Entscheidungsstichwort (Thema)
Fristlose Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden bei absichtlicher Löschung einer betrieblichen Datei. Zustimmungsersetzungsantrag der Arbeitgeberin
Leitsatz (redaktionell)
Zu den vertraglichen Nebenpflichten eines Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB gehört es, dass der Arbeitnehmer seiner Arbeitgeberin den Zugriff auf betriebliche Dateien nicht verwehrt oder unmöglich macht. Entzieht ein Arbeitnehmer seiner Arbeitgeberin eigenmächtig den Zugriff auf solche Daten oder löscht er diese in einer Weise, dass sie nur mit erheblichem Aufwand wieder herzustellen sind, verstößt er derart gegen die selbstverständlichen Nebenpflichten eines jeden Arbeitnehmers, die Interessen der Arbeitgeberin als seiner Vertragspartnerin zu berücksichtigen, dass ein solches Verhalten in aller Regel zur sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt und die Fortsetzung bis zum Ende der Kündigungsfrist unzumutbar ist.
Normenkette
BGB § 241 Abs. 2, § 626 Abs. 1; KSchG § 15 Abs. 1; BetrVG § 103 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 10.04.2014; Aktenzeichen 7 BV 33/13) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts vom 10. April 2014 zum Geschäftszeichen - 7 BV 33/13 - abgeändert:
Die Zustimmung des Beteiligten zu 2) zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3) gemäß § 103 Abs. 2 BetrVG wird ersetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Der antragstellende Arbeitgeber (Beteiligte zu 1.) begehrt die Ersetzung der verweigerten Zustimmung des am Verfahren beteiligten Betriebsrats (Beteiligter zu 2.) zur fristlosen Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden (Beteiligter zu 3.).
Die Beteiligte zu 1. vertreibt, installiert und wartet Aufzüge, Fahrtreppen, Rollbänder und andere horizontale Transportsysteme. Beteiligter zu 2. ist der in der Niederlassung H. gebildete Betriebsrat.
Der Beteiligte zu 3. ist der Vorsitzende des Beteiligten zu 2. Er ist 1943 geboren und seit 1966, nunmehr auf Grundlage des am 22.05.1990 geschlossenen Arbeitsvertrags (Anlage ASt. 1, Bl. 9ff. d. A.), bei der Arbeitgeberin bzw. deren Rechtsvorgängern als "Projektleiter Großprojekte" beschäftigt. Arbeitsvertraglich ist eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden vereinbart, die Kündigungsfrist beträgt 3 Monate zum Ende eines Quartals, sofern nicht gesetzliche Vorschriften andere Fristen vorsehen. Seit 2007 übt der Beteiligte zu 3. jedenfalls ganz überwiegend Betriebsratstätigkeit aus und bezieht sei dem 01.02.2008 gesetzliche Altersrente.
Zwischen den Beteiligten war vor dem Arbeitsgericht Hamburg ein Beschlussverfahren zum Aktenzeichen 7 BV 27/13 anhängig, in dem die Antragstellerin eine Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu einer außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3. verfolgte. Die Antragstellerin warf dem Beteiligten zu 3. vor, dass dieser an verschiedenen Tagen im Jahr 2013 seiner arbeitsvertraglichen Pflicht zur Tätigkeit nicht genügt, jedenfalls aber unter Verletzung der hierfür bei der Antragstellerin geltenden Regelungen frei genommen habe. Das Arbeitsgericht hat den Antrag durch Beschluss vom 19.12.2013 zurückgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 26.08.2014 die Beschwerde der Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts zurückgewiesen (2 TaBV 4/14). Die Entscheidung ist rechtskräftig geworden.
Am 27.09.2013 war der Beteiligte zu 3. während des gesamten Tages nicht in der Niederlassung der Antragstellerin anwesend. Der Personalleiter der Antragstellerin, Herr N., erfuhr am 30.09.2013 während eines Auslandsurlaubs telefonisch von diesem Umstand. Nachdem Herr N. am 14.10.2013 aus dem Urlaub zurückgekehrt war, schrieb er am 15.10.2013 eine E-Mail an den Beteiligten zu 3., in der er um Mitteilung bat, wo dieser am 27.09.2013 gewesen sei (Anl. Ast. 2, Bl. 13 d. A.).
Am 16.10.2013 antwortete der Beteiligte zu 3. per E-Mail: "AB für den 09.09.2013 siehe Abwesenheitsliste" (Anl. Ast. 3, Bl. 14 d. A.).
Herr N. rief daraufhin am gleichen Tage den Beteiligten zu 3. an und fragte nach der Bedeutung dieser Nachricht. Der Beteiligte zu 3. erläuterte, dass er am 09.09.2013, während seines Urlaubs, wegen des Antrags der Antragstellerin nach § 103 BetrVG vom 05.09.2013 betreffend seine außerordentliche Kündigung in die Niederlassung gekommen sei, um vom Betriebsrat wegen dieses Antrags angehört zu werden. Diesen Tag, den er während seines Urlaubs im Büro verbracht habe, habe er nachgeholt und sei daher am 27.09.2013 nicht in die Niederlassung gekommen.
Einen förmlichen Urlaubsantrag stellte der Beteiligte zu 3. für den 27.09.2013 nicht.
Am 11.10.2013 war der Beteiligte zu 3. abermals während des gesamten Tages nicht im Büro. Der Niederlassungsleiter, Herr F., fragte den Beteiligten zu 3. am 10.10.2013, ob dieser am 11.10.2013 Zeit habe, um mit ihm über Incentives u.a. zu sprechen. Der Beteiligte zu 3. erklärte Herrn F. daraufhin, er sei am 11.10.2013 nicht im Hause, da er während seines letzten Urlaubs an einem Tag erkrankt ...