Der Industriearbeitsplatz der Zukunft
Je mehr Roboter, desto weniger Arbeitsplätze - stimmt das? Nach Einschätzung der auf der Hannover Messe vertretenen Technologie-Branche kann die Automatisierung und Digitalisierung in den Fabriken auch viele neue Jobs entstehen lassen. Man muss dabei aber immer auf die einzelne Tätigkeit und Qualifikation achten.
Neue Jobs entstehen – allerdings eher bei hochqualifizierten Tätigkeiten
"Je mehr Technik es in einer Fabrik gibt, desto mehr hoch qualifizierte Leute braucht man, die die Systeme betreuen, warten und Verbesserungen einsteuern", sagt der Bosch-Ingenieur Stefan Aßmann, der bei dem Konzern die Sparte Connected Industry - vernetzte Industrien - leitet. "Wir haben in einem Werk untersucht, wie der Personalstand heute ist und wie er in fünf oder zehn Jahren aussehen wird. Das Beruhigende war: Es gibt eher mehr Bedarf an hoch qualifizierten Technikern", sagte Aßmann. "Wir sehen nicht die menschenleere Fabrik, sondern es gibt eher Technologie, die den Menschen hilft, die Maschinen besser am Laufen zu halten."
Kritiker warnen vor "exzessiver Ungleichheit"
Es gibt aber auch viele kritische Stimmen an der fortschreitenden Digitalisierung der Produktion - nicht nur aus dem Gewerkschaftslager. So hatte etwa die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, erst Anfang April vor den Folgen der zunehmenden Automatisierung auf dem Arbeitsmarkt gewarnt. "Die technologischen Veränderungen, die wir im Moment sehen, stellen eine echte Herausforderung dar", sagte sie in Berlin. Fast alle Berufe würden sich künftig durch Innovationen wie Robotertechnik und künstliche Intelligenz ändern. Regierungen müssten weltweit dafür sorgen, dass aber auch neue Chancen für alle entstünden - und nicht nur traditionelle Jobs wegfielen. "Exzessive Ungleichheit ist unvereinbar mit stabilem Wachstum", meinte Lagarde.
Gewinner und Verlierer der Digitalisierung
Mit den Gewinnern und Verlierern der Digitalisierung beschäftigt sich auch ein aktuelles Forschungsprojekt des Bundesinstituts für Berufsbildung. Die Zwischenergebnisse des Projekts legen nahe, dass der Wegfall von Arbeitsplätzen nicht alleine vom Anteil der Routinetätigkeiten abhängt, deren Erledigung womöglich durch Maschinen ersetzt werden kann. Es komme vielmehr auf den Mix von Tätigkeiten am Arbeitsplatz an. Konkret bedeutet das: Steigt der "Maschinenbezug", also der Umfang von Tätigkeiten, die an und mit Maschinen erledigt werden, und steigen die kognitiven Anforderungen am Arbeitsplatz, dann steigen auch die Arbeitsmarktchancen – diese Beschäftigte sind "Gewinner" der Digitalisierung. Steigt der "Maschinenbezug" und sinken dagegen die kognitiven Anforderungen am Arbeitsplatz, dann sinken auch die Arbeitsmarktchancen - digitale "Verlierer" sind die Folge.
Steigende Produktivität
Auch Bosch-Ingenieur Aßmann räumt ein, dass es "repetitive Tätigkeiten" – also sich ständig wiederholende, einfache Arbeitsschritte – gibt, die schon in den vergangenen Jahrzehnten durch Automatisierung wegrationalisiert worden seien – "das gab es und das wird es weiterhin geben". Grundsätzlich gelte aber: Vernetzung führe zu mehr Produktivität in Unternehmen und stärke die Wettbewerbsfähigkeit.
Die Unternehmensberatung McKinsey kam in einer Studie zu dem Ergebnis, dass bis 2030 das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands durch den Einsatz von intelligenten Robotern um bis zu vier Prozent höher liegen könne als ohne ihren Einsatz. Weltweit könnte die Automatisierung der Studie zufolge zwar bis zu eine Milliarde Arbeitsplätze kosten (siehe dazu auch die Infografik „So viele Jobs könnte die Automatisierung kosten“). Allerdings, so McKinsey, seien maximal fünf Prozent aller Jobs komplett von Maschinen ersetzbar. Dass Maschinen vor allem eine Unterstützung des Menschen sein sollen, nicht deren Konkurrenten, wird auch auch bei den Ausstellern der Hannover Messe deutlich.
Der Industriearbeitsplatz 4.0: Mensch und Maschine als Kollegen
Beim Stillstand einer Maschine sei früher bis zur Reparatur eine gewisse Zeit vergangen. "Heute sind unsere Mitarbeiter mit Tablet oder Smartphone in der Werkstatt und bekommen dort schon eine SMS von der Maschine, was passiert ist und wie das Problem zu beheben ist", erläutert Bosch-Ingenieur Aßmann. Falls eine Maschine ein Ersatzteil benötige, scanne der Mitarbeiter nur noch den entsprechenden Barcode ein. Das Teil werde online bestellt. "Die Unterstützung des Menschen - und die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine - ist schon Normalität."
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