Professor Heinz Schuler ist verstorben
Wir verlieren mit Heinz Schuler einen außergewöhnlichen Menschen – universell gebildet, persönlich zurückhaltend-bescheiden, in seiner Fachdisziplin und der Fachpraxis als Wissenschaftler, Hochschullehrer und Berater bestens anerkannt und persönlich immer mitten im Leben stehend, mit beiden Füßen auf dem Boden. Heinz Schuler überließ nichts dem Zufall, er war ein Meister der Planung und des organisierten Arbeitens. Arbeit war sein Leben. Immer hatte er einen kleinen Block in der Hemdtasche, Stift dazu – allezeit bereit, jeden Gedanken, jede Eingebung sortiert festzuhalten.
Heinz Schuler verstand Arbeit als immanenten Teil des Lebens
Er war immer im Einsatz, lebender Antipode des Müßiggangs und der Work-Life-Balance-Doktrin – für ihn gab es nicht die zwei Schalen Arbeit und Freizeit, die es gegeneinander auszutarieren, ins Gleichgewicht zu bringen gälte, sondern nur eine Schale, in die beides gehört: Arbeit verstand er als immanenten Teil des Lebens und als Weg zum persönlichen Glück. Wohl auch deshalb widmete er einen großen Teil seiner Forschung dem menschlichen Leistungsmotiv, ging unseren Antrieben auf den Grund, um sie zu verstehen, sie messbar zu machen. So entstand unter anderem das Leistungsmotivationsinventar LMI. Mit der Messung allein gab er sich aber nicht zufrieden, er wollte Leistung fördern. Sein legendärer "Funktionskreis Leistungsförderung" forderte als Modell die Studierenden und war zugleich Basis für die Entwicklung von Motivationstrainings.
Diagnostik-Forschung für Unternehmen und Bewerbende
Heinz Schuler hatte nach dem Studium der Psychologie und Philosophie in München und Stationen in Augsburg (Habilitation) und Erlangen (erste Professur) von 1982 bis 2010 den Lehrstuhl für Psychologie an der Universität Hohenheim oberhalb von Stuttgart inne. Dort forschte er zum Zusammenhang zwischen berufsbezogenen Anforderungen einerseits und individuellen Leistungsvoraussetzung von Bewerbenden und Mitarbeitenden andererseits. Ihn bewegte die Frage, wie aus der Messung personenbezogener Merkmale eine ideale Berufserfolgsprognose gestellt werden kann. Erfolg definierte er hierbei nicht nur durch operative und wirtschaftliche Kenndaten, sondern auch über das Befriedigungspotenzial einer Tätigkeit, eines Berufs und einer Arbeitsumgebung für eine Person.
Diagnostik war für ihn deshalb nicht alleinige Aufgabe eines Unternehmens oder einer Behörde, um das richtige Personal auszuwählen oder zu befördern, sondern ein bilateraler Prozess. Beide Partner, so verstand er sie, hatten in diesem Prozess das gleiche Ziel, das gleiche Erkenntnisinteresse: Herauszufinden, wie gut Person und Beruf bzw. Organisation dauerhaft zueinander passen und ob beide Seiten miteinander glücklich würden. In diesem Verständnis entstand auch das von ihm eingeführte Konzept der "Sozialen Validität" eignungsdiagnostischer Verfahren und Prozesse, auf Basis dessen es fortan möglich war, zu prüfen, ob Methoden und Vorgehen auch für Bewerbende akzeptabel sind.
Begründung der Personalpsychologie
Mit der Veröffentlichung der "Zeitschrift für Personalpsychologie" begründete er innerhalb der Arbeits- und Organisationspsychologie ein neues deutschsprachiges Fachgebiet, das heute eigenständig als Lehr- und Forschungsgebiet unter diesem Titel firmiert und untrennbar mit seinem Namen verbunden bleibt. Auch war er es, der auf Basis vorhandener und von ihm weiterentwickelter Modelle der Nutzenkalkulation nachwies, dass es kaum rentablere betriebliche Investitionen als die in passendes Personal gibt.
Selbst lebte er als geborener Wiener ("Wie alle Wiener bin ich Psychologe", pflegte er zu sagen) in einer Mischung aus wissenschaftlicher und kultureller Epistemik, liebte die Kunst verschiedener Epochen, sein Haus war liebevoll mit historischem Mobiliar, Plastiken und Gemälden gestaltet, er liebte die Oper und Konzerte und lud Mitarbeitende zu Geburtstagen gerne ein, ihn und seine liebevolle und charmante Gattin dorthin zu begleiten. In seinem Arbeitszimmer beherbergt war eine sehr umfangreiche Fachbibliothek mit allerlei Werken aus der Frühzeit der Psychologie, so auch Erstausgaben von Wilhelm Wundt und Hugo Münsterberg, die zu seinen besonders behüteten bibliophilen Schätzen zählten. Gerade weil er diese Schätze so liebte, spendete er sie noch zu Lebzeiten an die Universitätsbibliothek, auf das sie erhalten und zugänglich blieben.
Vorbild und akademischer Lehrvater
Wer das Glück hatte, bei ihm studieren, arbeiten oder promovieren zu dürfen, kannte ihn als akribischen Wissenschaftler, stets sein Handeln an ethischen Maßstäben ausrichtend, stets hohen Anspruch fordernd, aber genauso leistungsfördernd, unterstützend und persönlich wohlwollend. Wer ihn zum akademischen Lehrvater hatte, dem standen alle Chancen offen – eine große Anzahl Schuler-Schüler sind in herausragenden Positionen in Forschung und Lehre sowie Wirtschaft gelangt. Sein äußerst umfangreiches Werk mit hunderten wissenschaftlichen Publikationen, Tests und Büchern sowohl für Fachexpertinnen und -Experten als auch "Übersetzungswerke" (legendär ist die "Psychologische Personalauswahl" für Nicht-Psychologen) um den Wissenschafts-Praxistransfer zu leisten, wurde 2017 mit der Verleihung des Deutschen Psychologen-Preises für sein Lebenswerk gewürdigt. Nachdem ihn das Personalmagazin jahrelang zu den "40 führenden HR-Köpfen" zählte, wurde er vom Fachmagazin 2013 in die Hall of Fame aufgenommen. Auch international genoss er höchste Anerkennung.
Gründung von S&F Personalpsychologie
Ich selbst hatte die Ehre, bei Heinz Schuler studieren und für ihn arbeiten zu dürfen, erst als Hiwi, später als Lehrbeauftragter. Irgendwann machte er mich zum Geschäftspartner und wir gründeten gemeinsam und auf seinen Wunsch hin auch gleichberechtigt die S&F Personalpsychologie Managementberatung GmbH. Gemeinsam entwickelten wir das erste Online-Assessment Europas, besetzten ganze Automobilwerke und entwarfen Lösungen zur ressourcenorientierten Berufsberatung von Arbeitslosen sowie Schülerinnen und Schülern. Später gründeten wir mit Partnern die HR Diagnostics AG mit Tochter in den USA für webbasierte Recruiting- und Auswahlprozesse. Auf der ganzen Wegstrecke wurden wir stets von einem tüchtigen Team begleitet, aber letztlich war er es, der all dies ins Rollen gebracht hatte und ich habe niemanden, dem ich – abgesehen von Elternhaus und Ehefrau – so viel an Inspiration, Chance, Zuversicht, Zutrauen, Förderung und auch Forderung und Zumutung zu verdanken hätte. Die gemeinsame Zeit war nicht immer artig, aber stets großartig - nicht nur für mich, sondern für alle seine Wegbegleiter.
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