Trendradar: DGFP strebt programmatisches Update an
Die Unternehmen und ihre Beschäftigen sehnen sich nach Orientierung in diesen ungewissen Zeiten. Als Branchenverband möchte die Deutsche Gesellschaft für Personalführung (DGFP) Antworten liefern und Personalerinnen und Personaler auf die Aufgaben der Zukunft vorbereiten. Doch worin liegen diese? Darüber muss sich der Verband zunächst erst selbst einen Überblick verschaffen. Aufschluss soll das Studienprojekt "Trendradar" liefern, mit dem die DGFP das Zukunftsinstitut Wien betraut hat.
Die Studie identifiziert insgesamt zwölf Trends, aus denen Handlungsfelder für die Personalarbeit in den Unternehmen abgeleitet werden sollen. Auf Basis der Ergebnisse plant der Verband ein programmatisches Update. Dieses normative Vorgehen wäre ein neuer Ansatz im Vergleich zu privatwirtschaftlichen Weiterbildungsanbietern, die ihr Angebot primär über Angebot und Nachfrage steuern. Damit könnte der Verband einen Mehrwert für seine Mitglieder schaffen.
Trendradar setzt auf Wissenschaftlichkeit
Trendprognosen gibt es viele. Wozu dann noch eine weitere? Die DGFP geht das Thema wissenschaftlich an. Projektleiterin Susanne Blüml verweist auf die besondere Qualität ihres Trendradars. Ein vierstufiges Verfahren mache die Ergebnisse besonders valide, behauptet sie. "Wir haben uns gezielt für das Zukunftsinstitut als wissenschaftlichen Partner entschieden", sagt Blüml. Doch was heißt das nun? Auf den ersten Blick unterscheiden sich die Ergebnisse kaum von denen bereits veröffentlichter Trendstudien. Ein Blick auf die Top drei der Trends bringt auf den ersten Blick wenig Überraschendes. Sie lauten: transformative HR, menschenzentrierte Organisationen und Supersynergieeffekte, gemeint ist eine zunehmende Integration von HR, Business und IT.
Dass die Thesen keinen Überraschungseffekt auslösen, liegt auch an der Methode. "Wir dürfen nicht vergessen, dass es sich dabei um längerfristige Entwicklungen handelt", sagt Blüml. Heißt, die von den Trendforschern beobachteten Themen sind möglicherweise bereits seit einiger Zeit präsent – und werden die Profession wohl auch in absehbarer Zukunft beschäftigen. Wenn die Ergebnisse also im Bereich des Erwartbaren liegen, heißt das auch: Die DGFP hat ihre Hausaufgaben gemacht und als Verband die wichtigsten Themen und Handlungsfelder von HR bereits im Blick. Die Studie dient damit als wissenschaftliche Validierung. Der Geltungsanspruch für die Befragung erstrecke sich über die nächsten zwei bis drei Jahre, sagt Blüml. Auch ginge es nicht darum, die inhaltliche Avantgarde der Themen darzustellen, sondern einen Querschnitt.
Umsetzbarkeit im Mittelstand gewährleisten
Lediglich zehn Prozent der 1.400 Mitgliedunternehmen des Verbandes sind Konzerne. Wichtig seien daher Relevanz und Umsetzbarkeit auch für und im Mittelstand, dem häufig weniger Ressourcen zur Verfügung stünden als großen Unternehmen. Das heißt jedoch nicht, dass mit zweierlei Maß gemessen wird. "HR muss ergebnisorientiert arbeiten, unabhängig von der Größe und dem Reifegrad seiner Organisation", sagt DGFP-Geschäftsführer Ralf Steuer. Also gelte die Agenda, die sich aus den Thesen ableite für alle gleichermaßen.
Alle Trends im Überblick
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In der Praxis brauche es künftig jedoch mehr Fallbeispiele aus dem Mittelstand, gibt Steuer zu. Denn in der Umsetzung spielen Unternehmensgröße, Professionalisierungsgrad und personelle wie finanzielle Ressourcen durchaus eine Rolle. Da könne die Studie sowohl den Mitgliedern als auch dem Verband als Gap-Analyse zwischen Ist- und Sollwert in HR dienen. Einfacher ausgedrückt: Welche der ermittelten Trendthemen haben die Personalerinnen und Personaler bereits wie gut im Blick oder sogar umgesetzt. Die Antwort dürfte von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich ausfallen – mit Vorteil für die Großunternehmen und Konzerne. Spannend dürfte also sein, wie gut der Verband sein künftiges Programm an den Bedürfnissen der kleineren Mitgliedsunternehmen ausrichtet. Im 15-köpfigen Vorstand der DGFP sind diese bislang unterrepräsentiert.
