Rentner als Arbeitnehmer zurückgewinnen

Nicht alle erwerbstätigen Rentnerinnen und Rentner arbeiten übergangslos trotz Rentenalter weiter. Bei vielen wächst der Wunsch nach Beschäftigung erst nach einer gewissen Orientierungszeit. Um diese Talente zu gewinnen, müssen Ansprache und Rahmenbedingungen stimmen.

Die Zahl der Menschen, die in den Ruhestand gehen, steigt ständig. Im Jahr 2031 geht der geburtenstärkste Jahrgang Deutschlands - das Geburtsjahr 1964 mit 1.357.304 Menschen - in Rente. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes werden 12,9 Millionen Arbeitnehmende bis 2036 das Renteneintrittsalter überschritten haben. Dies entspricht knapp 30 Prozent der dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehenden Erwerbspersonen.

Zahl der erwerbstätigen Rentner so hoch wie nie

Der Großteil dieser Rentner und Rentnerinnen hat noch eine Vielzahl von gesunden und aktiven Lebensjahren vor sich. Diese mit persönlichem Sinn auszufüllen, kann früher oder später zu einer großen Herausforderung werden. Manche begegnen dem Ruhestand schon im Vorfeld mit gemischten Gefühlen. Andere erkennen erst im Laufe der Zeit, dass der Ruhestand nicht das ist, was sie vorher gedacht hatten.

So ist es nicht verwunderlich, dass die Zahl der erwerbstätigen Rentner aktuell auf dem Höchststand ist. Denn Arbeit kann das Bedürfnis nach einer sinnvollen Aufgabe und sozialen Kontakten befriedigen. Auch in anderen Ländern wird dieser Trend sichtbar: So berichten zum Beispiel die US-Medien vom "Great Unretirement".

Erwerbstätigkeit im Ruhestand: Weitermacher und Wiederkehrer

Menschen, die einer Erwerbstätigkeit im Ruhestand nachgehen, kann man einer dieser zwei Gruppen zuordnen: sie sind "Weitermacher" oder "Wiederkehrer". Die Weitermacher wissen bereits während ihrer Berufstätigkeit, dass sie ihren Job auch über das reguläre Renteneintrittsalter fortführen wollen und sprechen dies aktiv im Betrieb an. Der oder die Arbeitnehmende und der Arbeitgeber können so frühzeitig gemeinsam abstimmen, welche Möglichkeiten es für eine "gemeinsame Zukunft" gibt.

Anders gelagert ist die Situation bei der Gruppe der Wiederkehrer, zu der die Mehrheit der Ruheständler zählt. Der Großteil der Beschäftigten scheidet in den Ruhestand aus und merkt erst nach einer gewissen Zeit, dass ihnen im Ruhestand etwas fehlt. Diese Erkenntnis reift meist während der ersten acht bis zehn Monate. Frei nach Max Raabe stellt man fest: "Kein Schwein ruft mich an, keine Sau interessiert sich für mich." Im Idealfall beginnt dann die Suche nach einer oder mehreren sinnstiftenden Beschäftigung(en). Die Optionen sind zahlreich, sei es ein (neues) Hobby, das Ehrenamt oder eine Erwerbstätigkeit.

Letztere stellt die Ruheständler wie auch potenzielle Arbeitgeber vor Fragen. Die Ruheständler müssen für sich klären: Was will ich in welchem Umfang tun? Meinen Berufsweg fortführen und einen Wiedereinstieg in meiner Domäne anstreben oder gehe ich in ein neues Aufgabenfeld? Wie flexibel will oder muss ich zeitlich bleiben? Ist die Ausrichtung der angestrebten Erwerbstätigkeit definiert, gilt es ein Unternehmen zu finden, das "Talente in Rente" einstellt.

