Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablehnung einer Bewerberin wegen Teilzeit. Einstweilige Verfügung. Sicherung des Bewerbungsverfahrensanspruchs

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das nach Art. 33 Abs. 2 GG für den öffentlichen Dienst vorgeschriebene Prinzip der Bestenauslese gilt auch für der eigentlichen Stellenbesetzungsentscheidung vorgelagerte Auswahlprozesse (hier Besetzung einer Traineestelle).

2. Der öffentliche Arbeitgeber ist zwar nicht in jedem Falle verpflichtet, eine Stellenausschreibung vorzunehmen. Entschließt er sich aber zu einem Auswahlverfahren, an dem sowohl Beförderungs- als auch Versetzungsbewerber unterschiedslos teilnehmen können, so legt er sich auf ein an den Maßstäben des Art. 33 Abs. 2 GG ausgerichtetes Verfahren fest.

3. Die Ablehnung eines Stellenbewerbes wegen dessen Teilzeitbeschäftigung, weil eine Aufstockung der Arbeitszeit aus Gründen der Kosteneinsparnis nicht gewünscht ist, ist in aller Regel mit Art. 33 Abs. 2 GG nicht zu vereinbaren.

4. Die effektive Sicherung des sog. Bewerbungsverfahrensanspruchs im einstweiligen Verfügungsverfahren bedingt, dass dem öffentlichen Arbeitgeber untersagt werden kann, vorläufig keine der freien Stellen zu besetzen.

 

Normenkette

GG Art. 33 Abs. 2; ZPO §§ 935, 940; TzBfG §§ 4, 10; GG Art. 3 Abs. 2-3; AGG §§ 1, 7

 

Verfahrensgang

ArbG Gießen (Urteil vom 23.02.2011; Aktenzeichen 2 Ga 2/11)

 

Tenor

Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 23. Februar 2011 – 2 Ga 2/11 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Wege einer einstweiligen Verfügung um die Frage, ob der Verfügungsbeklagten eine Stellenbesetzung einstweilen zu untersagen ist.

Die Verfügungsklägerin ist am xx geboren und ist gelernte B. Seit dem 01. Januar 1988 arbeitete sie bei der Verfügungsbeklagten und war zuletzt als Sachbearbeiterin im so genannten Marktfolgebereich Aktiv beschäftigt. Die Stelle ist bewertet mit der Entgeltgruppe 9+ TVöD. Sie war zuletzt in Teilzeit mit 40 % der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit bei einem Bruttogehalt von 1.441 EUR beschäftigt.

Die Verfügungsbeklagte ist eine C in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts. Bei ihr werden 139 Frauen und 8 Männer in Teilzeit beschäftigt.

Am 04. November 2010 traf der Vorstand der Verfügungsbeklagten die Entscheidung, in den Jahren 2011 bis 2013 Kosten im Personalbereich einzusparen. Auszugsweise heißt es in dem Vorstandsbeschluss:

„…

2. Zielsetzung

Der Vorstand hat zur Sicherung der Wirtschaftlichkeit des Unternehmens entschieden, in den Jahren 2011 bis 2013 insgesamt 22 Mitarbeiterkapazitäten einzusparen. Bei einem Abgang von 44 Teilzeitlern entspricht dies einer statistischen Nachbesetzungsquote von 50 %; jede zweite frei werdende Stelle wird eingespart…

3. Abbauzeitraum

Der Personalabbau erstreckt sich über den Zeitraum 04.11.2010 bis zunächst 31.12.2013…

4. Abbauquote

Die Abbauquote wird auf 5,5 % gesetzt, dies entspricht bei dem derzeitigen Stand der Mitarbeiterkapazitäten (MAK) einer Menge von 22 MAK…

6. Einschränkungen bei der Personalbewirtschaftung im Abbauzeitraum

Zur Realisierung der Abbauquote werden grundsätzlich folgende Vorgaben gemacht:

Eingeschränkte Übernahme von Ausbildungsabsolventen als Jungangestellte.

Keine Einstellungen vom externen Stellenmarkt.

Keine Ausweitung von Teilzeitarbeitsverträgen.

Ausnahmen von diesen grundsätzlichen Vorgaben bedürfen eines gesonderten Vorstandsbeschlusses…”

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Vorstandsbeschlusses wird ergänzend Bezug genommen auf Blatt 59 bis 63 d.A.

Die Verfügungsbeklagte veröffentlichte im November 2010 betriebsintern eine Stellenausschreibung. Zu besetzen waren zwei Stellen als Trainees (w/m) in der Abteilung Recht/Team Abwicklung. Auszugsweise heißt es in der Ausschreibung:

„…

In der Abteilung Recht/Consulting werden im Team Abwicklung in den nächsten zwei Jahren mehrere Mitarbeiter im Bereich der Bearbeitung von komplexen Abwicklungsfällen altersbedingt ausscheiden. Wir sind überzeugt davon, dass sich die hausinterne Abwicklung von notleidenden Krediten bewährt hat und wollen dies gerne fortführen. Mit diesen Traineestellen wollen wir die Nachfolgeregelung bereits jetzt starten, um bei Ihnen das notwendige Knowhow und die erforderliche Qualifikation aufzubauen.

Wenn Sie

  • Erfahrung im Kreditgeschäft, vorzugsweise in der Sachbearbeitung haben bzw. alternativ entsprechende juristische Vorbildung/Kenntnisse mitbringen
  • motiviert sind, für die C im Rahmen der Kreditabwicklung die größtmöglichen Verwertungserfolge zu erzielen dann machen Sie mit als Trainee (w/m).

    Sie erhalten die Chance:

  • sich auf weiterführende Tätigkeiten durch den Erwerb von Schlüsselqualifikationen vorzubereiten
  • Ihr Fachwissen zu vertiefen
  • Ihre Potenziale zu bestätigen bzw. auszubauen aber vor allem:

    • eine individuelle Förderung zu erhalten
    • sich persönlich weiterzuentwickeln.

Das Traineeprogramm beginnt im März 2011 und dauert ca. 18 bis 24 Monate. Den Ablauf und die Inhalte werden wir, in Abhängigkeit von Ihrer derzeitigen Qualif...

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