; dieser Urlaubsanspruch war aber am 31. Dezember 1995 untergegangen, weil der bis zu diesem Zeitpunkt befristete Urlaubsanspruch des Klägers bis dahin nicht erfüllt worden war; ein gesetzlicher bzw tariflicher Übertragungsgrund lag nicht vor. Mit dem Untergang der Urlaubsansprüche war gleichzeitig die Grundlage für die geltend gemachte Urlaubsabgeltung entfallen. Das LAG hat dem Kläger aber einen Anspruch auf Schadensersatz in Geld zugesprochen, der ihm durch den Untergang des Urlaubs- bzw Urlaubsabgeltungsanspruchs entstanden ist. Auf die nähere Begründung ist hier nicht einzugehen. Ein Urlaubsanspruch für das Urlaubsjahr 1995 hat jedenfalls bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. Januar 1996 nicht mehr bestanden und konnte sich daher auch nicht in einen Urlaubsabgeltungsanspruch „umwandeln”.
Ob ein Schadensersatzanspruch wegen des untergegangenen Urlaubs- bzw Abgeltungsanspruchs uU als Arbeitsentgelt iS von § 117 Abs 1 AFG anzusehen wäre, bedarf keiner Erörterung, weil Alg vom Kläger erst für die Zeit nach beendetem Arbeitsverhältnis beansprucht worden ist (BSGE 76, 294, 297 = SozR 3-4100 § 117 Nr 12 mwN). Ebensowenig kommt eine Anwendung des § 117 Abs 2 oder 3a AFG in Betracht. Beide Vorschriften setzen voraus, daß das Arbeitsverhältnis bzw das Beschäftigungsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden ist (§ 117 Abs 2 Satz 1 AFG). Das ist jedoch nicht der Fall, denn das Arbeitsverhältnis des Klägers ist durch Auflösungsvertrag vom 29. Juni 1995 zum 31. Januar 1996, und damit unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist beendet worden. Nach dem TV AL II, der für den Kläger in der jeweils gültigen Fassung gilt, beträgt die Kündigungsfrist bei einer Beschäftigungszeit von 20 Jahren sieben Monate zum Monatsende (§ 44 TV AL II idF des Änderungstarifvertrages vom 9. Juni 1994; vgl dazu Weigand in GemeinschaftsKomm zum KSchG und zu sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften, 5. Aufl, Art 56 NATO-Zusatzabkommen, RdNr 14 und 20).
Nach allem kann die Beklagte vom Kläger keine Erstattung des Alg verlangen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 631045 |
BuW 2002, 483 |
NZA-RR 2002, 275 |
SozR 3-4100 § 117, Nr. 24 |
ZInsO 2002, 740 |
AuS 2001, 62 |
info-also 2002, 73 |