Die Generation 50 plus als Recruiting-Zielgruppe nutzen

Eine Studie offenbart eine erstaunlich vitale Generation 50 plus, die viele Arbeitgeber zu selten auf dem Recruiting-Schirm haben. Die meisten Älteren zeigen sich offen für ein neues Jobangebot, sie erhalten jedoch selten eines. Was Arbeitgeber tun können, um Leute mit Erfahrung für sich zu gewinnen.

Im vierten Quartal 2022 vermeldete das Statistische Bundesamt Rekordzahlen für den Arbeitsmarkt: 45 Millionen Menschen befanden sich zu diesem Zeitpunkt in Lohn und Brot. So viele wie nie zuvor und - wie viele Arbeitsmarktexperten wahrscheinlich zu Recht glauben - so viele wie vielleicht nie wieder. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Der Fachkräftemangel ist vor allem ein demografisches Problem. Immer weniger Menschen stehen immer mehr suchenden Arbeitgebern gegenüber. Das bedeutet eben auch: Kein Unternehmen kann es sich zukünftig leisten, auch nur irgendeine Kandidatengruppe beim Recruiting zu vernachlässigen.

Zu viel Gen Z, zu wenig Generation 50 plus

Gerade erleben wir allerdings eine boulevardeske Diskussion darüber, ob die viel beschriebene "Generation Z" zu anspruchsvoll für den Arbeitsmarkt sei und was sie von den bald in den Ruhestand gehenden Babyboomern unterscheidet. "Die Arbeitswelt ist kein Ponyhof" oder "Mehr Bock auf Arbeit" sind dabei nur zwei Versatzstücke einer Diskussion, die viel zu sehr die junge Generation in den Blick nimmt. Dabei lohnt es sich, viel mehr auf diejenigen zu schauen, die oft voreilig zum "alten Eisen" gezählt werden: die Generation 50 plus.

Die Vorzüge dieser Generation müssten eigentlich überzeugend genug für eine gezielte Betrachtungsweise sein: Denn ihre Vertreterinnen und Vertreter sind gut ausgebildet, verbinden hohes fachliches Know-how mit einem reichen Erfahrungsschatz und verfügen über starke Kommunikationsfähigkeiten sowie meist bessere Problemlösungskompetenzen als unerfahrenere Kolleginnen und Kollegen. Zu oft kämpfen sie trotzdem mit einer eher negativen Wahrnehmung auf dem Arbeitsmarkt, während man der jungen Generation ein erstaunliches Anspruchsdenken inklusive bisweilen geringerer Belastbarkeit fast beiläufig verzeiht. Arbeitgeber, die Mitarbeitende suchen, die eben genau diese Belastbarkeit als persönliche Stärke einbringen, finden vielleicht genau in der Generation 50 plus die richtigen Personen, um ihrem Personalproblem wirksam entgegenzutreten.

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Mit den verschiedenen Generationen in Unternehmen und Teams treffen unterschiedliche Erwartungen und Einstellungen aufeinander. Das Haufe Akademie Whitepaper "Von Baby Boomer bis Gen Z: Durch Führung verbinden" beleuchtet, wie Führungskräfte auf die verschiedenen Erwartungshaltungen reagieren können.

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Viele ältere Beschäftigte können sich einen Jobwechsel vorstellen

Nicht zuletzt deshalb wollten wir es in der Königsteiner Gruppe genauer wissen. Wir wollten die berufliche Perspektive erfahrener Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer noch tiefer durchdringen, weil wir glauben, dass hier ein wertvoller Pool an Kandidatinnen und Kandidaten brach liegt. Deshalb befragten wir zunächst fast 3.000 Beschäftigte zwischen 50 und 65 Jahren dazu, wie sie ihre Rolle auf dem aktuellen Arbeitsmarkt sehen. Das bemerkenswerte Ergebnis: Mehr als 40 Prozent von ihnen können sich einen Jobwechsel in den nächsten zwei Jahren vorstellen, stehen dem Recruiting-Markt also durchaus zur Verfügung.

Diese vitale und trotzdem unschlagbar berufserfahrene Zielgruppe haben wir im Folgenden genauer dazu befragt, wie ihre beruflichen Ambitionen aussehen, was sie von Arbeitgebern erwarten und inwieweit sie sich eine persönliche und fachliche Weiterentwicklung vorstellen können. Das Ergebnis: Hier sind Menschen unterwegs, die kein bisschen zum "alten Eisen" gehören – ganz im Gegenteil.

Generation 50 plus: Direktansprache wird zu selten genutzt

Laut der Studiendaten ist der Anteil der passiv Suchenden in der Generation 50 plus deutlich größer als der Prozentsatz derjenigen, die selbst aktiv auf die Suche nach einem neuen Job gehen. Denn insgesamt geben 77 Prozent der wechselwilligen Studienteilnehmenden an, dass sie offen für ein proaktives Jobangebot sind – eine deutliche Chance für Unternehmen, auch die erfahrenen Beschäftigten in ihre Direktansprache einzubeziehen.

