Entscheidungsstichwort (Thema)

außerordentliche Kündigung. 2-Wochen-Frist. Wahrung. Zustimmungsersetzungsverfahren. unzulässig. Ersatzmitglied

 

Leitsatz (redaktionell)

Kann sich der Arbeitgeber ohne größere Schwierigkeiten einen sicheren Erkenntnisstand über die aktuelle Betriebsratseigenschaft des zu Kündigenden verschaffen, muss er ohne vorherige Einholung einer Zustimmung des Betriebsrats innerhalb der Zweiwochenfrist sofort eine beabsichtigte außerordentliche Kündigung aussprechen.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 2 S. 1; BetrVG §§ 25, 103

 

Verfahrensgang

ArbG Münster (Teilurteil vom 07.08.2008; Aktenzeichen 2 Ca 539/08)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Münster vom 07.08.2008 – 2 Ca 539/08 – wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung vom 30.10.2007; daneben ist in der ersten Instanz noch der klägerische Antrag, gerichtet gegen die Wirksamkeit einer hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung vom 07.08.2008, anhängig.

Der am 18.12.1954 geborene, ledige Kläger trat mit Wirkung ab 01.01.1984 in die Dienste der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin. Er kam zuletzt als Kundenberater zu einer Bruttomonatsvergütung in Höhe von 4.935,04 EUR zum Einsatz; daneben fungiert er als fünftes Ersatzmitglied im bestehenden 15-köpfigen Betriebsrat.

Nach dem Anstellungsantrag vom 28.04./03.05.2004 trifft den Kläger eine umfassende Verschwiegenheitspflicht. Hinsichtlich der Einzelheiten wird verwiesen auf § 10 des Vertrages als Anlage zum Klageschriftsatz vom 02.11.2007 (Bl. 7 d. A.).

Im Zuge eines Studiums an der Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel reichte der Kläger dort am 15.03.2007 eine Masterarbeit zum Thema „Entwicklung einer Konzeption für ein prozessorientiertes Qualitätsmanagement am Beispiel der Abteilung Kunden-Servicecenter-Technik im Vertrieb einer genossenschaftlichen Rechenzentrale” ein. Auf Seite 102 der Arbeit befindet sich ein vom Kläger selbst gefertigter „Sperrvermerk” folgenden Inhalts:

Diese Arbeit enthält vertrauliche Daten der G1 eG – IT für Banken, 41 M1, W2 S3 51. Veröffentlichungen oder Vervielfältigungen dieser Arbeit – auch auszugsweise – sind ohne ausdrückliche Genehmigung der Geschäftsleitung der G1 eG nicht gestattet.

Am 27.06.2007 beantragte er bei der Beklagten einen finanziellen Zuschuss und übergab ihr auf Anforderung ein Exemplar der Masterarbeit.

Nach Durchsicht des Werks und Anhörung des Klägers am 09.08.2007 wandte sich die Beklagte am 13.08.2007 an den Betriebsrat mit dem Antrag auf Zustimmung zu dessen

außerordentlicher Kündigung. Darin heißt es unter anderem:

1. Herr S4 ist mit Wahl vom 15.03.2006 zum Ersatzmitglied des Betriebsrats der G1 eG gewählt worden. Zuletzt hat Herr S4 für den Betriebsrat an der Sitzung am 02.08.2007 teilgenommen.

3. …

Nach Durchsicht der Masterarbeit stellte sich heraus, dass Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse der G1 eG von Herrn S4 in seiner Arbeit dargestellt wurden. Dabei handelt es sich unter anderem um folgende Komplexe:

  1. Komplex: Detaillierte Beschreibung der Organisationsstruktur und der internen Prozesse der Organisationseinheit KST
  2. Komplex: Beschreibung des Informationsmanagements und

    insbesondere von Störungen in der Callbearbeitung über OCTOHelp anhand von Einzelbeispielen und zum Teil auch unter Benennung von externen Geschäftspartnern.

  3. Komplex: Detaillierte Beschreibung der von der G1 eG durchgeführten telefonischen Kundenbefragung inkl. der Ergebnisse der Auswertung

Nachdem der Betriebsrat mit Schreiben vom 16.08.2007 seine Zustimmung verweigert hatte, leitete die Beklagte am 17.08.2007 ein Zustimmungsersetzungsverfahren ein (ArbG Münster – 2 BV 20/07 = LAG Hamm – 13 TaBV 142/08). Im Laufe dieses Verfahrens teilte der Kläger durch Schriftsatz vom 15.10.2007, der Beklagten zugegangen am 19.10.2007, mit, dass er namentlich am 17.08.2007 nicht als Ersatzmitglied nachgerückt sei.

Daraufhin hörte die Beklagte am 28.10.2007 den Betriebsrat „für den Fall, dass (der Kläger) nicht durchgehend im Zeitpunkt der Anhörung als Ersatzmitglied zur Betriebsratsarbeit herangezogen wurde„, rein vorsorglich zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung an, die sie sodann am 30.10.2007 aussprach.

Der Kläger wendet sich gegen die Wirksamkeit dieser Kündigung.

Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe schon die zweiwöchige Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt. Er habe letztmals am 02.08.2007 eine Amtstätigkeit ausgeübt, sodass das Zustimmungsersetzungsverfahren nicht erforderlich gewesen sei; vielmehr hätte die Beklagte bereits Mitte August 2007 kündigen können und müssen.

Davon abgesehen bestehe auch kein Grund für eine außerordentliche Kündigung.

Soweit hier von Interesse, hat der Kläger beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung vom 30.10.2007 nicht aufgelöst worden ist.

Die Be...

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