"Wir müssen die Beitragsgarantien in der bAV senken"
Haufe Online Redaktion: Im gegenwärtigen Niedrigzinsniveau können die Lebensversicherer den in Altersversorgungsverträgen versprochenen Garantiezins nur schwer aufbringen. Nun hat die Deutsche Aktuarsvereinigung DAV empfohlen, den Höchstrechnungszins für neue Lebensversicherungen ab 2021 auf 0,5 Prozent zu senken. Was würde das für die bAV bedeuten?
Rainald Meyer: Aktuell liegt der Höchstrechnungszins bei 0,9 Prozent. Er gilt als gesetzliche Obergrenze für die jährlichen Garantiezusagen der Versicherer. Bei diesem Höchstrechnungszins benötigen die Versicherer mehr als 20 Jahre, um den Beitragserhalt zu garantieren. So lange dauert es im Durchschnitt, bis die Erträge aus dem Sparanteil der Beiträge den Kostenanteil der Beiträge ausgeglichen haben. Denn neben den garantierten Leistungen über die Beiträge müssen auch die Kosten für den Abschluss des Vertrags, den Versicherungsbetrieb insgesamt und für den Risikoschutz finanziert werden. Sinkt die Verzinsung auf den von der DAV vorgeschlagenen Wert von 0,5 Prozent oder sogar darunter, wird der Kapitalerhalt von vielen Versicherern nicht mehr erreicht. Zumindest in den versicherungsförmigen Durchführungswegen der bAV kann eine Beitragsgarantie dann nicht mehr gehalten werden.
Haufe Online Redaktion: Eine bAV ohne Garantien dürfte aber vielen Mitarbeitern nicht sehr attraktiv erscheinen, oder? Wir sehen das in der Diskussion über das Sozialpartnermodell.
"Eine #Beitragsgarantie in der bAV ist mit dem Niedrigszinsniveau längst nicht mehr vereinbar." Rainald Meyer von der #Heubeck AG
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Meyer: Die Forderung nach einer Beitragsgarantie in der betrieblichen Altersversorgung ist mit dem anhaltenden Niedrigzinsniveau längst nicht mehr vereinbar. Um Versicherern und Kapitalanlegern die Möglichkeit zu geben, eine attraktive Rendite zu erwirtschaften und damit die bAV attraktiver zu machen, müssen die Garantieanforderungen im Rahmen der bestehenden Versorgungssysteme gelockert werden.
Haufe Online Redaktion: Also wäre die bAV ohne Garantie, wie sie über das Sozialpartnermodell möglich ist, der richtige Weg?
Meyer: Das Sozialpartnermodell ist tatsächlich erstmalig eine gesetzliche Altersvorsorge, die sozusagen garantiefrei ist. Doch bis heute ist kein einziges echtes Sozialpartnermodell auf dem Markt. Das hat mehrere Gründe: Einerseits ist die Materie sehr komplex, das heißt, viele Tarifpartner scheuen sich damit umzugehen. Andererseits tun sich gerade die Gewerkschaften nachvollziehbarer Weise schwer damit, angesichts eines angeschlagenen Aktienmarkts Arbeitnehmer in risikoreichere Anlagen zu drängen.
Beitragsgarantie in der bAV auf maximal 50 Prozent absenken
Haufe Online Redaktion: Was bleibt? Die Garantie der Rendite scheint kaum haltbar, das Sicherheitsbedürfnis der Anlegenden darf aber auch nicht außer Acht gelassen werden. Der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft GDV schlägt vor, die gesetzliche 100-Prozent-Garantie angesichts des aktuellen Kapitalmarkts auf 80 Prozent abzusenken. Wäre das der Weisheit letzter Schluss?
Meyer: Die Versicherer wollen eine einheitliche gesetzliche Mindestgarantie von 80 Prozent der Beiträge in der bAV und 80 Prozent der Beiträge und Zulagen bei Riester-Renten, die jeweils zu Rentenbeginn zum Einsatz kommen soll, um – so hoffen sie – wenigstens noch in irgendeiner Form eine Renditechance zu bilden. Dieser Vorstoß der Banken und Versicherungen ist im Grunde richtig. Doch wenn wir betrachten, was gerade im Markt passiert, sind 80 Prozent eigentlich immer noch zu viel. Tatsächlich müsste die garantierte Leistung in der bAV auf maximal 50 Prozent der Beiträge abgesenkt werden. Denn nur so können die Produkte auch Anlagen im freien Kapitalmarkt beinhalten und haben damit eine Chance auf ordentliche Rendite. Das wäre der Kompromiss zwischen den klassischen bAV-Produkten mit voller Beitragsgarantie und dem Sozialpartnermodell ohne Garantien.
