Arbeitswelt nach der Pandemie: Ernüchterung statt Aufbruchstimmung
Ernüchtert, veränderungsmüde und pragmatisch – gegen Ende des dritten Lockdowns sehnen sich Deutschlands Belegschaften nach Normalität. Insbesondere die Bereitschaft, mit Veränderungen positiv umzugehen oder diese gar aktiv anzustoßen, ist im Laufe der Pandemie bei den Mitarbeitenden in Deutschland drastisch gesunken. Der Großteil (53 Prozent) der im April 2020, Oktober 2020 und März 2021 befragten Teilnehmenden einer Studie des Personaldienstleisters Avantgarde Experts gibt im März 2021 an, sich nach der gewohnten Normalität von vor der Coronakrise zu sehnen.
Studie: Ernüchterung während dritter Corona-Welle
Noch in der zweiten Welle im Oktober 2020 zeigte sich ein gänzlich anderes Bild: Unter den Befragten gab es einen deutlichen Willen nach Innovation, mehr als die Hälfte der Befragten planten aktive Veränderungen im beruflichen oder privaten Leben. Diese Aufbruchstimmung scheint erloschen, aktuell zeigen nur noch 32 Prozent der Befragten die Bereitschaft zu einer beruflichen Veränderung. An Stelle des Innovations- und Veränderungsenthusiasmus tritt nun in der dritten Corona-Welle der Wunsch nach wirtschaftlichem Fortbestehen stärker in den Mittelpunkt, im Vergleich zur Befragung im April 2020 (18 Prozent) sehen im März 2021 deutlich mehr der Studienteilnehmenden (32 Prozent) darin die größte Herausforderung für die Unternehmen.
Umfrageergebnisse: Die größten Herausforderungen für Unternehmen während der Coronakrise
Dass Veränderungen bevorstehen, scheinen die meisten der Arbeitnehmenden trotzdem zu wissen: Nur jeder fünfte Befragte (19 Prozent) erwartet wenig bis gar keine Auswirkungen der Coronapandemie auf die berufliche Situation. Die Mehrheit (46 Prozent) geht dagegen davon aus, dass es beruflich eher starke bis sehr starke Auswirkungen geben wird.
Arbeiten nach Corona: Homeoffice und hybrides Arbeiten etablieren sich
Im April 2020 dachten immerhin schon 41 Prozent der Befragten, dass es auch nach der Pandemie mehr Möglichkeit geben wird, im Homeoffice zu arbeiten. Während der zweiten Welle und aktuell ist es eine deutliche Mehrheit: 61 Prozent glauben, dass der heimische Schreibtisch auch nach der Coronakrise regelmäßig für die Arbeit genutzt wird. Einmal und mittlerweile seit gut einem Jahr auf den Geschmack gekommen, wollen viele der im März 2021 Befragten die klaren Vorzüge des Homeoffices nicht mehr missen. Gleichzeitig wird aber auch das Thema Flexibilität großgeschrieben. Laut Einschätzung der Studienteilnehmenden hat sich eine gewisse Freiheit in der Arbeitszeiteinteilung in einigen Unternehmen bereits in der Arbeitskultur etabliert. Dazu passt, dass mittlerweile über die Hälfte (55 Prozent) der Befragten davon ausgeht, dass ein flexibler Wechsel zwischen Büro und Homeoffice - also hybrides Arbeiten - die Krise überdauern wird.
Lücke zwischen gewünschter und gelebter Arbeitsrealität
Die Ergebnisse aus der dritten Befragungsrunde im März 2021 zeigen eine Lücke zwischen der gewünschten und gelebten Arbeitsrealität auf: Einerseits möchte mehr als jeder Zweite Homeoffice-Optionen nutzen. Gleichzeitig vermissen die Beschäftigten zwischenmenschliche Beziehungen und haben den Eindruck, dass Prozesse mit Fortschreiten der Homeoffice-Situation länger dauern. Dazu Studienleiter Philipp Riedel, Geschäftsführer von Avantgarde Experts: "Ein Umdenken bei den Firmen und den neu geschaffenen, flexibleren Möglichkeiten des Arbeitens, kann jedoch nur mit einem ebenso flexiblen Mindset bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie einem kontinuierlichen Drang der Unternehmen, nicht auf der Stelle zu treten, langfristig zu beiderseitiger Zufriedenheit führen."
