Neurodiversität in der Arbeitswelt

Das Interesse an Neurodiversität und der Gestaltung inklusiver Arbeitsplätze ist für Unternehmen zu einem zentralen Thema geworden. Hier finden Sie Infos und Tipps für ein inklusives Recruiting.

Der Greenhouse Candidate Experience Report zeigt, dass 76 Prozent der Befragten gezielt nach Arbeitgebern suchen, die nicht nur Vielfalt fördern, sondern auch aktiv inklusiv handeln. Besonders für jüngere Arbeitnehmende ist ein starkes DE&I-Konzept entscheidend bei der Wahl des Arbeitgebers. Um dieser Nachfrage gerecht zu werden, müssen Unternehmen gezielte Rekrutierungsstrategien entwickeln, die diese Talente ansprechen und ihre einzigartigen Fähigkeiten wertschätzen. Indem Unternehmen die Vielfalt der Denkweisen anerkennen und gezielte Maßnahmen ergreifen, können sie nicht nur ein zukunftsfähiges und inklusives Arbeitsumfeld schaffen, sondern auch ihre Innovationskraft erheblich steigern. Denn gerade neurodiverse Talente können für Arbeitgeber zur Superpower werden.

Was ist Neurodiversität?

Neurodiversität beschreibt die natürliche Vielfalt neurologischer Unterschiede innerhalb der menschlichen Bevölkerung. Geprägt von der australischen Soziologin Judy Singer, umfasst der Begriff sowohl neurotypische als auch neurodivergente Menschen, die neurologische Varianten wie Autismus, AD(H)S oder Dyslexie mitbringen – weitere Beispiele sind Hochbegabung, Hochsensibilität, das Tourette-Syndrom und Dyspraxia. Jeder Mensch ist einzigartig, geprägt durch eine individuelle Kombination von Eigenschaften, die ihn von anderen unterscheidet. Diese Eigenschaften können dazu führen, dass wir in mancher Hinsicht von dem abweichen, was in der Gesellschaft als "normal" gilt. Manche dieser Merkmale sind offensichtlich, wie etwa die Körpergröße oder die Haarlänge, während andere, wie zum Beispiel die Art und Weise, wie unser Gehirn Informationen verarbeitet, unsichtbar bleiben. Diese Unterschiede sind keine Defizite, sondern wertvolle Variationen, die das kreative Potenzial und die Problemlösungsfähigkeit eines Teams bereichern.

Stellen Sie sich vor, Ihr Team steht vor einer komplexen Herausforderung. Wenn alle auf die gleiche Weise denken würden, wäre es schwierig, eine effektive Lösung zu finden. Gemäß dem aktuellen “Neuroinclusion at Work report 2024” gelten etwa 20 Prozent der Menschen als neurodivers, wobei nur knapp über die Hälfte der Arbeitgeber Neuroinklusion als relevanten Fokus bewertet. Doch gerade die individuellen Stärken und unterschiedlichen Perspektiven jedes Teammitglieds tragen dazu bei, kreative und innovative Ansätze zu entwickeln, die letztlich zur Lösung führen.

Warum ist Neurodiversität für Personalverantwortliche wichtig?

Im heutigen, dynamischen Arbeitsmarkt stehen Personalverantwortliche vor einer doppelten Herausforderung: Sie müssen nicht nur den gestiegenen Erwartungen gerecht werden, sondern auch den gravierenden Fachkräftemangel bewältigen. Dieser wird durch den technologischen Fortschritt, der neue Qualifikationen verlangt, und den demografischen Wandel, der das Angebot an Arbeitskräften drastisch reduziert, noch verschärft.

Um diese Lücke zu schließen, müssen sich Personalverantwortliche auf die strategische Talentakquise konzentrieren, die nicht nur die Deckung des unmittelbaren Bedarfs, sondern auch die Planung künftiger Ziele umfasst. Innovative Rekrutierungsstrategien und KI-Tools können die Personalbeschaffung rationalisieren und die Entscheidungsfindung verbessern. Dabei ist es wichtig, neurodiverse Talente im Recruiting gezielt anzusprechen, um ihre besonderen Fähigkeiten optimal zu nutzen. Neurodiverse Menschen bringen zum Beispiel oft Stärken wie Detailgenauigkeit und kreative Problemlösungen mit, die in vielen Berufen sehr wertvoll sind. Doch in der Realität wird dies noch nicht genug umgesetzt. Dabei ergab die Cleverpop Studie, dass diverse Teams in 87 Prozent der Fälle bessere Ergebnisse erzielen als homogene Teams. Um diese Talente erfolgreich in das Unternehmen zu integrieren, sollten herkömmliche Rekrutierungsstrategien überdacht werden.

