Rz. 45
Auch wenn für die Bearbeitung des Mandats eine Abrechnung auf der Grundlage des RVG und daher nach dem Gegenstandswert erfolgt, muss der Rechtsanwalt nach § 49b Abs. 5 BRAO den Mandanten hierauf bereits vor der Mandatsübernahme ausdrücklich hinweisen.
Praxishinweis
Es ist daher ratsam, sich den erfolgten Hinweis ausdrücklich, d.h. schriftlich, vom Mandanten bestätigen zu lassen, z.B. im Zusammenhang mit einer Auftragsbestätigung. Die genaue Beachtung der Hinweispflicht nach § 49b Abs. 5 BRAO ist nicht zuletzt gerade wegen der häufig hohen Gegenstandwerte bei erbrechtlichen Mandaten zur Vermeidung von Einwendungen gegen die Vergütungsabrechnung von besonderer Bedeutung.
Rz. 46
Als problematisch erscheint hierbei häufig, dass im Rahmen der Mandatsannahme gegenüber dem Mandanten noch keine genauen Auskünfte über die Höhe des Gegenstandswertes gemacht werden können, da gerade in den Fällen der Erbauseinandersetzung und Fällen der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen der zugrunde zu legende Wert erst nach annähernd gesicherten Kenntnissen über den Wert des Nachlasses und dem sich daraus ergebenden Wert des Interesses des Mandanten (§ 3 ZPO) ermittelt bzw. geschätzt werden kann.
Rz. 47
Unbeschadet der rechtlichen Verpflichtung des Rechtsanwalts zur Aufklärung des Mandanten über die anfallende Vergütung ist eine sorgfältige Unterrichtung des Mandanten über die mit der Tätigkeit des Rechtsanwalts verbunden Vergütung nach dem RVG ohnehin zur Vermeidung von Streitigkeiten im Rahmen der Gebührenabrechnung dringend anzuraten. Insbesondere sollte dabei bereits von vornherein die Frage des vom Rechtsanwalt in Bezug auf Rahmengebühren nach § 14 RVG beabsichtigten Gebührensatzes offen angesprochen werden. Denn in einer Vielzahl der erbrechtlichen Mandate ist der Ansatz der Regelgebühr (Gebührensatz von 1,3 bei Geschäftsgebühr nach VV 2300 RVG) im Hinblick auf Umfang und Schwierigkeit des Mandates nicht gerechtfertigt. Zur Streitvermeidung ist es empfehlenswert, den Mandanten von vornherein darauf hinzuweisen, dass das erbrechtliche Mandat regelmäßig arbeitsintensiver, haftungsträchtiger und komplexer als ein "normales" Mandat ist und daher eher eine 1,5–2,0 Gebühr anfallen wird. Ggf. kann auch direkt ein entsprechender Gebührensatz vereinbart werden.
Rz. 48
In erbrechtlichen Mandaten kommt es häufig zu der Situation, dass der Rechtsanwalt in derselben Angelegenheit für mehrere Auftraggeber tätig wird. Der Vorschrift des § 7 RVG sowie dem unter VV 1008 RVG geregelten Mehrvertretungszuschlag kommt folglich gerade bei erbrechtlichen Mandaten besondere Bedeutung zu.
Nach § 7 RVG erhält der Rechtsanwalt nur einmal die Gebühren, wenn er in derselben Angelegenheit für mehrere Auftraggeber tätig wird. Allerdings erhöht sich nach VV 1008 RVG die Verfahrens- oder Geschäftsgebühr für jeden weiteren Auftraggeber um 0,3, wobei auch mehrere Erhöhungen einen Gebührensatz von 2,0 nicht übersteigen dürfen (VV 1008 Abs. 3 Hs. 1 RVG). Mehrere Auftraggeber können beispielsweise sein:
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Ehegatten; |
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Erbengemeinschaft: Die Miterben sind bei einem Auftrag erst nach dem Tod des Erblassers grundsätzlich mehrere Auftraggeber, anders allerdings, wenn der Anwalt den Auftrag schon vom Erblasser erhalten hatte (Fortsetzung des Einzelauftrags) oder nur ein Miterbe den Anwalt – nicht im Auftrag der Erbengemeinschaft – mandatiert; |
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mehrere Testamentsvollstrecker. |
Voraussetzung ist, dass der Anwalt in derselben Angelegenheit tätig wird. Bei Gegenstandsverschiedenheit kommt es hingegen zur Addition der Gegenstandswerte gem. § 22 Abs. 1 RVG (z.B. Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen für mehrere Pflichtteilsberechtigte).
Rz. 49
Die Streitfrage, ob das Entwerfen eines Testaments eine Geschäfts- oder eine reine Beratungstätigkeit des Anwalts darstellt, ist zwischenzeitlich höchstrichterlich entschieden. In seiner Entscheidung vom 22.2.2018 hat der BGH wegen des Fehlens einer nach außen gerichteten Tätigkeit ersteres für ein einseitiges Testament für zutreffend erklärt. Mit Urteil vom 15.4.2021 hat er dies nun auch für gemeinschaftliche Testamente bekräftigt und damit auch der Variante der Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrages eine Absage erteilt. Es spielt also keine Rolle, ob es sich um ein einseitiges, mehrere aufeinander abgestimmte oder ein gemeinschaftliches Testament handelt.
Rz. 50
In den meisten Fällen ist die Gebührenzusage der Rechtsschutzversicherungsgesellschaften auf ein erstes Beratungsgespräch in Anwendung des § 34 Abs. 1 RVG (teilweise sogar auf einen Höchstbetrag von 190 EUR netto) beschränkt. Mündet diese Beratung in einer Vertretung nach außen oder fällt sie mit "einer anderen gebührenpflichtigen Tätigkeit" zusammen, ist die Versicherung in der Regel nicht eintrittspflichtig. Hierüber ist der Mandant ebenso aufzuklären wie darüber, dass die lediglich "vorsorgliche Beratung" (Neufassung oder Umgestaltung des Testaments) in der Regel ebenfalls nicht versichert ist. In manchen Fällen lohnt sic...