Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Verdachtskündigung. Anhörung des Arbeitnehmers
Leitsatz (amtlich)
1.) Wird ein Arbeitnehmer, der in dem Verdacht steht, eine schwere arbeitsvertragliche Pflichtverletzung begangen zu haben, unter dem Vorwand, mit ihm ein Fachgespräch zu führen, in die Räume der Geschäftsleitung gelockt, um ihn zu einer beabsichtigten Verdachtskündigung anzuhören, so handelt es sich nicht um den hinreichenden Versuch des Arbeitgebers, den Sachverhalt umfassen aufzuklären.
2.) Der Arbeitnehmer, der in einer derartigen Situation völlig unvorbereitet mehreren Vertretern des Arbeitgebers gegenübersteht, ist berechtigt, die Anhörung so lange zu verzögern, bis er sich mit einer Person seines Vertrauens (hier: der Betriebsratsvorsitzende) beraten hat.
Normenkette
BGB § 626; BetrtVG § 103
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Beschluss vom 09.01.2009; Aktenzeichen 2 BV 37/08) |
ArbG Düsseldorf (Aktenzeichen 12 BV 37/08) |
Tenor
1) Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 09.01.2009 – 2 BV 37/08 – wird zurückgewiesen.
2) Die Rechtsbeschwerde wird für die Arbeitgeberin zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten in einem Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG über die Frage, ob die verweigerte Zustimmung des Antragsgegners zur beabsichtigten Kündigung des Beteiligten zu 3) zu ersetzen ist.
Die Antragstellerin (Arbeitgeberin) ist ein Verlag für Ingenieure sowie Fach- und Führungskräfte mit Sitz in E.. Sie beschäftigt derzeit 85 Mitarbeiter. Antragsgegner ist der bei ihr im Jahre 2006 gebildete Betriebsrat. Der Beteiligte zu 3), ein Mitglied des 5-köpfigen Betriebsrates, ist am 17.04.1954 geboren und seit dem 01.01.1991 bei der Arbeitgeberin beschäftigt. Er wird derzeit als systemverantwortlicher Mitarbeiter im Bereich Informationstechnologie beschäftigt und gehört als solcher zu den IT-Administratoren der Arbeitgeberin.
In der Nacht vom 29.02.2008 zum 01.03.2008 wurde im EDV-System der Arbeitgeberin ein Schadprogramm installiert, das sämtliche Passwörter der Nutzer einschließlich der Administratorpasswörter änderte. Die Arbeitgeberin schaltete, weil sie eine Computersabotage vermutete, frühzeitig die Kriminalpolizei ein und versuchte in der Folgezeit mit Hilfe von IT-Spezialisten eines Computerunternehmens, den Verursacher und dessen Vorgehensweise ausfindig zu machen. Aufgrund der Feststellungen der eingesetzten Experten kam bei der Arbeitgeberin der Verdacht auf, dass der Beteiligte zu 3) die Sabotagehandlungen begangen haben könnte. Am 17.03.2008 versuchte die Arbeitgeberin, den Beteiligten zu 3) zu dem Vorwurf anzuhören. Das Zustandekommen und der Ablauf des Anhörungsgesprächs ist zwischen allen Beteiligten streitig.
Mit Schreiben vom 18.07.2008 informierte die Arbeitgeberin den Betriebsrat über eine außerordentliche Kündigung des Beteiligten zu 3) (Bl. 17 – 19 d. A.) und bat um Zustimmung zu der geplanten Verdachtskündigung. Dies lehnte der Betriebsrat unter dem 19.03.2008 ab.
Mit ihrem am 20.03.2008 beim Arbeitsgericht Düsseldorf anhängig gemachten Antrag hat die Arbeitgeberin die gerichtliche Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung begehrt. Sie hat die Auffassung vertreten, dass die angestrebte außerordentliche Kündigung des Beteiligten zu 3) wegen des dringenden Verdachts einer strafbaren Handlung zu Lasten der Arbeitgeberin berechtigt sei. So hätten die umfangreichen Ermittlungen auch der Polizei ergeben, dass der Beteiligte zu 3) mit großer Wahrscheinlichkeit das Schadprogramm im EDV-System platziert hätte, um der Arbeitgeberin zu schaden. Als Motiv für diese Aktion könne angenommen werden, dass der Beteiligte zu 3) über eine Outsourcing-Maßnahme Anfang des Jahres 2008 erbost gewesen sei, von der auch er betroffen gewesen wäre.
Zum Anhörungsversuch am 17.03.2008 hat die Arbeitgeberin vorgetragen, der Beteiligte zu 3) sei zu einem Gespräch im Büro des Geschäftsführers der Arbeitgeberin gebeten worden, an dem auf der Arbeitgeberseite neben dem Geschäftsführer die Personalleiterin, die Zeugin M., sowie die spätere Verfahrensbevollmächtigte teilgenommen hätten. Der Beteiligte zu 3) hätte jedoch, bevor ihm das Thema des Gespräches genannt worden wäre, fluchtartig den Raum verlassen und sei ins Betriebsratsbüro gelaufen. Dort sei ihm im Beisein des Betriebsratsvorsitzenden eröffnet worden, dass der dringende Verdacht der Computersabotage bestehe. Der Beteiligte zu 3) hätte sich aber erneut geweigert, mit der Geschäftsleitung zu sprechen. Daraufhin sei ihm Hausverbot erteilt und er sei aufgefordert worden, den Verlag unverzüglich zu verlassen.
Der Beteiligte zu 3) hätte sich zunächst jedoch geweigert, zu gehen und dies erst dann getan, als die Polizei angerufen worden sei. Auch zu diesem Zeitpunkt sei ihm aber weiter angeboten worden, ein Gespräch im Beisein eines Betriebsratsmitglieds oder eines Anwalts zu führen, jedenfalls aber später am Tag in der Kanzlei der Verfahrensbevollmächtigen der Arbeitgeberin angehört zu werde...