Der geistige Vater des BGM wird 80
Als ich im Juli 2021 vom Personalmagazin zum "Papst des betrieblichen Gesundheitsmanagements" und somit zu den "40 führenden HR- Köpfen 2021" gewählt wurde, platzte ich beinahe vor Stolz. Aber ehrlicherweise: Ich setzte mich eigentlich in ein gemachtes Nest. Denn aller Fortschritt und Erfolg, den das betriebliche Gesundheitsmanagement in den vergangenen Jahren erfahren hat, wäre nicht möglich gewesen, wenn mein Kollege Bernhard Badura nicht seit Jahrzehnten die theoretischen und praktischen Grundlagen für die Etablierung eines systematischen Arbeits- und Gesundheitsschutzes in Deutschland gelegt hätte.
Werdegang von Bernhard Badura: Professuren, Institutsleitung und Beratung
Aber der Reihe nach: Bernhard Badura wurde mitten im Krieg, am 12. Februar 1943, in Oppeln/Schlesien geboren. Er studierte unter anderem Soziologie an den drei baden-württembergischen Universitäten Tübingen, Freiburg und Konstanz sowie an der Harvard University und promovierte am Bodensee beim großen Liberalen Ralf Dahrendorf. 1981 erhielt er seinen ersten Ruf als Professor an die Universität Oldenburg, dem zehn Jahre später die Berufung als Professor und Leiter des Instituts der Soziologie an der Technischen Universität Berlin folgte. Neben Unternehmen beriet Badura in dieser Zeit die Bertelsmann Stiftung als wissenschaftlicher Leiter der großen Expertenkommission "Betriebliche Gesundheitspolitik", die EU, die WHO und die Bundesregierung.
Seine wissenschaftliche Heimat fand Badura schließlich 2008 als Gründer der gesundheitswissenschaftlichen Fakultät an der Universität zu Bielefeld, wo er heute auch noch lebt. Seine Forschungsschwerpunkte waren Kennzahlen und Organisation in der betrieblichen Gesundheitspolitik, Gesundheitssystemforschung und die Ausgestaltung von Gesundheitsmanagement.
Sozialkapital als Grundlage von Gesundheit und Unternehmenserfolg
Für mich ist sein bedeutendstes literarisches Werk "Sozialkapital: Grundlagen von Gesundheit und Unternehmenserfolg" aus dem Jahr 2008. In der dieser Veröffentlichung zugrunde liegenden Studie gelingt es Badura, den Zusammenhang von Mitarbeitergesundheit und Unternehmenserfolg konsequent zu belegen und konkrete Kennzahlen zu entwickeln, die diese Verbindung transparent messbar machen.
Im selben Jahr hat Badura im Personalmagazin die drei Säulen des Sozialkapitals als "Netzwerkkapital, Führungskapital und Überzeugungs- und Wertekapital" vorgestellt. Dieses Modell hat heute mehr Aktualität als je zuvor: Aus ihm entwickelt sich nach und nach ein ganzheitlicher Ansatz, der Korrelationen zwischen den Arbeitsverhältnissen als Kultur eines Unternehmens und der Leistungsfähigkeit und Produktivität von Mitarbeitenden herstellt. Dabei werden organisationsindividuelle Ursachen quantifiziert und in ein nachhaltiges Gesundheitsmanagement eingearbeitet.
Während im betrieblichen Alltag häufig die Verhaltensprävention im Mittelpunkt steht, tritt Bernhard Badura für die Notwendigkeit ein, die betrieblichen Verhältnisse in den Mittelpunkt eines ganzheitlich orientierten Gesundheitsmanagements zu rücken. Sein Credo: Die Verhältnisse als die größte Stellschraube werden gemeinsam mit der Unternehmenskultur von den (unteren) Führungskräften geprägt. Die sozialen Beziehungen zwischen den Mitarbeitenden in Teams und zu ihren Vorgesetzten bestimmen Zufriedenheit, Krankenstand und Produktivität.
SCOHS: Die Wirksamkeit betrieblicher Gesundheitspolitik lässt sich messen
Eng damit zusammen hängt auch das von Badura 2009 entwickelte Konzept des "Social Capital & Occupational Health Standard" (SCOHS). Dieser Ansatz wird heute eingesetzt, um Reifegrad und Wirksamkeit betrieblicher Gesundheitspolitik zu messen. Es könnte der allgemein anerkannteste Ansatz im Gesundheitsschutz für die nächsten Generationen bleiben.
Seit 1999 ist Bernhard Badura gemeinsam mit dem wissenschaftlichen Institut der AOK Herausgeber des Fehlzeitenreports, der als das umfassendste Werk zum Krankheitsgeschehen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland gilt. Durch eine systematische Auswertung der ICD-Codes können Entwicklungen insbesondere bei den großen Krankheitsarten Muskel-Skelett, Atmung und Psyche identifiziert werden.
Seit 2003 ist Bernhard Badura über seine Beratungsgesellschaft Salubris aktiv im betrieblichen Gesundheitsmanagement. Den wissenschaftlichen Schwerpunkt seiner Arbeit legte er mit Beginn dieses Jahrtausends auf die psychomentalen Themen. Im Jahr 2012 erschien über die Bertelsmann Stiftung der Bericht "Die erschöpfte Arbeitswelt: Durch eine Kultur der Achtsamkeit zu mehr Energie, Kreativität, Wohlbefinden und Erfolg." Damit wurde Bernhard Badura einer der Pioniere der Forschung zu psychischen Erkrankungen im Setting Arbeit. Am 18. Januar 2023 wurde er von der hochkarätigen "Gesellschaft für Prävention" zum Schirmherrn gewählt.
Wir gratulieren Professor Badura ganz herzlich zum runden Geburtstag und wünschen uns, dass er uns noch viele Jahre mit seiner Expertise menschlich wie wissenschaftlich unterstützt. Die HR-Abteilungen und CEOs brauchen ihn in Zeiten von New Work dringender denn je. Einer seiner wohl wichtigsten Sätze, die ich von ihm gehört habe, geht mir beim Blick in die Unternehmen immer wieder durch den Kopf: "Nicht jeder Mitarbeiter, der krankgeschrieben ist, ist krank. Nicht jeder Mitarbeiter der arbeiten geht, ist gesund."
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