A. Begriff der Unternehmensnachfolge
Rz. 1
Der Begriff der Unternehmensnachfolge ist in aller Munde. Die damit verbundenen Vorstellungen sind aber nicht immer identisch. Vielfach wird unter Unternehmensnachfolge die Weitergabe des eigenen Unternehmens an die nächste Generation verstanden. Dies stellt jedoch nur eine von vielen denkbaren Varianten dar.
Rz. 2
Bei Licht betrachtet, ist bereits der Begriff "Unternehmensnachfolge" (auch wenn er im Folgenden in diesem Buch Verwendung finden soll) irreführend gewählt. Denn im Kern geht es nicht darum, einem bestehenden Unternehmen ein anderes nachfolgen zu lassen – im Gegenteil: das bestehende Unternehmen soll möglichst erhalten werden. Nicht die Zeit des Unternehmens läuft ab, wodurch eine Nachfolge erforderlich wird. Vielmehr ist es der Unternehmer, dessen Tage gezählt sind und dem daher ein anderer Unternehmer nachfolgen soll, damit dieser den weiteren Fortbestand des Unternehmens sichern kann. Richtiger wäre es vor diesem Hintergrund also, nicht von Unternehmensnachfolge, sondern von "Unternehmernachfolge" zu sprechen. Das mag auf den ersten Blick nach Haarspalterei klingen. Dennoch hilft diese Unterscheidung, den Fokus auf die Gestaltungsaufgabe zu lenken, um die es tatsächlich geht: Nämlich die Überleitung sowohl des Eigentums am Unternehmen als auch der unternehmerischen Verantwortung (Geschäftsführung, Management) vom bisherigen Unternehmer auf einen oder mehrere Nachfolger.
Rz. 3
Allerdings bedarf auch dieser Definitionsversuch der weiteren Einschränkung. Denn eine Änderung des Unternehmenseigners findet auch im Rahmen ganz gewöhnlicher Unternehmenskauf- bzw. -verkaufstransaktionen statt, ohne dass man deswegen landläufig von einer Gestaltung im Rahmen der Unternehmensnachfolge sprechen würde. Ein prägendes Element der Unternehmensnachfolge besteht sicherlich darin, dass der Fortbestand des Unternehmens gesichert werden soll.
Rz. 4
Dies bildet dann eine besondere Herausforderung, wenn der Unternehmer als Träger (insbesondere Eigentümer, mitunter aber auch Manager) des Unternehmens nicht unsterblich ist. Dies trifft auf natürliche Personen regelmäßig zu, nicht aber auf Personen- oder gar Kapitalgesellschaften. Vor diesem Hintergrund besteht ein Regelungsbedürfnis im Hinblick auf die Unternehmensnachfolge von vornherein nur bei solchen Unternehmen, die von einer bzw. einer vergleichsweise kleinen Gruppe natürlicher Personen – wenigstens mittelbar – beherrscht oder dominiert werden. Denn nur bei solchen Eigentums- bzw. Führungsstrukturen sind überhaupt Unternehmer vorhanden, deren Nachfolge abzusichern ist. Anders stellt sich die Lage bei Publikumsgesellschaften dar, bei denen die Zusammensetzung des Gesellschafterkreises schwer überschaubar ist und mitunter – jedenfalls aus Sicht des Unternehmens selbst – zufällig erscheint. Hier hat beispielsweise der Tod oder auch der Veräußerungsentschluss eines Streubesitz-Aktionärs keinerlei Auswirkungen auf den Fortbestand des Unternehmens oder die Art und Weise seiner operativen Führung.
Rz. 5
Unternehmensnachfolge meint also die Überleitung der Eigentümerstellung (mit oder ohne Managementverantwortung) von einer oder mehreren natürlichen Personen an einen oder mehrere Nachfolger zum Zwecke der Fortführung des Unternehmens. Es handelt sich um eine Gestaltungsaufgabe, die ausschließlich in Familienunternehmen (zum Begriff vgl. unten Rdn 7) eine Rolle spielt.
In vielen Fällen stammt der potentielle Nachfolger aus der Familie des aktuellen Eigentümers, der das Unternehmen entweder selbst gegründet oder ebenfalls von seinen Vorfahren übernommen hat. Die Erhaltung des Familienunternehmens für die Familie zählt hierbei oftmals zu den wesentlichen Gestaltungszielen.
B. Gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Unternehmensnachfolge
I. Gesamtwirtschaftliche Bedeutung von Familienunternehmen
Rz. 6
Angesichts der teilweise unvorstellbar hohen Börsenkapitalisierungen von Publikumsgesellschaften wird die Bedeutung von Familienunternehmen für die Volkswirtschaft in der Öffentlichkeit mitunter nicht richtig wahrgenommen. Auch der Umstand, dass eine einheitliche Definition des Begriffs nicht vorhanden ist, mag ein Übriges hierzu beitragen.
Rz. 7
Ungeachtet der Definitionsunterschiede im Detail kann man allgemein wohl davon ausgehen, dass der Begriff des Familienunternehmens deutlich über den des Familienbetriebes hinausgeht. Denn Letzterer meint im allgemeinen Sprachgebrauch in erster Linie Unternehmungen, die ausschließlich einer Familie gehören und in denen vor allem Familienmitglieder, ggf. auch wenige Angestellte, beschäftigt sind. Familienunternehmen im hier verwendeten Sinne können jedoch auch sehr große Unternehmungen sein, wenn sie sich mehrheitlich im Besitz einer Familie befinden. Das trifft beispielsweise auch auf Großunternehmen wie Aldi, Würth, Haniel, Bertelsmann und Bosch zu. Auch DAX-Unternehmen wie Porsche, Henkel, Metro und ...