Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 286a
Das Besteuerungsrecht für die Nichtausübung von Tätigkeiten steht grundsätzlich dem Ansässigkeitsstaat zu, da es in diesen Fällen keinen realen Arbeitsort gibt (Rz. 245). Allerdings schlägt Abschn. 2.6 OECD-MK zu Art. 15 OECD-MA für Freistellungsentschädigungen eine andere Regelung vor. Danach sollen Zahlungen, die der Arbeitnehmer bei einer Kündigung für die Zeit der Kündigungsfrist erhält, auch dann dem Tätigkeitsstaat, nicht dem Ansässigkeitsstaat, zugeordnet werden, wenn er während dieser Periode von der Pflicht zur Arbeitsleistung freigestellt worden ist. Vor Inkrafttreten der Neuregelung in Buchst. f) galt dies jedoch nicht; es blieb beim Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates. Wenn einer der beiden beteiligten Staaten dieser Ansicht folgt, der andere aber nicht, besteht die Gefahr der Doppelbesteuerung oder der Doppel-Freistellung. § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. f) EStG bestimmt daher, dass Zahlungen für Zeiten der widerruflichen oder unwiderruflichen Arbeitsfreistellung im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu den inländischen und damit der beschr. Stpfl. unterliegenden Einkünften gehören, soweit ohne Freistellung die Arbeit während der Freistellungsperiode im Inland ausgeübt worden wäre.
Ohne dies ausdrücklich zu sagen, legt die Regelung einen fiktiven Arbeitsort fest, stellt also eine Fiktion dar. Die Regelung gilt, obwohl sie insoweit dem Wortlaut nach nicht eingeschränkt ist, nur für Fälle ohne Bestehen eines DBA. Besteht ein DBA, ist eine vergleichbare Regelung in § 50d Abs. 15 EStG enthalten, der § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. f) EStG vorgeht (hierzu: § 50d EStG Rz. 355ff.).
Rz. 286b
Die Neuregelung des § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. f) EStG gilt sowohl für eine widerrufliche als auch für eine unwiderrufliche Freistellung. Es gibt auch keine Grenze für die Dauer der Freistellung. Voraussetzung ist, dass es sich um eine "Freistellung" handelt. Das ist nur der Fall, wenn das Arbeitsverhältnis und damit die Arbeitspflicht noch bestehen, der Arbeitnehmer von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung aber freigestellt worden ist. Das ist nur bis zur formellen Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Fall. Für diesen begrenzten Zeitraum von dem Aussprechen der Kündigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist sollte es möglich sein, verhältnismäßig sicher festzustellen, ob der Arbeitnehmer die Tätigkeit während dieser Zeit im Inland ausgeübt hätte. Daraus folgt, dass Zahlungen, die für eine Zeit nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt werden, etwa Entschädigungen für ein Wettbewerbsverbot oder sonstige Karenzentschädigungen, weiterhin vom Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers besteuert werden.
Rz. 286c
Rechtsfolge ist, dass der fiktive Arbeitsort des im Ausland ansässigen Arbeitnehmers für die Zeit der Freistellung das Inland ist und die Freistellungsentschädigungen daher im Inland zu besteuern sind. Erfolgt auch eine Besteuerung im Ansässigkeitsstaat, hat keine Anrechnung der ausl. Steuern zu erfolgen, da keine unbeschränkte Steuerpflicht vorliegt, § 34c EStG also nicht eingreift. Auch ein Abzug von der Bemessungsgrundlage nach § 34c Abs. 2, 3 EStG ist nicht möglich. § 50 Abs. 3 EStG, der eine Anrechnung auch bei beschr. Stpfl. ermöglicht, gilt für Arbeitnehmereinkünfte nicht. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass der Ansässigkeitsstaat die Doppelbesteuerung zu vermeiden hat. Zum Fall des Bestehens eines DBA vgl. § 50d EStG Rz. 355ff.