Schon Arbeitsunfall oder privates Unglück?

Arbeitsunfall als Glück im Unglück
Wenn ein Unfall als ein Arbeitsunfall klassifiziert wird, hat das für den Arbeitnehmer viele Vorteile. Die jeweilige Berufsgenossenschaft trägt hier die Kosten aller medizinischen Leistungen sowie die Kosten für die nachfolgende berufliche und soziale Wiedereingliederung. Der Patient erfährt oft eine bessere Behandlung in hochspezialisierten Unfallkliniken, und sog. Berufshelfer kümmern sich ganz individuell um seine Rehabilitation. Zudem zahlt die Berufsgenossenschaft bei bestimmten Dauerschäden eine Rente.
Nicht verwunderlich angesichts dessen ist es, dass immer wieder Sachverhalte vor die Sozialgerichte kommen, in denen es um die Anerkennung von Unfällen als Arbeitsunfall geht. So hatte das Landessozialgericht Baden-Württemberg in einem jetzt bekannt gewordenen Beschluss über einen besonders gelagerten Fall zu entscheiden.
Berufliches Gespräch als Dreh- und Angelpunkt
Einem Arbeitnehmer war auf dem Heimweg von seinem Arbeitsplatz aufgefallen, dass er seine Geldbörse im Büro hatte liegen lassen. Er kehrte daraufhin in den Betrieb zurück, um sie dort aus seinem Spind zu holen. Im Büro traf er Kollegen, die ihn noch kurz in ein wichtiges berufliches Gespräch verwickelten, bevor er sich erneut auf den Heimweg machte. Auf der zweiten Fahrt mit dem Motorrad nach Hause hatte der Mann einen schweren Unfall, aufgrund dessen er mehrere Wochen ins Koma fiel. Der gesetzliche Unfall-Versicherungsträger weigerte sich, diesen Unfall als Arbeitsunfall zu akzeptieren. Der Arbeitnehmer klagte und unterlag zunächst vor dem Sozialgericht Heilbronn, das den Unfall als privaten Unfall einschätzte, weil der Mann in den Betrieb aus eigenwirtschaftlich veranlassten Motiven – um seine Geldbörse zu holen – zurückgekehrt sei. Dass er letztendlich doch noch im Büro ein geschäftlich veranlasstes Gespräch geführt habe, ändere daran nichts. Die zweite Fahrt nach Hause sei daher als privat veranlasst zu werten.
Die Richter des Landessozialgerichts Baden-Württemberg schlossen sich dieser Meinung nicht an und gaben dem Arbeitnehmer Recht. Mit dem beruflichen Gespräch habe sich die Lage völlig geändert. Zu diesem Zeitpunkt habe der Mann seine berufliche Tätigkeit rein faktisch wieder aufgenommen. Dass das von ihm eigentlich nicht geplant gewesen sei bei der Rückkehr ins Büro, spiele dabei keine Rolle, allein entscheidend sei der aufgrund äußerer Indizien objektivierbare Sachzusammenhang. Ein Unfall steht unter Versicherungsschutz nach § 8 SGB VII, wenn der Weg wesentlich zu dem Zweck zurückgelegt wird, den Ort der Tätigkeit oder nach deren Beendigung im typischen Fall die eigene Wohnung zu erreichen. Genau dies lag hier wegen des geführten Gesprächs vor. Die erneute Heimfahrt habe daher unter dem Schutz des SGB VII gestanden.
(Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss v. 24.10.2012, L 2 U 5220/10).
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