Vielleicht haben auch Sie sich in Ihrem Unternehmen schon einmal Gedanken darüber gemacht, wie Sie im Personalmarketing eine bessere Figur abgeben könnten. Nicht zuletzt getrieben von der irrigen Vorstellung, dass diese jungen, verrückten Leute mit ihren Smartphones und permanenter Präsenz in sozialen Netzwerken grundlegend anders ticken als der Rest der Welt, ist man versucht dem alten Tanker einen neuen Anstrich zu verpassen.
Die hippe Welt der Karriereseiten
Auf den Internetseiten grinsen jetzt alle Mitarbeiter bis über beide Ohren und der Geschäftsführer lässt für den Fototermin einfach mal die Krawatte weg. Unternehmenswerte beschreiben eine imaginäre Firmenkultur, die den Arbeitgeber als einzigartigen Wohlfühlort darstellen. Die Stellenanzeigen werden mit netten Sprüchen und bunten Bildern garniert.
Bei lustigen Auswahlevents spielt man Casting-Shows nach, die zwar nicht dazu beitragen die richtige Leute zu finden, das Unternehmen aber irgendwie frisch erscheinen lassen (sollen).
So oder so ähnlich sehen die Strategien vieler Arbeitgeber heute aus. Manche Unternehmen versuchen es darüber hinaus auch mal mit einem lockeren Du. Wenn die Bewerber in den Stellenanzeigen geduzt werden, sollte sich dies doch eigentlich positiv auf das Arbeitgeberimage auswirken – oder vielleicht doch nicht?
Die Wirkung auf das Arbeitgeberimage
Zwei aktuelle Studien gehen genau dieser Frage nach. Die erste bezieht sich auf Schüler und Auszubildende, die zweite auf Studierende. Die Befragten werden per Zufall in eine von mehreren Untersuchungsgruppen eingeteilt, lesen eine Stellenanzeige für einen Ausbildungsplatz oder eine Traineestelle und beantworten anschließend Fragen zum Image des Arbeitgebers. In beiden Studien ergeben sich recht ähnliche Befunde:
- Werden die potenziellen Bewerber geduzt, so glauben sie, dass der Arbeitgeber eine stärker kollegiale Kultur pflegt. Die Kollegen erscheinen freundlicher, die Führungskräfte in stärkerem Maße mitarbeiterorientiert.
- Werden die potenziellen Bewerber gesiezt, so erleben sie den Arbeitgeber jedoch als leistungsstärker. Ihrer Erwartung nach führt er vor allem aufgabenorientiert, hat anspruchsvollere Arbeitsaufgaben und bietet eine höherwertigere Ausbildung.
- Die Unterschiede zwischen beiden Gruppen sind statistisch signifikant, fallen absolut betrachtet meist aber nicht sehr groß aus.
- In der zweiten Studie wurde zusätzlich der Effekt der eigenen Präferenzen untersucht. In der Regel zeigt sich hier, dass die Bewertungen am höchsten ausfallen, wenn man Leute duzt, die geduzt werden wollen und Personen siezt, die gesiezt werden möchten.
- Bewerber zu siezen, die lieber geduzt werden wollen, ist der Tendenz nach aber weniger schlimm, als Leute zu duzen, die lieber gesiezt werden wollen.
- Überraschend ist für viele sicherlich, dass von den fast 300 befragten Studierenden nur knapp 54 Prozent lieber geduzt werden möchte.
Wer soll angesprochen werden
Die Studien sprechen dafür, dass durch ein Duzen der Bewerber das Image selektiv beeinflusst wird. Das Du fördert ein Image als kollegialer Arbeitgeber, schadet aber gleichzeitig dem Image leistungsstark zu sein. Hierdurch dürfte man für bestimmte Bewerbergruppen attraktiver und für andere weniger attraktiv werden. Besonders leistungsorientierte Bewerber sollten sich stärker durch das Sie als durch das Du angesprochen fühlen. Hier ist mithin der Arbeitgeber gefordert sich zu überlegen, welche Personen er sucht und welche er lieber abschrecken möchte.
Ein grundsätzliches Du ist nicht zielführend, zumal fast die Hälfte der jungen Menschen lieber mit Sie angesprochen werden möchte.
Freiheit erwünscht
Doch wie sieht es aus, wenn aus Bewerbern erst einmal Mitarbeiter geworden sind? Ist es sinnvoll eine allgemeine Duz-Kultur zu etablieren, in der sich alle Beschäftigten vom Pförtner bis zur Geschäftsführung duzen müssen? Eine dritte – bislang noch nicht veröffentlichte – Studie geht genau dieser Frage nach. Befragt wurden fast 1.200 Arbeitnehmer.
Die Ergebnisse sind sehr eindeutig: Die Arbeitnehmer präferieren eine Kultur der Freiheit, in der sie individuell entscheiden können, wen sie duzen und wen sie siezen wollen. Auf Platz zwei folgt mit deutlichem Abstand eine Duz-Kultur, bei der sich alle duzen müssen und auf Platz drei eine Siez-Kultur, in der man niemanden duzen darf. Das Alter der Beschäftigte spielt fast keine Rolle. Auch hier zeigt sich mithin, dass junge Menschen keineswegs durchweg lieber geduzt werden möchten.
Fazit: Bleiben Sie beim Sie
Alles in allem spricht somit vieles dafür im Bewerbungsprozess beim Sie zu bleiben und es den neu eingestellten Mitarbeitern später selbst zu überlassen, wen sie duzen und von wem sie geduzt werden möchten. Das Leben kann manchmal ganz einfach sein.
Wer in Sachen Arbeitgeberimage so richtig daneben langen möchte, der sollte übrigens die Bewerber duzen und gleichzeitig erwarten, dass er selbst gesiezt wird. Auch solche Fälle soll es (wieder) geben.
Der Kolumnist Prof. Dr. phil. habil. Uwe P. Kanning ist seit 2009 Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Osnabrück. Seine Schwerpunkte in Forschung und Praxis: Personaldiagnostik, Evaluation, Soziale Kompetenzen und Personalentwicklung.
Schauen Sie auch einmal in den Youtube-Kanal "15 Minuten Wirtschaftspsychologie" hinein. Dort erläutert Uwe P. Kanning zum Beispiel zusammenfassend, warum Manager scheitern, warum die Aussagekraft von graphologischen Gutachten ein Mythos ist oder was Sprachanalysen über die Persönlichkeit aussagen können.