Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderungskündigung. Weiterbeschäftigung. Verhältnismäßigkeit. Prüfung von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten vor Ausspruch einer Änderungskündigung
Leitsatz (amtlich)
1. Die im Zuge einer Änderungskündigung angebotenen Vertragsänderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrages den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Sie dürfen sich nicht weiter vom Inhalt des bisherigen Arbeitsverhältnisses entfernen, als es zur Erreichung des angestrebten Zwecks erforderlich ist.
2. Bestehen mehrere geeignete Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten, hat der Arbeitgeber grundsätzlich den Arbeitsplatz anzubieten, dessen Arbeitsbedingungen sich am wenigsten weit von den bisherigen entfernen. Fallen mehrere Arbeitsplätze weg, hat der Arbeitgeber zunächst eine Reihung der Arbeitnehmer vorzunehmen, um sie sodann den freien Arbeitsplätzen zuzuordnen. Bei der Auswahlentscheidung sind die Grundsätze der Sozialauswahl heranzuziehen.
3. Stets sind alle Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten in die Prüfung einzubeziehen. Es dürfen nicht vorab Arbeitsplätze besetzt werden, mit der Folge, dass sie bei Prüfung und Zuordnung der Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten für die von der (Änderungs-)Kündigung bedrohten Arbeitnehmer unberücksichtigt bleiben.
Normenkette
KSchG §§ 1-2
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Urteil vom 08.07.2008; Aktenzeichen 6 Ca 1156/08) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 08.07.2008 – 6 Ca 1156/08 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Revision nicht gegeben; im Übrigen wird auf § 72 a ArbGG verwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Berufung noch über die Wirksamkeit einer Kündigung, sowie um Weiterbeschäftigung.
Der am … 1954 geborene Kläger absolvierte ab dem 01.08.1971 bei der Deutschen Bundespost, der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine Ausbildung zum Fernmeldehandwerker. Nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung war der Kläger ab dem 01.07.1974 als Fernmeldehandwerker/Betriebstechniker T. bei der D. B. beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis lag zunächst ein Arbeitsvertrag für Arbeiter vom 08.07.1974 über eine Tätigkeit beim Fernmeldeamt L. zugrunde (Anlage K 1 = Bl. 8 d. A.). Danach galten die Bestimmungen des Tarifvertrags für die Arbeiter der D. B. in ihrer jeweiligen Fassung als unmittelbar zwischen den Parteien vereinbart. Der Arbeitsvertrag wurde mehrfach verändert, zuletzt durch Schreiben vom 09.08.2006 (Anlage K 2 = Bl. 9 d. A.). In dem Schreiben heißt es:
„Sie werden daher wie geplant zum 07.08.2006 als Monteur (Dienstleistungsmonteur/N. Communica) mit der ATNr. 33 … entsprechend Ihrer arbeitsvertraglichen Eingruppierung in die Technische Infrastruktur Niederlassung Nord am Standort L. versetzt”.
Der Kläger war zuletzt in der Entgeltgruppe T 3 eingruppiert. Während zweier aufeinander folgender Versetzungen, die jeweils zeitlich befristet waren, insgesamt vom 01.01.2007 bis einschließlich 30.09.2007, war der Kläger auf Dienstposten eingesetzt, die mit Entgeltgruppe T 5 nach dem Entgeltrahmentarifvertrag (ERTV) bewertet waren.
Der Kläger ist verheiratet und hat ein Kind. Sein durchschnittlicher Bruttomonatsverdienst beträgt 3.035,88 EUR. Mit Schreiben vom 06.05.1994 (Anlage K 6 = Bl. 25 d. A.) hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten dem Kläger mitgeteilt, dass er die Voraussetzungen der Unkündbarkeit nach § 26 a Abs. 1 Buchst. t des Tarifvertrags für die Arbeiter der D. B. (TV Arb) am 21.05.1994 erfülle.
Die Beklagte unterhielt in der Vergangenheit bundesweit acht Betriebe als Technische Infrastruktur Niederlassungen für die Festnetzsparte. Aufgabe der Betriebe war es, die technische Infrastruktur des Unternehmens zu bauen und zu betreiben. Auch die 100%ige Tochter der Beklagten, die V. T. Services GmbH (VTS) war in die-sem Bereich tätig. Der Kläger war der Technischen Infrastruktur Niederlassung Nord mit Sitz in H. als Monteur im Außendienst zugeordnet.
Die Beklagte gliederte zum 25.06.2007 den Tätigkeitsbereich des Klägers, die Serviceeinheit für Technische Infrastruktur, auf eine neu gegründete Tochtergesellschaft, die D. T. Netzproduktion GmbH (DT NP), aus. Die operativen Einheiten, also die Tätigkeiten und die damit zusammenhängende Lenkung sowie die hierzu erforderlichen Betriebsmittel wurden der neuen Gesellschaft übertragen. Weitere Einzelheiten ergeben sich aus der sog. Migrationsübersicht, der Verlautbarung der Beklagten vom 06.06.2007, dem Schaubild über den Bereichsvorstand T-COM1 (vgl. Anlagen K 11 – 13 = Bl.105 ff. d. A.) und der Darstellung des Klägers auf Seiten 5 und 6 seines Schriftsatzes vom 04.06.2008. Die DT NP hat mit der Gewerkschaft ver.di eigenständige Tarifverträge geschlossen, die inhaltlich von den von der Beklagten, ebenfalls mit ver.di geschlossenen abweichen.
Die Beklagte informierte den Kläger über den – aus ihrer Sicht – anstehenden Betriebsübergang (Anlage B 1 = Bl. 61 ff. d. A.). Dem möglich...