Große Mittelständler stehen unter Druck
Die langjährigen Erfolge der großen Mittelständler sind durch die geopolitischen Krisen, aber auch die Probleme am Standort Deutschland gefährdet. Die Politik muss die Rahmenbedingungen für diese Unternehmen verbessern, so das Fazit einer aktuellen Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Köln.
Mid Caps: Definition
Der Begriff "Mid Cap" ist nicht einheitlich definiert. Grundsätzlich zählen zum großen Mittelstand mittelgroße Kapitalgesellschaften sowie große Familienunternehmen. In seiner Analyse verwendet das IW Köln "Mid Cap" als Synonym für "großen Mittelstand" und fasst Unternehmen mit 250 bis 3.000 Beschäftigten unter diesen Begriff. Damit kommt man hierzulande auf rund 16.400 Unternehmen des großen Mittelstands.
Großer Mittelstand: Bedeutung für den Arbeitsmarkt
Mid Caps sind also größer als die vielen Kleinbetriebe, aber kleiner als die bekannten Konzerne: Die Unternehmen des großen Mittelstands liegen "irgendwo dazwischen". Die Politik nimmt sie von Förderprogrammen für kleine und mittlere Betriebe aus, mutet ihnen aber zugleich einen genauso hohen Bürokratie- und Regulierungsaufwand zu wie den ganz Großen.
Dabei gebe es gute Gründe für die Politik, die Belange der Mid Caps in Deutschland stärker zu berücksichtigen, meint Studienautor Dr. Klaus-Heiner Röhl vom IW Köln. Sie machen zwar nur knapp 0,5 Prozent aller in Deutschland angesiedelten Firmen aus, für den Arbeitsmarkt sind die Mid Caps jedoch ungleich bedeutsamer: Insgesamt arbeiteten im Jahr 2022 (neuere Daten liegen nicht vor) fast 10,4 Millionen und damit mehr als 29 Prozent aller Beschäftigten in Deutschland in Unternehmen des großen Mittelstands.
Besonders hoch war laut IW-Analyse der Beschäftigungsanteil der Mid Caps in der Industrie, der Energie- und Wasserversorgung sowie bei den sozialen und persönlichen Dienstleistern – zu Letzteren gehören zum Beispiel privatwirtschaftliche Anbieter im Gesundheits- und Pflegesektor. Innerhalb des Verarbeitenden Gewerbes sind die Mid Caps am stärksten im Maschinenbau, im Zweig "Mineralöl, Chemie, Pharma, Kunststoffe" sowie im Bereich "Nahrungsmittel, Getränke, Tabak" vertreten.
Regionale Verteilung der großen Mittelständler
Schaut man auf die regionale Verteilung, finden sich die großen Mittelständler vor allem in den süd- und westdeutschen Flächenländern sowie in den Stadtstaaten: Je eine Million Einwohner gerechnet, sind in Hamburg (179), Bremen (166) und Baden-Württemberg (161) die meisten führenden mittelständischen Unternehmen angesiedelt, bei den absoluten Zahlen liegt Nordrhein-Westfalen mit 2.281 Unternehmen vorn.
Relevanz der Mid Caps für die deutsche Wirtschaft
Um die Relevanz der Mid Caps für die deutsche Wirtschaft vollständig zu erfassen, gelte es, auch auf zwei Untergruppen zu schauen, so Studienautor Röhl:
- Hidden Champions: Diese "heimlichen Weltmarktführer", die zum großen Teil zu den Mid Caps zählen, sind in der Öffentlichkeit zwar wenig bekannt, gehören in ihrem jeweiligen Marktsegment aber zu den global führenden Unternehmen. Aufgrund dieser starken Marktposition und weil sie nicht nur weltweit exportieren, sondern oft auch im Ausland produzieren, können die Hidden Champions unter anderem die in Deutschland stark gestiegenen Energiekosten besser verkraften als andere Betriebe. Damit sind Hidden Champions in der aktuellen Konjunkturkrise ein Stabilitätsanker für die deutsche Wirtschaft.
- Große Familienunternehmen: Knapp 4.900 Mid Caps sind eigentümergeführte Familienunternehmen. Diese spielen vor allem im ländlichen Raum eine große Rolle: In einigen Regionen wie beispielsweise im Vogelsbergkreis (Hessen) und im Kreis Unstrut-Hainich (Thüringen) sind fast neun von zehn aller dort angesiedelten Firmen mit mehr als 250 Beschäftigten in Familienhand.
Ländliche Regionen mit einem hohen Anteil an Familienbetrieben sind der IW-Analyse zufolge im Schnitt wirtschaftsstärker, weisen eine niedrigere Arbeitslosenquote auf und zeigen sich in wirtschaftlichen Krisenphasen stabiler als andere Regionen. Zudem engagieren sich Familienunternehmen und ihre Eigner an ihrem Standort oft kulturell und/oder sozial.
Vor diesem Hintergrund sei es umso bedenklicher, dass nach einer langen Wachstumsphase zwischen 2003 und 2018 die Mid Caps seit einigen Jahren stagnieren – sowohl mit Blick auf ihre Zahl als auch die Beschäftigung und die realen Umsätze. Besondere Herausforderungen für den großen Mittelstand seien die geopolitischen Krisen, aber auch spezifische Probleme am Standort Deutschland – zum Beispiel die teils marode Infrastruktur, der Fachkräftemangel und eine überbordende Bürokratie.
Rahmenbedingungen müssen besser werden
Die Analyse des IW Köln schließt daher mit wirtschaftspolitischen Reformvorschlägen, um dem strukturprägenden großen Mittelstand hierzulande neue Wachstumsperspektiven zu eröffnen: Die Politik in Deutschland sollte verstärkt investieren, um infrastrukturelle Engpässe zu beseitigen – also zum Beispiel die Verkehrsnetze auf Vordermann zu bringen. Dringend erforderlich sei es auch, die öffentliche Verwaltung konsequent zu digitalisieren. Zugleich brauche es einen Abbau bürokratischer Regulierungen und schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren. Eine Reform des Sozialsystems – etwa der Abbau von Frühverrentungsanreizen – kombiniert mit mehr Fortbildungsangeboten könnte die Arbeitsanreize erhöhen und so den Fachkräfteengpässen entgegenwirken. Auf internationaler Ebene würden die deutschen Mid Caps nicht zuletzt von mehr Freihandelsabkommen der EU profitieren – etwa dem seit Jahren verhandelten Abkommen mit den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay.
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