Tipps für ein inklusives Recruiting neurodivergenter Talente

Den einen optimalen Bewerbungsprozess gibt es nicht, denn die Bedürfnisse und Wünsche der Bewerbenden sind so unterschiedlich wie die Menschen selbst. Ein idealer Bewerbungsprozess für neurodivergente Menschen sollte jedoch strukturiert, transparent und flexibel sein, um die individuellen Stärken und Bedürfnisse dieser Bewerbenden zu berücksichtigen. Tipps für ein erfolgreiches inklusives Recruiting:

  1. Klares Anforderungsprofil: Ein solcher Ansatz beginnt mit einem klaren Anforderungsprofil, das in einem Kick-off-Meeting gemeinsam erarbeitet wird. Hierbei werden die notwendigen Fähigkeiten und Verantwortlichkeiten der Rolle definiert, um eine gemeinsame Grundlage zu schaffen.
  2. Maßgeschneiderte Bewertungskriterien: Die Erstellung einer Scorecard hilft dabei, spezifische Attribute erfolgreicher Kandidatinnen und Kandidaten zu identifizieren. Diese sollte Fähigkeiten wie Problemlösungsvermögen, Kreativität und analytisches Denken umfassen, die besonders für neurodivergente Bewerberinnen und Bewerber relevant sein können. Darauf basierend sollten Bewerbungsgesprächsfragen angepasst werden, um gezielt auf diese Attribute einzugehen und den Bewerberinnen und Bewerbern die Möglichkeit zu geben, ihre Stärken durch konkrete Beispiele zu präsentieren.
  3. Flexibilität im Bewerbungsgespräch: Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das flexible Interview-Scheduling. Tools können dabei helfen, Interviews effizient zu planen und auf die speziellen Anforderungen neurodivergenter Bewerberinnen und Bewerber einzugehen, indem sie beispielsweise Pausen einplanen oder alternative Kommunikationsmethoden anbieten.
  4. Offene Kommunikation und Modifizierbarkeit der Prozesse: Der ganze Bewerbungsprozess sollte flexibel gestaltet werden, um auf die individuellen Bedürfnisse und Präferenzen der Bewerberinnen und Bewerber einzugehen. Sie sollten die Möglichkeit haben, ihre Bedürfnisse zu äußern, und der Prozess sollte entsprechend angepasst werden, um Barrieren abzubauen und eine faire Bewertung zu ermöglichen.
  5. Integration in den Arbeitsalltag: Nach der Einstellung ist es wichtig, ein unterstützendes und inklusives Arbeitsumfeld zu schaffen. Individuell angepasstes Onboarding und die Förderung von Employee Resource Groups (ERGs) können dazu beitragen, dass neurodivergente Mitarbeitende ihre Stärken voll entfalten können. ERGs sind freiwillige, von Mitarbeitenden geführte Gruppen, die sich für Vielfalt und Integration in Organisationen einsetzen. In Bezug auf neurodiverse Organisationen sind sie von großem Wert, wenn es darum geht, das Bewusstsein zu schärfen und Stigmata abzubauen. Durch Workshops, Seminare und Schulungen tragen ERGs zur Entmystifizierung der Neurodiversität bei, indem sie sowohl die einzigartigen Stärken als auch die Herausforderungen neurodiverser Menschen hervorheben.

Neurodiversität in der Arbeitswelt fördern

Neurodiversität ist eine wirkungsvolle Ressource, besonders in Zeiten des Fachkräftemangels, die noch viel zu wenig im Recruiting beachtet wird. Neurodiverse Teams bringen eine breite Palette an Fähigkeiten und Perspektiven mit, die zu innovativeren Lösungen führen können. Die Zukunft erfordert von Personalabteilungen und Führungskräften, inklusive Arbeitsplätze zu schaffen, die die Vielfalt menschlicher Denkweisen schätzen und fördern. Dies kann durch Anpassungen im Bewerbungsprozess, Sensibilisierungsprogramme und flexible Arbeitsbedingungen erreicht werden. So können sich Unternehmen einen erheblichen Wettbewerbsvorteil erarbeiten, um für die Herausforderungen der modernen Arbeitswelt gewappnet zu sein.


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Schlagworte zum Thema:  Inklusion, Recruiting, Unternehmenskultur