Mit künstlicher Intelligenz zur Wissensorganisation
Steuer sieht indes einen anderen Faktor als erfolgskritisch. "Wir sitzen auf sehr viel Wissen und Knowhow", sagt er. Doch dieses verfiele noch zu häufig nach den Events. Eine Zweit- oder gar Drittverwertung der Inhalte finde bislang kaum statt. Das solle sich in Zukunft ändern. Steuers Vision ist die einer Wissensorganisation. Jedes Mitglied könne dann jederzeit auf alle Inhalte des Verbandsprogrammes und die gesammelten Erfahrungen aller Mitglieder zurückgreifen. Wenn das gelänge, wäre es ein echter Quantensprung für den Erfahrungsausaustausch und Wissenstransfer im Verband. Möglich machen soll das eine künstliche Intelligenz. Doch das ist aktuell noch Zukunftsmusik.
Kurzfristig steckt der Verband sich konkretere Ziele. Auf Grundlage des Trendradars soll ein Whitepaper entstehen, das als Handlungsleitfaden für die Unternehmen ergänzend zur Studie dient. Man kann das als Hilfestellung für die Unternehmen betrachten. Ob des dem Verband gelingt, damit zusätzliche Themen auf die Agenda der Personalabteilungen zu setzen und diese zum Handeln zu bewegen, muss sich zeigen. Die Vorzeichen stehen günstig. Unter der Führung von Steuer – und der Vorstandsvorsitzenden Carmen-Maja Rex (Heidelberg Materials) sowie ihren Vorgängerinnen Bettina Volkens (Great 2 Know) und Ariane Reinhart (Continental) – hat der Branchenverband eine positive wirtschaftliche Entwicklung genommen und verzeichnete zuletzt ein leichtes Mitgliederwachstum.
Bislang fehlt eine klare politische Positionierung der DGFP
Sicherlich dürfte das Trendpapier auch zur Profilierung des Verbandes dienen. Denn auch wenn die Mitgliederstruktur die beiden großen Verbände unterscheidet (Unternehmen bei der DGFP, Einzelpersonen beim BPM), geht es doch um die Sichtbarkeit und Deutungshoheit in HR. Hier hatte die DGFP, ihrer inhaltlichen Stärke zum Trotz, in der jüngsten Vergangenheit das Nachsehen. Das mag auch daran liegen, dass Einzelpersonen mit ihren Einzelmeinungen einfacher das Rampenlicht suchen können als ganze Unternehmen. Das Ergebnis zeigt sich in der jüngsten Debatte um eine politische Positionierung von HR. Während der BPM auf der Personalmanagement Kongress eine klare Agenda gegen Polarisierung und Radikalisierung in Unternehmen, Politik und Gesellschaft fuhr, wirkt die DGFP zurückhaltend. Steuer sieht das anders. "Haltung zu zeigen, ist uns wichtig", sagt er und verweist auf mehrere Vorstandsmitglieder, die sich mit ihren Unternehmen politisch geäußert hätten. Eine klare Positionierung des Verbands, über Werte wie Gleichberechtigung und Vielfalt hinaus, gäbe es aktuell noch nicht, räumt er selbstkritisch ein.
Das ist insofern wichtig, als dass der Verband neben den drei Toptrends drei weitere Themen des Radars als besonders relevant betrachtet: (1) ein globales Talent-Ökosystem und daran geknüpft die Frage nach einer vereinfachten Arbeitsmigration und Integration Geflüchteter in den Arbeitsmarkt, (2) regulierte Verlangsamung und (3) Einflüsse von außen, also gesellschaftliche und geopolitische Entwicklungen, die zunehmend auf die Unternehmen wirken. Dazu dürfte auch der politische Rechtsruck in Europa und Deutschland zählen, der – ob sichtbar oder unsichtbar – auch vor den Werkstoren und Bürotüren der Unternehmen nicht halt machen dürfte. Spätestens wenn er zutage tritt, muss auch der Verband eine Antwort auf die Frage nach seiner politischen Haltung haben. Dass die demokratischen Grundwerte für den Verband eine Selbstverständlichkeit seien, betont Steuer im Gespräch mit dem Personalmagazin mehrfach.
Zeit ist nach dem Gehalt die wichtigste "Währung" für Beschäftige
Ein weiteres Thema, das sich aus den Trends ableitet, dürfte Personalerinnen und Personal vor große Herausforderungen stellen. Einmal mehr bestätigt sich, dass Zeit für viele Beschäftigte neben Geld eine entscheidende "Währung" für die Arbeitszufriedenheit ist. Also wird sich HR künftig noch stärker mit flexiblen Arbeitszeitmodellen auseinandersetzen müssen als manchem CHRO lieb ist.
Die DGFP hat mit dem Themen-Radar das Feld abgesteckt. Im weiteren Prozess geht es um die Konkretion, mit der Verband seinen Anspruch als "Thought Leader" umsetzen kann. Dass sich die Unternehmen beispielsweise verstärkt um die ältere Generation kümmern müssen, wie das Trendpapier an verschiedenen Stellen vorschlägt, ist keine neue Erkenntnis. Es hapert an der Umsetzung. Nur eine Minderheit der Unternehmen bietet Älteren beispielsweise angepasste Arbeitsumfelder oder auch die Möglichkeit, über die gesetzliche Rente hinaus zu arbeiten. Wenn die DGFP einen wertegeleiteten Einfluss auf die Praxis nehmen kann, wird sie ihrer Aufgabe als Verband gerecht.
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