Tabuthema Gehalt: Was sich Bewerber wünschen
Geht es um die Zufriedenheit im Job, steht das Gehalt aus Sicht der Arbeitnehmer nur an fünfter Stelle. Viel wichtiger sind für sie eine interessante Aufgabe, eine gute Arbeitsatmosphäre, Weiterbildungsmöglichkeiten und die Work-Life-Balance. Das heißt aber nicht, dass das Gehalt nicht wichtig für die Jobzufriedenheit ist. Ohne ein als angemessen empfundenes Gehalt wird ein Job schlichtweg unattraktiv: 29 Prozent der Arbeitnehmer haben schon einmal eine Position gewechselt, weil sie mit dem Gehalt unzufrieden waren.
Das ist das Ergebnis einer Online-Umfrage der Softgarden E-Recruiting GmbH unter 4.145 Bewerbern, die von Juni bis August 2019 ihre Meinungen zur Gehaltstransparenz im Job und im Bewerbungsprozess äußerten. Bei diesem Thema offenbarte sich großer Nachholbedarf.
Das Thema Gehalt ist im Job mit Tabus besetzt
Dieser Nachholbedarf tritt zum einen bei der Transparenz der Gehälter zutage: 51 Prozent der Befragten befürworten die Offenlegung, 29 Prozent lehnen sie ab. Die Befürworter sehen dadurch vor allem die Chance, Ungerechtigkeiten zwischen Kollegen in gleicher Position und einen Gender Pay Gap zu vermeiden, wie die Kommentare im Freitextfeld deutlich machen. Mit dieser Intention startete 2018 auch das Entgelttransparenzgesetz, doch die gesetzlich verpflichteten Auskünfte genügen vielen nicht.
Die Befragten, die der Gehaltstransparenz nicht zustimmen, sehen Schwierigkeiten darin, etablierte Gehaltsstrukturen offenzulegen, und befürchten mangelnde Motivation und eine Störung des Betriebsfriedens als Folge. Die Kommentare der Befragten machen deutlich: Gehalt ist in Deutschland weiterhin mit Tabus besetzt. Das tritt auch bei Gehaltsverhandlungen im Job zutage: Nur 35 Prozent der Befragten fordern regelmäßig aktiv eine Gehaltserhöhung ein, etwa im Zuge eines Mitarbeitergesprächs. Den meisten davon ist es unangenehm, mit ihren Vorgesetzten über Gehaltsforderungen zu sprechen.
Im Bewerbungsprozess kommt das Gehalt viel zu spät ins Spiel
31 Prozent der Befragten wollen schon in der Stellenanzeige darüber informiert werden, wie viel sie in dem ausgeschriebenen Job verdienen werden. Bei Bewerbern mit akademischem Abschluss liegt der Anteil derjenigen, die sich Gehaltsangaben schon in der Stellenanzeige wünschen, bei rund 40 Prozent.
Das ist zunächst keine hohe Zahl. Aber in der Praxis erhalten nur knapp zehn Prozent der Bewerber diese Information. 36 Prozent der Bewerber erfahren das Gehalt im ersten Vorstellungsgespräch. 13 Prozent hören sogar erst nach dem ersten Vorstellungsgespräch, was sie verdienen würden. Das ist deutlich zu spät. Hier schlummert ein großes Potenzial für Arbeitgeber, die im Bewerbungsprozess positiv auffallen wollen und ihre Candidate Experience verbessern möchten.
Gehaltstransparenz: Bewerber sehen Informationsgefälle als ungerecht an
Auf der einen Seite zeigen Unternehmen ihren Bewerbern und Mitarbeitern gegenüber wenig Transparenz in Sachen Gehälter. Auf der anderen Seite fordern viele Arbeitgeber in den Stellenanzeigen dazu auf, bei der Bewerbung einen Gehaltswunsch zu nennen. 40 Prozent finden es "nicht in Ordnung", dass Unternehmen einen Gehaltswunsch von den Bewerbern einfordern, obwohl sie selbst nicht in ihren Stellenanzeigen preisgeben, wie viel diese Bewerber verdienen würden.
Für Bewerber ist die Nennung des Gehaltswunsches mit Risiken verbunden: 39 Prozent haben sich schon einmal durch einen zu hohen Gehaltswunsch "ins Aus" gekickt, 44 Prozent der Kandidaten haben einen zu niedrigen Gehaltswunsch geäußert und im Nachhinein festgestellt, dass für sie "mehr drin" gewesen wäre.
Die Umfrage macht aber auch deutlich, dass sich Bewerber aus Engpassgruppen durchaus der eigenen Marktmacht bewusst sind. Sie gehen selbstbewusst in die Verhandlungen, Arbeitgeber sind in ihrem Fall häufig zum Entgegenkommen bereit. Wenn sie nicht auf Gehaltswünsche reagieren, ziehen solche Mitarbeiter weiter.
Zehn Tipps für mehr Gehaltstransparenz
Anhand der Umfrageergebnisse haben die Studienautoren zehn Tipps für Arbeitgeber rund um das Thema Gehaltstransparenz formuliert:
- Wagen Sie mehr Gehaltstransparenz im Bewerbungsprozess und entsprechen Sie dem Wunsch eines großen Teils der Bewerber, Gehaltsdaten schon in der Stellenanzeige anzugeben.
- Verhandeln sie offen und fair und versuchen Sie nicht, zu teure Bewerber wider besseres Wissen möglichst lange im Rennen zu halten.
- Überprüfen Sie regelmäßig, ob die eigenen Gehälter gerade in Mangelprofilen wirklich konkurrenzfähig sind, damit Sie sich nicht durch zu niedrige Angebote aus dem Rennen am Arbeitsmarkt nehmen.
- Nehmen Sie "Gehaltsverhandlungen" wörtlich und bleiben Sie offen für Verhandlungen, auch wenn der zuerst geäußerte Gehaltswunsch zu hoch liegt. Prüfen Sie andere Möglichkeiten wie die Steigerung nach Ende der Probezeit, Zusatzleistungen oder Homeoffice.
- Fordern Sie Gehaltswünsche in der Stellenanzeige nur dann ein, wenn tatsächlich ein Spielraum für Verhandlungen besteht.
- Schaffen Sie im Bewerbungsprozess Transparenz im Hinblick auf die langfristigen Möglichkeiten zur Gehaltsentwicklung.
- Thematisieren Sie im Vorstellungsgespräch, welche Gehälter in der Branche üblich sind, und begründen Sie Abweichungen nach unten oder nach oben.
- Akzeptieren Sie, dass das eine dauerhafte Herausforderung für die Gewinnung und Bindung von Mitarbeitern ist.
- Wagen Sie mehr Gehaltsgerechtigkeit, in dem Sie zum Beispiel ein aktives Gehaltserhöhungsmanagement etablieren. Das steigert die Bindung und dürfte langfristig den Gender Pay Gap vermindern.
- Denken Sie über mehr Gehaltstransparenz innerhalb des Unternehmens nach, wägen Sie Nutzen und Risiken gegeneinander ab.
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