Gegen den Online-Trend: Neues Brettspiel zu Recruiting
Haufe Online-Redaktion: Wie kommt man in einer zunehmend digitalisierten Welt, in der auch Spiele immer virtueller werden, auf die Idee, ein Brettspiel zu entwickeln?
Uwe Schirrmacher: Das Entscheidende ist, sich zu fragen, was man mit einem Spiel erreichen will. Beim Recruiting-Brettspiel geht es um Verhaltensthemen – und kein Computer der Welt kann es schaffen, die menschliche Interaktion zu ersetzen. Die Spieler erleben am Computer weder Mimik, Gestik noch Tonfall des Gegenübers. Die digitalen Medien stoßen dann an Grenzen, wenn die Spieler diskutieren und Erfahrungen austauschen sollen und es nicht die eine richtige Lösung gibt. Trotzdem beschränken sich manche Firmen mittlerweile nur noch auf Online-Spiele – und das, obwohl die Bereitschaft zu digitalem Lernen weiterhin auf niedrigem Niveau liegt. Es gibt sicherlich Nischen, wo es Sinn machen kann computerbasiertes Lernen einzusetzen. Im Verhaltensbereich sehe ich jedoch weiterhin das Prinzip "von Mensch zu Mensch".
Haufe Online-Redaktion: Wie erklären Sie es sich, dass die Bereitschaft zum computerbasierten Lernen noch wenig verbreitet ist, obwohl für viele digitale Medien schon lange eine Selbstverständlichkeit sind und gerade die Digital Natives auch in ihrer Freizeit gern am Computer spielen?
Schirrmacher: Das digitale Medium spielt unbestritten eine große Rolle. Allerdings beobachte ich bei Computer-Lernspielen bislang noch Mängel: Oft werden dabei etwa die Altersgruppen nicht berücksichtigt – ein 50-Jähriger tut sich meist schwerer mit digitalen Medien als ein 16-Jähriger. Zudem wird bei der Programmierung häufig die Didaktik vernachlässigt. Für das Format "Brettspiel" spricht auch, dass wir gerade eine Renaissance dieser Spielform erleben: Auf der Spielemesse in Essen zum Beispiel stürmen morgens 25.000 Menschen in die Messehalle, wo es nur Spielbretter gibt. Da spielen die Leute wie die Verrückten.
Haufe Online-Redaktion: Was ist Ihr Plädoyer: zurück zum Brett?
Schirrmacher: Letztlich glaube ich, dass beides seine Berechtigung hat – Computer-Spiele genauso wie Brettspiele. Und egal ob analog oder digital: Bei meinen Konzepten steht das Spielen im Vordergrund – schließlich wissen wir aus der Lernforschung, dass das das spielerische Lernen zu den effektivsten Arten des Lernens gehört.
Haufe Online-Redaktion: Welche Erkenntnisse der Lernforschung haben Sie im Einzelnen ins Konzept des Recruiting-Brettspiels einfließen lassen?
Schirrmacher: Uns waren zwei Prinzipien wichtig: Erstens, dass die Lerner sich intensiv mit dem Thema "Recruiting" beschäftigen. Zweitens: Wir wollten ihnen die Angst nehmen und ihnen mit dem spielerischen Element Lernfreude geben. Wir setzen zudem das Element "Erfahrungslernen bei Erwachsenen" ein: Bei dem Spiel treffen ganz verschiedene Personaler aus unterschiedlichen Unternehmen und Altersklassen aufeinander und diskutieren – sicherlich auch kontrovers, etwa darüber, ob es sinnvoll ist, für die Besetzung einer bestimmten Stelle Social Media einzusetzen. Unser Konzept ist: Wir lassen das zu. Zudem können wir die Prozesse durch Ausprobieren darstellen. Und am Ende wartet eine Belohnung: Wer gut spielt, gewinnt den A-Mitarbeiter.
Haufe Online-Redaktion: Soweit die Theorie des Spiels. Wie soll das Spiel in der Praxis eingesetzt werden? Setzen sich die Personaler an einen Tisch und spielen gemeinsam mit den Führungskräften?
Schirrmacher: Wir bieten den Personalern im ersten Schritt einen Austausch im Seminar an. Im zweiten Schritt können die Personaler aber auch inhouse untereinander oder mit den Führungskräften spielen. Das Spiel ist mit zwei fiktiven Berufen konzipiert, aber Personaler und Führungskräfte können das Spiel im Unternehmen durchaus auch anhand eines authentischen Berufs aufziehen.