Diese Chance nutzen allerdings derzeit noch viel zu wenige Recruiting-Abteilungen. So sind im Jahr 2022 "nur" 23 Prozent der Kandidatinnen und Kandidaten zwischen 50 und 65 Jahren direkt von Headhuntern oder Unternehmensvertretern auf einen Jobwechsel angesprochen worden. Andersherum gesagt: Mehr als drei Viertel der Menschen, die durchaus offen für ein Jobangebot wären, erhalten schlichtweg keines.

Mit Berufserfahrung deutlich produktiver als in früheren Jahren

Ein weiteres wichtiges Ergebnis unserer Studie betrifft die Selbstwahrnehmung der Generation 50 plus auf dem Arbeitsmarkt. Immerhin die Hälfte aller Befragten registriert ein steigendes Interesse an ihrer Arbeitskraft. Und dieser Eindruck motiviert offenbar, denn sieben von zehn Teilnehmerinnen und Teilnehmer unserer Befragung geben an, diese Ausgangslage treibe sie an, sich noch einmal neu auf dem Arbeitsmarkt zu orientieren.

Wenn es um die Einschätzung der eigenen Arbeitsfähigkeit geht, fühlt sich der weit überwiegende Teil der Generation 50 plus mindestens genauso produktiv oder produktiver als in früheren Jahren. Insgesamt zwei Drittel der Befragten sind sich sicher, heute produktiver (29 Prozent) oder genauso produktiv (37 Prozent) zu sein, wie zu der Zeit, als sie zwischen 20 und 29 Jahre alt waren. Ähnlich hoch ist der Wert im Vergleich zur Altersphase zwischen 30 und 39 Jahren (21 Prozent beziehungsweise 54 Prozent).

Unzufriedenheit mit Aufgaben und Sinnperspektive als Wechseltreiber

Wie können Arbeitgeber die erfahrene Arbeitsmarktgeneration nun überzeugen, die offenbar brach liegenden Wechselambitionen tatsächlich in die Tat umzusetzen? Die wesentlichen Jobwechsel-Treiber liegen aktuell in der Unzufriedenheit mit dem gegenwärtigen Arbeitgeber sowie in der Suche nach einer neuen Aufgabe. Ein Drittel der Teilnehmenden beklagt einen Karrierestillstand. Ein Viertel vermisst darüber hinaus die Erfüllung im Job.

Unzufriedenheit, Stillstand und Aufgabenorientierung sind drei Punkte, die deutlich machen: Arbeitgeber, die der Generation 50 plus in ihrer Employer-Branding-Strategie einen eigenen Platz einräumen und ihnen glaubhaft versichern können, dass ihr Beitrag geschätzt und gewollt wird, wirken überzeugend. Dazu gehört allerdings eine gewisse Wettbewerbsorientierung und das damit verbundene Wissen, welcher arbeitgeberseitige Wettbewerber weniger gut aufgestellt ist.

Die Studie zeigt jedoch auch: Wenn die Generation 50 plus den Job wechselt, ist damit zugleich die Hoffnung auf einen Gehaltssprung verbunden. Für 59 Prozent ist der Inhalt der Lohntüte ein wichtiger Grund, einen Wechsel anzustreben. Weniger hoch im Kurs steht dagegen der Einstieg in eine Teilzeit-Tätigkeit.

Gefragt ist "Employer Branding 50 plus"

Welche Handlungsempfehlungen kann man Arbeitgebern mit auf den Weg geben, wenn es um die Rekrutierung erfahrener Kandidatinnen und Kandidaten geht? Zunächst ist es wichtig, das große Potenzial, das die Generation 50 plus birgt, überhaupt zu erkennen. Die Studie hat deutlich gezeigt: Über 40 Prozent der älteren Beschäftigten zwischen 50 und 65 Jahre sind tendenziell wechselwillig und können sich einen beruflichen Neustart auch in ihrem Alter oder gerade deswegen gut vorstellen. Unternehmen, die auf dieses Recruiting-Potenzial verzichten, verpassen also erfahrene und gut ausgebildete Bewerberinnen und Bewerber.

Zweitens sollten Arbeitgeber erfahrene Kandidatinnen und Kandidaten direkt ansprechen und nicht auf deren Bewerbungen warten. Die Generation 50 plus möchte angesprochen werden und nicht selbst auf Jobsuche gehen.

Und letztlich wird es Zeit für eine neue und bisher viel zu oft vergessene Unterdisziplin im Employer Branding, dem "Employer Branding 50 plus". Denn die Generation 50 plus wird in diesem Kontext aktuell schlicht vergessen, während die Gen Z auf nahezu allen Kanälen umgarnt wird wie keine Arbeitsmarktgeneration vor ihr. Wer dieses Muster durchbricht und erfahrene Menschen konkret in ihren Bedürfnissen und Anforderungen abholt, gewinnt eine Zielgruppe für sich, die im Grunde alles mitbringt, was das Arbeitgeberherz begehrt: Erfahrungsschatz, Motivation, Kompetenz und Ziele, aber eben auch ein gewisses Anspruchsdenken.


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