Vernetzungsexperte Peter Kruse gestorben
Seit seiner Promotion befasste sich Kruse mit Ordnungsbildungsprozessen in intelligenten Netzwerken – vom menschlichen Gehirn bis hin zum Internet. Gleichzeitig war Kruse ein erfolgreicher Unternehmensberater. Er gründete im Jahr 2001 die Beratungsgesellschaft „Nextpractice GmbH“, die sich im Laufe der Jahre auf die Begleitung von Change-Projekten in Unternehmen sowie auf die Trendforschung spezialisierte. Kruses Beratungsansatz überträgt Erkenntnisse der Hirnforschung und der Theorie dynamischer Systeme auf Unternehmensprozesse. Er und sein Team waren Entwickler verschiedener computergestützter Managementwerkzeuge zum Umgang mit Komplexität und Vernetzung.
Seine Innovation: ein Analysewerkzeug für das Interview
Als wichtigste Innovation, die auf Kruse zurückgeht, gilt das Tool „Nextexpertizer“. Es ist ein Mittelding zwischen standardisiertem Fragebogen und qualitativem Interview. Standardisierte Fragebögen erlauben eine hohe Vergleichbarkeit der Ergebnisse, erreichen aber oft nicht die wünschenswerte inhaltliche Aussagekraft. Qualitative Interviews erlauben zwar eine differenzierte Erhebung komplexer Zusammenhänge, aber die Einzelaussagen lassen sich nur sehr bedingt miteinander vergleichen. Beim Interview- und Analysewerkzeug „Nextexpertizer“ müssen die Teilnehmer bestimmte Worte paarweise vergleichen. Durch die Vergleiche werden Ordnungsmuster offengelegt, die dann einem Computerprogramm einen Zugang zu unbewussten Bewertungsstrukturen ermöglichen. Damit gelang es auf einer mathematischen Basis, qualitative Einschätzungen quantitativ vergleichbar zu machen. Diese Methode führte zu guten Prognosen. So konnte Kruse schon früh darauf hinweisen, dass selbst für wohlhabende Bürger das Auto als Statussymbol an Wert verlieren und Car-Sharing an Akzeptanz gewinnen wird. Die Basis für Kruses Arbeit liegt in der „Repertory-Grid-Technik“ des US-amerikanischen Psychologen George A. Kelly.
Populärer Redner und Autor
Einer breiten Öffentlichkeit wurde Kruse durch sein Buch „Next practice - Erfolgreiches Management von Instabilität“ (Gabal Verlag) bekannt. Außerdem gewann er durch seinen ausgesprochen dynamischen und gleichzeitig sehr informativen Vortagsstil auf diversen Messen und Kongressen viele Bewunderer, die ihn als „Netzkultur-Guru" verehrten. Von der Enquete Kommission für Internet und digitale Gesellschaft des Deutschen Bundestages wurde er im Dezember 2011 als Experte eingeladen. Der TV-Mitschnitt seines Auftritts wurde zum Hit auf der Videoplattform „Youtube“ (Stichwort: „Peter Kruse Bundestag“). In nur wenigen Minuten erklärte er überzeugend wie das Internet zu einer Umkehrung der Machtverhältnisse führen wird und was die Politiker und die Medien heute tun müssen, um nicht ohnmächtig von der Dynamik der Vernetzung überrascht zu werden.
Führungsstudie für das Arbeitsministerium
Für das Bundesministerium für Arbeit und Soziales arbeitete er zuletzt an einer Studie zum Thema "Gute Führung". Dabei kam heraus, dass selbst gestandene, erfolgreiche Führungskräfte zu 77 Prozent der Meinung waren, dass es in Deutschland „einen grundlegenden Wechsel im System von Führung“ brauche. Persönliche Dominanz und starke Persönlichkeit seien „out“. Das Führen mit Zielen und Kennzahlen funktioniere nur unzureichend. Stattdessen sollten sich Unternehmen in eine Netzwerkorganisation verwandeln, mehr auf Selbstorganisation setzen und mehr die firmeninterne Kooperation fördern. Außerdem wird mehr „iterativ-testende Agilität“ gefordert.
Die Mitarbeiter von Kruse reagierten bestürzt auf die Todesnachricht. Ihr Chef habe noch Großes verwirklichen wollen, schrieben sie auf der Firmenhomepage. Zu seinen Plänen habe der Aufbau eines eigenen Instituts gezählt, das die komplexen Prozesse der Gesellschaft besser verständlich machen sollte. Man habe sich von Herzen gewünscht, dass Kruse diesen Plan noch hätte verwirklichen können.
Das Personalmagazin wählte Peter Kruse 2009 zu einem der "40 führenden Köpfe des Personalwesens".
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