Wie viel New Work können Konzerne?
"Man kann neues Arbeiten nicht verordnen", konstatierte Birgit Bohle am Montag, 22. März 2021, auf den Kinosesseln im Hause Telekom. "Wir wollen einen noch besseren Service, damit unsere Kunden zu Fans werden. Das übersetzt sich dann in anders arbeiten und anders führen", so die Personalvorständin der Deutschen Telekom über ihre Motivation, New Work im Unternehmen zu promoten. Neben ihr erklärte Oliver Herrmann, Tribe Lead New Ways of Working, als Co-Auftraggeber sein Verständnis von New Work. Der Dokumentarfilm ist für ihn der Beginn eines Dialogs. Intern hat das Unternehmen den Film schon vor der öffentlichen Premiere gezeigt und über neue Arbeitsformen diskutiert. "Wir haben hier nicht die Weisheit gepachtet, das ist etwas, was wir gemeinsam im Diskurs mit anderen erarbeiten wollen."
Geschichten von fünf New Workern und ihrer Arbeitswelt
Batu Erkan und Katja Drechsler (beide Deutsche Telekom), Stephan Heiler (Heiler Glas), Markus Wörner (Einhorn) und Johannes Kick (Fahrwerk) – die Geschichten dieser fünf Personen und ihrer Kollegen stehen im Mittelpunkt des Films. Die Arbeit für sinnlose Ziele und Fake-Reporting oder eine Atmosphäre des Misstrauens, das soll nach Ansicht der New-Work-Pioniere der Vergangenheit angehören. So berichtet etwa Erkan, Leiter des Regio Centers Frankfurt am Main des Telekom-Services, wie nun die Call-Center-Mitarbeitenden offen zugeben, dass sie früher krank gemacht haben. "Es herrschte so ein absoluter Gehorsam, jetzt traut man sich auch mal was zu sagen."
Offene Kommunikation und ein angstfreier Raum ist auch das Thema bei Drechsler, Senior Vice President IT Strategy & Transformation der Telekom-IT, die sich im Feedback mit einem Kollegen über seine Neigung, als Führungskraft in die Rolle des "Erkläronkels" zurückzurutschen, und ihren Minderwertigkeitskomplex, keine "echte" ITlerin zu sein, austauscht. "Je offener es wird, desto schmerzhafter wird es auch. Es geht darum, den Schmerz anzunehmen und damit zu arbeiten."
Gentrifizierung von New Work?
Gleichwohl liegen zwischen dem Konzern und den New-Work-Pionieren Welten. Ein Berliner Fahrradkurierkollektiv mit Einheitslohn, wo jeder alles macht – vom Bürodienst bis zu Kurierfahrten, ein nachhaltiges Start-up, das Kondome und Menstruationsprodukte herstellt, transparente Gehälter hat und sich über die Purpose-Stiftung in Verantwortungseigentum überstellt hat oder der kleine Glas-Produktionsbetrieb, in dem es keine formale Hierarchie mehr gibt und sich die Kollegen gegenseitig führen – all das hat mit der Logik eines Börsenunternehmens wenig zu tun. Möchte sich hier also ein Konzern mit leuchtenden New-Work-Vorbildern schmücken? Dagegen spricht, dass auch der Telekom-Anteil des Films über einen reinen Show-Case hinausgeht. Die Protagonisten legen den Finger in die Wunde. "Es ist ein Problem, wenn man Führungskräfte hat, die nur 'Command and Control' können. Was bleibt, wenn ich das wegnehme?", so Erkan. "Manchmal sind wir nah dran und am nächsten Tag liegen wir wieder daneben", gibt Drechsler zu.
Der Film "Geht doch!" zeigt Experimente und Momentaufnahmen auf dem Weg zu New Work und klammert dabei die Dilemmata nicht aus, die Selbstorganisation mit sich bringen. Diese Offenheit dürfte bei den Mitarbeitenden der Deutschen Telekom Erwartungen an die Transformation wecken, an denen sich die Auftraggeber des Films messen müssen. Allein das ist mutig.
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