Betriebsvereinbarung darf nicht von Zustimmung der Belegschaft abhängig gemacht werden
In dem vom Bundesarbeitsgericht zu entscheidenden Fall hatten im Jahr 2007 die Arbeitgeberin und der Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung zu den variablen Vergütungsbestandteilen der im Lager beschäftigten Arbeitnehmer geschlossen. Diese sollte dann in Kraft treten, wenn die in deren Geltungsbereich fallenden Arbeitnehmer mit 80% der abgegebenen Stimmen innerhalb einer von dem Unternehmen jeweils gesetzte Frist einzelvertraglich schriftlich zustimmten.
Sollte das Zustimmungsquorum unterschritten werden, konnte die Arbeitgeberin „dies“ für ausreichend erklären. 87 % der Mitarbeiter des Betriebsteils Lager hatten der Betriebsvereinbarung „Variable Vergütung“ zugestimmt. In der Folge stellte sich heraus, dass eine frühere Anwesenheitsprämie gekürzt wurde und einige Arbeitnehmer weniger verdienten.
Mitarbeiter verdienten weniger – Betriebsrat fühlte sich getäuscht
Der Betriebsrat erklärte 2017 die Anfechtung der Betriebsvereinbarung wegen arglistiger Täuschung. Der frühere Geschäftsführer der Arbeitgeberin habe arglistig und vorsätzlich im Rahmen der Verhandlungen über die Betriebsvereinbarung mit der Aussage, dass sich die Vergütungssituation durch die Neuregelung der Betriebsvereinbarung nicht verschlechtere, getäuscht.
Der Betriebsrat begehrte erstinstanzlich die Feststellung der Nichtigkeit bzw. hilfsweise die Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung. Nachdem das Arbeitsgericht München die Anträge abgewiesen hatte, legte der Betriebsrat Beschwerde gegen die Entscheidung ein.
BAG: Betriebsvereinbarung gilt unmittelbar und zwingend
Nach Auffassung des Betriebsrats habe die Betriebsvereinbarung nicht mit dem Zustimmungsquorum zusammenhängen dürfen und sei daher unwirksam. Auch das LAG München wies die Beschwerde des Betriebsrats zurück. Erst die Rechtsbeschwerde vor dem BAG hatte Erfolg. Die Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung dürfe nicht von einer Zustimmung der Belegschaft abhängen, dies widerspreche den Strukturprinzipien der Betriebsverfassung, so die Erfurter Richter.
Gewählte Betriebsrat ist Repräsentant der Arbeitnehmer
Der gewählte Betriebsrat sei Repräsentant der Arbeitnehmer und handle als Organ der Betriebsverfassung in eigenem Namen.
- Er ist bei seinem Handeln weder an Weisungen der Arbeitnehmer gebunden
- noch bedarf es deren Zustimmung.
Daher gelte eine von ihm abgeschlossene Betriebsvereinbarung kraft Gesetzes „unmittelbar und zwingend“, so das Bundesarbeitsgericht. Daher sei ausgeschlossen, die Gültigkeit einer Betriebsvereinbarung an ein Zustimmungsquorum der Arbeitnehmer zu knüpfen und daher vorliegende Betriebsvereinbarung unwirksam.
(BAG, Beschluss v. 28.07.2020, 1 APR 4/19).
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