Checkliste für die Wiederbeschäftigung von Ruheständlern

Auf Unternehmensseite gilt es Rahmenbedingungen für die Wiederkehrer zu definieren. Die wesentlichen Fragen, die es hierbei zu beantworten gilt, sind:

1. In welchen Bereichen wollen und können wir einstellen?

Von zentraler Rolle ist die Frage, welche Rollen und Aufgaben von den "Talenten in Rente" übernommen werden sollen. Sind es vorhandene, unbesetzte Stellen oder neu geschaffene Positionen. Fehlt es zum Beispiel an Mentoren oder Menschen, die mit ihrer Lebenserfahrung Prozesse und Innovationen bereichern? Im Vorfeld gilt es zu evaluieren, wie hoch die Akzeptanz von Rückkehrern im Unternehmen ist und welcher Bedarf mit einer solchen Lösung in den einzelnen Unternehmensbereichen zu decken ist.

2. In welcher Form soll die Beschäftigung erfolgen?

Werden Stellen im Unternehmen besetzt beziehungsweise geschaffen oder wird die Arbeit in selbstständiger Arbeit erbracht? Wird eine Arbeitnehmerschaft angestrebt, stellen sich Fragen zur Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses und zur Vergütung. Da der Großteil der potenziellen Kräfte - gemäß Daten des IAB - in Teilzeit arbeiten will, gilt es in jedem Fall Mini- und Midijobs zu definieren.

3. Werden die "Talente in Rente" zentral oder dezentral organisiert?

Erfolgen Rekrutierung, Onboarding und Organisation in den etablierten Verfahren oder wird eine gesonderte Einheit eingerichtet? Diese Entscheidung steht in Verbindung mit der Beschäftigungsform. Angestellte Teilzeitkräfte sind leichter über die etablierten Verfahren einzubinden, wohingegen selbstständige "Senior-Berater" besser in einer zentral koordinierenden Einheit organsiert werden. In einer solchen Einheit werden dann beratende Talente in Rente "gepoolt" und die Überlassung an Bereiche oder Abteilungen koordiniert.

4. Werden interne und/oder externe Rentner und Rentnerinnen beschäftigen?

Diese Frage hat strategische Bedeutung. Externe Ruheständler und Ruheständlerinnen müssen rekrutiert werden, doch mangelt es hierfür aktuell an speziellen Formaten. Der noch junge Markt will erschlossen werden, Erfahrungswerte fehlen: zum Beispiel, wie und wo diese Zielgruppe am besten angesprochen wird. Eigene Mitarbeitende, die demnächst ins Rentenalter kommen oder altershalber bereits ausgeschieden sind, können in der Regel besser erreicht werden. Doch sollten auch hier Ansprache und Planung rechtzeitig - idealerweise noch während der Beschäftigung - erfolgen.

So halten Sie Beschäftigte auch über die Altersgrenze hinaus

Sollen die eigenen Mitarbeitenden für eine Beschäftigung im Ruhestand gewonnen werden, gilt es, diese Option mit genügend Vorlauf intern zu kommunizieren. Hierzu sollte bereits drei Jahren vor Altersrentenbeginn eine strukturierte Kommunikation etabliert werden, die die Optionen und Konditionen erläutert. Idealerweise wird parallel eine Begleitung bei der Planung des Ruhestands durch ein internes Bildungsformat angeboten. Der Arbeitgeber stärkt so als Ansprechpartner für die Ruhestandsplanung auch seine Fürsorgepflicht. (Weitere Hinweise, wie eine systematische Ruhestandsplanung von HR gemeinsam mit den Beschäftigten aufgebaut werden kann, lesen Sie im Kapitel "Talente in Rente: systematische Ruhestandsplanung").

Wie bereits ausgeführt, entdecken viele Ruheständler die Attraktivität einer Beschäftigung erst im frühen Ruhestand. Daher ist es ratsam, das Angebot der Weiterbeschäftigung nach acht bis zehn Monaten im Ruhestand erneut an ausgeschiedene Mitarbeitende zu kommunizieren. Mit Blick auf das Erfahrungswissen, die etablierten Kontakte und die Erfahrungen im betrieblichen Kontext sollten eigene Mitarbeitende zwingend Teil der Strategie sein. Grundlage hierfür ist eine klare Aussage der Unternehmensleitung, dass Rentner und Rentnerinnen gerne weiter beziehungsweise wieder im Betrieb arbeiten können.