Haufe Online Redaktion: Ein bisschen Garantie, ein bisschen Risiko – könnte das denn den Versicherten überzeugen?
Meyer: Wenn Sie sich unser heutiges Szenario vor Augen führen, ist eine 50-prozentige Garantie tatsächlich etwas Positives. Der Nominalzinsverlust liegt heute schon bei ungefähr 0,3 Prozent pro Jahr - der Realzinsverlust, also die Inflationsrate, liegt mit über einem Prozent noch deutlich höher. Im Klartext: Wenn der Bürger die reine sicherheitslose Anlage, also das Sozialpartnermodell, ablehnt, dann ist eine Garantieabsenkung auf 50 Prozent eine gute Lösung. Viele andere Alternativen in dieser Welt gibt es nicht, außer, man würde komplett auf das Ansparen für die Altersvorsorge verzichten. Aber – das sehen wir ja in den Diskussionen um die gesetzliche Rente – das kann sich niemand mehr leisten.
Haufe Online Redaktion: Wie ließe sich eine solche Garantiesenkung umsetzen?
Meyer: Der Staat müsste einfach nur im Betriebsrentengesetz klarstellen, dass solche Produkte grundsätzlich zugelassen sind. Dies wäre beispielsweise bei der Definition der beitragsorientierten Leistungszusage mit wenig Aufwand möglich.
Senkung des Höchstrechnungszins auf mindestens 0,5 Prozent
Haufe Online Redaktion: Und - wird der Gesetzgeber das machen?
Meyer: Die Absenkung der "Garantiehöhe", das heisst eine Senkung des Höchstrechnungszinses, in den Versicherungsprodukten wird auf jeden Fall kommen - möglicherweise Corona-bedingt nicht wie geplant zum 1. Januar 2021, sondern erst später. Der Höchstrechnungszins wird mindestens auf die oben genannten 0,5 Prozent abgesenkt werden. Wenn der Gesetzgeber die sich daraus ergebenden Konsequenzen durchdenkt, wäre eine Senkung der garantiert zugesagten Leistung unterhalb der Beitragssumme nicht zu umgehen. Damit können neue Versorgungswerke deutlich robuster aufgestellt werden und gleichzeitig attraktive Leistungen anbieten. Nur haben wir das Problem, dass der Gesetzgeber zurzeit extrem spontan, kurzfristig und überhastet reagiert. Als Folge davon sind viele der Gesetze in den letzten Jahren dadurch gekennzeichnet, dass sie zahlreiche Fragen offenlassen, die nachher in der Durchführung und Umsetzung zu Problemen führen.
Deswegen ist es jetzt wichtig, den Gesetzgeber sehr früh dazu zu bringen, über diesen Punkt nachzudenken, damit er das in Ruhe diskutieren und gut umsetzen kann. Denn nicht jede Form der Leistungszusage in der bAV ist nach dem geltenden Arbeitsrecht mit einer Absenkung der Beitragsgarantien vereinbar. So muss der Arbeitgeber bei der Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML) explizit garantieren, dass im Versorgungsfall mindestens die Summe der Beiträge zur Verfügung steht, soweit sie nicht rechnerisch für einen biometrischen Risikoausgleich verbraucht worden sind.
Demgegenüber ließe es der insoweit offenere Wortlaut der historisch älteren beitragsorientierten Leistungszusage nach unserer Überzeugung schon heute durchaus zu, die garantierten Leistungen auf ein Niveau unterhalb des Beitragserhalts zu beschränken. Da diese Position nicht unumstritten und bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist, sollte der Gesetzgeber diese Unsicherheit beseitigen und den Gesetzeswortlaut zur beitragsorientierten Leistungszusage klarstellen. Die rechtssichere Nutzung der beitragsorientierten Leistungszusage in diesem Sinne hätte gegenüber dem Sozialpartnermodell den Vorteil, dass man damit die gewachsenen und bewährten bAV-Systeme beim Arbeitgeber erhalten und gleichzeitig eine Versorgungszusage mit attraktiven Renditechancen anbieten kann.
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