Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsabteilung. Stilllegung. Rechtsabteilung. Betriebsrat. Kündigung eines Betriebsratsmitglieds wegen Stilllegung der „Rechtsabteilung”
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Betriebsabteilung im Sinne von § 15 Abs. 5 KSchG ist ein räumlich und organisatorisch abgegrenzter Teil des Betriebs, der eine personelle Einheit erfordert, dem eigene technische Betriebsmittel zur Verfügung stehen und der einen eigenen Betriebszweck verfolgt, auch wenn dieser in einem bloßen Hilfszweck für den arbeitstechnischen Zweck des Gesamtbetriebs besteht (BAG 23.02.2010, 2 AZR 656/08, AP Nr. 66 zu § 15 KSchG 1969, Rn. 29).
2. Dabei ist es im Einzelfall möglich, dass diese „personelle Einheit” durch einen einzelnen Arbeitnehmer verkörpert wird, der räumlich und organisatorisch abgegrenzt einen eigenen Hilfszweck verfolgt.
3. Um in einer solchen Konstellation der „Atomisierung” der kündigungsschutzrechtlich relevanten Betriebsstruktur und damit einer Aushöhlung des gesetzlich geschaffenen besonderen Bestands- und Inhaltsschutzes der betriebsverfassungsrechtlichen Funktionsträger vorzubeugen (in Anlehnung an BAG 20.01.1984, 7 AZR 443/82, AP Nr. 16 zu § 15 KSchG 1969, Rn. 29), bedarf es eines besonders dichten und konturierten Tatsachenvortrags des Arbeitgebers um zu verdeutlichen, dass tatsächlich ein abgrenzbarer Hilfszweck durch diese Betriebsabteilung selbständig verfolgt wird.
4. An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn ein einzelner Justitiar in der Verwaltung einer Klinik neben allgemeinen Verwaltungsaufgaben juristische Querschnittsaufgaben bei der Beratung anderer Verwaltungsmitarbeiter sowie die Prozessführung vor Gericht ohne nennenswerten eigenen Entscheidungsspielraum wahrnimmt.
Normenkette
KSchG § 15 Abs. 5
Verfahrensgang
ArbG Hannover (Urteil vom 01.12.2010; Aktenzeichen 2 Ca 93/10) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil es Arbeitsgerichts A-Stadt vom 01.12.2010 2 Ca 93/10 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, welche die Beklagte dem Kläger gegenüber unter Bezugnahme auf die behauptete Stilllegung einer Betriebsabteilung ausgesprochen hat.
Der am 00.00.1963 geborene, verheiratete und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist seit dem 01.10.2002 für die Beklagte tätig. Der schriftliche Arbeitsvertrag vom 19.08.2003 (Bl. 5 ff. d. A.) regelt in § 3 als Aufgabengebiet des Klägers „Justitiar und Personalleiter, wobei der Schwerpunkt seiner Tätigkeit im Bereich der juristischen Beratung liegt.” Der Kläger erzielt ein monatliches Bruttoentgelt von derzeit 6.750,00 EUR.
Mit Wirkung zum 01.10.2004 hat die Beklagte Frau C. R. als neue Personalleiterin eingestellt. Ob es in diesem Zuge auch zu einer Veränderung des rechtlichen Inhalts des zwischen dem Kläger und der Beklagten geschlossenen Arbeitsverhältnisses gekommen ist, ist zwischen den Parteien streitig. Mit an die Beklagte gerichtetem Schreiben vom 18.11.2005 äußerte der Kläger: „Nach meiner Zustimmung zu der von Ihnen einseitig vorgenommenen Vertragsänderung arbeite ich ausschließlich als Justitiar für Sie, ohne eigene Befugnis zu Sachentscheidungen” (Bl. 151 d. A.). Der Kläger nahm weiterhin regelmäßig an der bei der Beklagten installierten „Verwaltungsrunde” teil. Über die dort erörterten Inhalte geben beispielhaft die Protokolle vom 28.10.2004 (Bl. 264 ff. d. A.) und vom 23.12.2004 (Bl. 308 f. d. A.) Auskunft. Ab dem 29.11.2005 war der Kläger von seiner Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt.
Seit Dezember 2005 ist der Kläger Mitglied des bei der Beklagten gebildeten Betriebsrates. Er wurde Ende April 2010 erneut in das Gremium gewählt. Nach einer rechtlichen Auseinandersetzung zu dieser Frage ist der Kläger wegen seiner Betriebsratsarbeit vollständig freigestellt.
Am 16.12.2009 fasste der geschäftsführende alleinige Gesellschafter der Beklagten folgenden Beschluss:
„Die Leitung der Personalabteilung wird mit sofortiger Wirkung der Geschäftsführung übertragen. Im Rahmen der Geschäftsverteilung obliegt dem Geschäftsführer A. J. die Leitung der Personalabteilung.
Die Rechtsabteilung wird mit sofortiger Wirkung geschlossen. Soweit Rechtsfra gen und Rechtsstreitigkeiten außergerichtlich oder gerichtlich nicht durch von der Gesellschaft zu beauftragende Rechtsanwälte bearbeitet und betreut werden, ob liegt die Bearbeitung dieser Angelegenheiten ebenfalls der Geschäftsführung. Im Rahmen der Geschäftsverteilung ist der Geschäftsführer R. B. für die Angelegenheiten Baurecht, Pflegesatzverhandlungen und Herr J. für den Be reich Personalrecht zuständig. Mit der Klärung von Rechtsfragen und der außer gerichtlichen und gerichtlichen Vertretung der Gesellschaft sollen im Wesentlichen externe Rechtsanwälte beauftragt werden.” (Bl. 55 d. A.).
Mit Schreiben vom 07.01.2010 hörte die Beklagte den bei ihr gebildeten Betriebsrat zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Klägers an (Bl. 152 ff. d. A.). Der Betriebsrat wider...