Haufe Online-Redaktion: Sie waren früher selbst Personaler. Wie sind Sie zum Spieleentwickler geworden?
Schirrmacher: Ich bin zu den Spielen gekommen wie die Jungfrau zum Kinde: Als ich Personalentwickler war, habe ich einmal an einem betriebswirtschaftlichen Planspiel teilgenommen. Das war allerdings sehr allgemein und ich habe mir anschließend überlegt, wie man es schafft, die Spieler besser anzusprechen. Dafür braucht es Themengebiete, die die Teilnehmer abholen. Dann habe ich angefangen, Planspiele und nun auch Gesellschaftsspiele zu entwickeln.
Haufe Online-Redaktion: Dass der Spielspaß fehlt, ist ja etwas, das Kritiker auch bei Lernspielen häufiger bemängeln…
Schirrmacher: Dann haben die Kritiker die falschen Spiele getestet. In unseren Spielen berücksichtigen wir immer, dass auch mal gelacht wird. Meiner Meinung nach hängt es von der Qualität des Spieleentwicklers ab, ob er in der Lage ist, diese Elemente mit einzubauen.
Haufe Online-Redaktion: Wie stellen Sie sicher, dass die Lernspiele, die Sie entwickeln, nicht nur spielerisch von guter Qualität, sondern auch didaktisch gut aufbereitet sind?
Schirrmacher: Vor einem dreiviertel Jahr bin ich zum Lernforschungszentrum in Ulm gefahren und habe die Wissenschaftler gebeten, kritisch über meine Produkte zu schauen. Für die Zukunft plane ich eine neue Form der Didaktisierung: Bisher habe ich zumeist Brettspiele entwickelt. Künftig werde ich die bisherigen Brettspiele um Online-Spiele mit Tutorials ergänzen. Schließlich verteufle ich Online-Spiele nicht.
Uwe Schirrmacher ist Geschäftsführer des Lernspielanbieters Schirrmacher Group und hat im Auftrag der Tempus GmbH das Recruiting-Brettspiel "Raus aus der Personalfalle" entwickelt, bei dem Personaler in Gruppen gegeneinander antreten und den Recruiting-Prozess durchspielen.
Wie das Spiel im Einzelnen funktioniert, erfahren Sie in Ausgabe 04/2015 des Personalmagazins. Über diesen Link gelangen Sie zu unserer App, in der Sie den Text lesen können.
Das Interview führte Andrea Sattler, Redaktion Personal.
-
Workation und Homeoffice im Ausland: Was Arbeitgeber beachten müssen
1.993
-
Essenszuschuss als steuerfreier Benefit
1.713
-
Vorlage: Leitfaden für das Mitarbeitergespräch
1.500
-
Ablauf und Struktur des betrieblichen Eingliederungsmanagements
1.276
-
Probezeitgespräche als Feedbackquelle für den Onboarding-Prozess
1.249
-
Krankschreibung per Telefon nun dauerhaft möglich
1.129
-
BEM ist Pflicht des Arbeitgebers
1.031
-
Checkliste: Das sollten Sie bei der Vorbereitung eines Mitarbeitergesprächs beachten
709
-
Das sind die 25 größten Anbieter für HR-Software
514
-
Modelle der Viertagewoche: Was Unternehmen beachten sollten
390
-
Tipp der Woche: Mehr Inklusion durch KI
19.12.2024
-
Gleichstellung in Europa verbessert sich nur langsam
16.12.2024
-
Fünf Tipps für effektive Recruiting-Kampagnen zum Jahresstart
13.12.2024
-
Eine neue Krankenkasse als Zeichen der Fürsorge
11.12.2024
-
Wie Personalarbeit wirtschaftlichen Erfolg beeinflusst
10.12.2024
-
1.000 neue Fachkräfte für den Glasfaserausbau
09.12.2024
-
KI für eine inklusive Arbeitswelt
06.12.2024
-
Weihnachtsgeld: Wer bekommt wie viel?
05.12.2024
-
Mit Corporate Volunteering Ehrenamt ins Unternehmen bringen
05.12.2024
-
Die Angst vor KI lässt nach
05.12.2024