Auf die richtige Tonfrequenz kommt es an


Kolumne: Auf die richtige Tonfrequenz kommt es an

C-Dur oder eher A-Moll? In welcher Tonlage wir sprechen, soll viel über uns, unsere Persönlichkeit und somit unsere Tauglichkeit im Arbeitsleben aussagen. Mit einer gewohnten Prise Ironie warnt Kolumnist Uwe P. Kanning jedoch vor schiefen Tönen und möglichen Disharmonien.

Sie kennen das: Ihr Schreibtisch ist voller Arbeit und Sie wissen nicht, wie Sie alles schaffen sollen. Heute früh haben Sie ein Gespräch mit Paul, der vielleicht seine Ausbildung abbrechen möchte. Ein Beratungsunternehmen hat sich für Ihre Firma fünf Werte ausgedacht und will nun von Ihnen wissen, ob das alles gut zur Zielgruppe Ihres Personalmarketings passt. Gleich müssen drei Einstellungsgespräche geführt werden und Sie haben wie üblich nichts vorbereitet. Am Nachmittag laufen zwei Entwicklungsgespräche mit Mitarbeitenden, die sich für begabt halten. Zwischendurch beschwert sich eine Abteilungsleiterin, dass der neue Mitarbeiter nicht mit den übrigen Teammitgliedern harmoniert. Und kurz bevor der Abend hereinbricht, meldet sich jemand aus der Geschäftsführung und will von Ihnen einen Vorschlag, wie sich die horrenden Ausgaben für Weiterbildungsseminare senken lassen.

Persönlichkeitsdiagnostik via Frequenzmuster

Wie gut, dass es immer wieder kreative Unternehmen gibt, die Ihnen dabei helfen, so ziemlich alle herausfordernden Aufgaben des Personalwesens mit einem Streich zu lösen. Wusste Sie eigentlich, dass die Stimme eines jeden Menschen durch ein ganz individuelles Frequenzmuster gekennzeichnet ist? Die einen kommunizieren primär in C-Dur, während andere zu A-Moll neigen oder ihre Botschaften in Fis aussenden. Mehr noch, neben dem Basiston ist die Sprache eines jeden Menschen durch ein individuelles Muster zahlreicher Töne gekennzeichnet.

Was liegt da näher, als das Frequenzmuster der Sprache zur Persönlichkeitsdiagnostik zu nutzen? Wenn Sprache und Persönlichkeit jeweils individuell ausgeprägt sind, muss sich doch aus dem einen das andere erschließen lassen – ganz so, wie sich aus Fingerabdrücken, der Handschrift oder dem wöchentlichen Speiseplan messerscharf ein spezifisches Persönlichkeitsprofil ableiten lässt.

Mithilfe einer leistungsstarken App soll genau dies gelingen. Sie diagnostiziert die individuellen Frequenzmuster eines Menschen und bastelt daraus hochpräzise Persönlichkeitsprofile. Natürlich können Sie diese revolutionäre Erfindung ganz hervorragend zur Personalauswahl nutzen. Sie lassen den Bewerber oder die Bewerberin einfach am Telefon ein paar Minuten lang über seinen bzw. ihren letzten Urlaub reden und schon wissen Sie alles, was für eine gute Auswahlentscheidung notwendig ist. Fehlentscheidungen in der Personalauswahl gehören fortan der Vergangenheit an.

Harmonien effizient nutzen

Doch damit sind die Einsatzmöglichkeiten der neuen Technologie noch lange nicht ausgereizt: Führungskräfte verstehen nun besser, mit wem sie es zu tun haben und können viel leichter Resonanz zu den einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern herstellen. Sie müssen sich nicht alle paar Jahre neue Werte ausdenken, sondern können einfach die bestehenden Harmonien nutzen. Potenziale zur Weiterentwicklung der Beschäftigten lassen sich in Windeseile erkennen. Teams werden so zusammengesetzt, dass sich Verstimmungen in Luft auflösen, alle sich lieb haben und gar nicht mehr nach Hause gehen wollen. Früher isoliert arbeitende Solisten wachsen zu einem großartigen Orchester zusammen, das voller Tatendrang der Zukunft entgegensieht. Ihre Kunden werden dies spüren und die Umsätze in ungeahnte Höhen treiben. Mit einem Mal fühlen sich alle wohl und baden in einer Symphonie der Glückseligkeit.

Wenn Sie dann noch dafür sorgen, dass jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter bei der Arbeit durchgehend mit dem jeweils individuellen Basiston beschallt wird, können Sie auch noch das Geld für teure Seminare sparen. Das Lernen wird zu einem Kinderspiel, wenn erst einmal die Akustik stimmt. Und zu allem Überfluss werden Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dann auch noch besser schlafen, ihre Selbstheilungskräfte aktivieren und zu einer inneren Balance zurückfinden. Halleluja, ein Wunder ist geschehen!

Kritische Geister können übrigens schnell beruhigt werden. Die neue Methode hat irgendwie irgendwas mit Neuroforschung zu tun, ist also knallhart naturwissenschaftlich bewiesen. Und ganz gewiss spielt irgendwo auch die Quantenphysik noch eine Rolle! Zudem wissen die Anbieter zu berichten, dass der Ansatz auf einer jahrhundertealten indischen Lehre beruhe. Na, dann kann ja nichts mehr schiefgehen.


Der Kolumnist  Prof. Dr. phil. habil. Uwe P. Kanning ist seit 2009 Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Osnabrück. Seine Schwerpunkte in Forschung und Praxis: Personaldiagnostik, Evaluation, Soziale Kompetenzen und Personalentwicklung.

Schauen Sie auch einmal in den  Youtube-Kanal "15 Minuten Wirtschaftspsychologie" hinein. Dort erläutert Uwe P. Kanning zum Beispiel zusammenfassend, wie Sie gute von schlechten Testverfahren unterscheiden warum Manager scheitern, wie ein Akzent die Bewertung von Bewerbern beeinflusst oder wie "smart" gesetzte Ziele für eine Leistungssteigerung sein müssen.


Schlagworte zum Thema:  Personalauswahl, Coaching, Personalarbeit