Digitalisierung als Konsequenz der Corona-Lockdowns geglückt
Mit der Verlagerung des Berufslebens der Beschäftigten an den heimischen Schreibtisch kam auch die Umstellung des gewohnt (oft noch analogen) Arbeitsalltags auf digitale Kanäle. Offenbar ist es den meisten Unternehmen von Anfang an gelungen, die Arbeitsprozesse gut bis sehr gut auf digitale Kanäle umzuleiten. Die Mitarbeitenden waren und sind während aller drei Befragungszeitpunkte (sehr) zufrieden mit der digitalen Transformation ihrer Unternehmen. Auffällig ist bei der dritten Befragungsrunde im März 2021, dass im Vergleich zur ersten und zweiten Welle (67 beziehungsweise 68 Prozent) nun über 80 Prozent der Befragten mit der Umstellung ihres Unternehmens auf digitale Kanäle seit Beginn der Pandemie zufrieden bis sehr zufrieden sind.
Die Studienteilnehmenden, die am zufriedensten hinsichtlich der Umstellung auf digitale Kanäle sind, stammen fast zur Hälfte (47 Prozent) aus großen Unternehmen mit 250 und mehr Mitarbeitenden. Hier liegt die Vermutung nahe, dass die großen Player bereits vor der Pandemie digitale Strukturen etabliert hatten und diese im Gegensatz zu kleineren Betrieben lediglich ausbauen mussten.
Zum Fortschritt der Digitalisierung der Unternehmen passt, dass nur noch ein Fünftel der Beschäftigten die digitale Infrastruktur der eigenen vier Wände sowie den Zugriff auf firmeninterne Daten mittels Server als "herausfordernd" bewertet. Zu Beginn der Pandemie und in der zweiten Welle sah das noch rund ein Drittel der Befragten so.
Weiterbildungen und Meetings: digitale Formate als Gewinner
Die während des Lockdowns in vielen Unternehmen oft neu entdeckten, zumindest neu eingeübten, digitalen Ersatzformate für Präsenzveranstaltungen werden auch das Arbeiten nach Corona prägen. War zu "Vor-Corona-Zeiten" im oft stressigen Büro-Alltag keine Luft für etwaige Fort- und Weiterbildungen, hat sich die Einstellung der Arbeitnehmenden dazu im Laufe des vergangenen Jahres deutlich gewandelt: Durch die freie Zeiteinteilung können die Beschäftigten oftmals in Eigenregie entscheiden, wann und wo sie sich weiterbilden. Webinare zu bestimmten Themen werden oft zu verschiedenen Terminen angeboten, wodurch die Mitarbeitenden nicht nur zeit-, sondern auch ortsunabhängig agieren können. Aktuell nutzt mehr als jeder zweite Befragte Online-Fortbildungsangebote wie Webinare, Podcasts oder Online-Trainings im heimischen Office. Der Anteil derjenigen, die während des Lockdowns diese Angebote häufiger nutzen, ist von 19 Prozent seit Beginn der Pandemie auf 24 Prozent im März 2021 gestiegen.
Umfrageergebnisse: Was die Coronakrise überdauern wird
Obwohl viele der Befragten sich nach sozialem Kontakt sehnen, glauben rund zehn Prozent mehr als noch zu Beginn der Krise, dass auch nach der Pandemie der geschäftlich-persönliche Kontakt reduziert sein wird: Digitale Veranstaltungen wie Workshops, Konferenzen, Coffee-Breaks oder Lunch-Partys werden selbstverständlicher Bestandteil auch der zukünftigen Arbeitswelt werden. 43 Prozent erwarten, dass virtuelle Meetings und Calls zur Normalität und persönliche Treffen dadurch zu einer Besonderheit werden. Zudem glauben ebenfalls 43 Prozent, dass Dienstreisen größtenteils durch virtuelle Zusammenkünfte ersetzt werden.
Das bringe laut Riedel neue Herausforderungen für Personalverantwortliche mit sich, die gerade erst am Beginn ihrer Entwicklung hin zu echten "digital Leadern" stünden. Seiner Ansicht nach müssten sie nun vor allem als "positive Zukunftsentwickler" auftreten. Riedel betont: "Ganz wichtig ist dabei, die Teams auf dem Weg in die Transformation mitzunehmen. Faktoren wie sinnstiftende Arbeit, flexible Arbeitszeitmodelle und -orte müssen Hand in Hand mit der Nutzung digitaler Tools gehen."
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