Rz. 85
Voraussetzung des § 627 Abs. 1 BGB ist, dass der zur Dienstleistung Verpflichtete Dienste höherer Art zu leisten hat, die aufgrund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen. Der gesetzgeberische Grund für die ggü. § 626 BGB erleichterte, jederzeitige Möglichkeit zur Lösung eines Dienstverhältnisses i.S.d. § 627 BGB liegt in dem besonderen Vertrauen, von dem derartige Dienstverhältnisse getragen werden. Dieses kann schon durch unwägbare Umstände und rational nicht begründbare Empfindungen gestört werden, die objektiv keinen wichtigen Grund zur Kündigung darstellen. Bei derartigen, auf persönliches Vertrauen ausgerichteten Dienstverhältnissen soll die Freiheit der persönlichen Entschließung eines jeden Teils im weitesten Ausmaß gewährleistet werden.
Ein Anwaltsvertrag oder Steuerberatervertrag wird allgemein als ein Dienstvertrag angesehen, aufgrund dessen der Berater i.S.d. § 627 Abs. 1 BGB verpflichtet ist, Dienste höherer Art zu leisten, die aufgrund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen. Dienste höherer Art können solche sein, die besondere Fachkenntnis, Kunstfertigkeit oder wissenschaftliche Bildung voraussetzen oder die den persönlichen Lebensbereich betreffen. Insoweit können auch nicht dem Steuerberater oder Rechtsanwalt vorbehaltene Tätigkeiten (z.B. Finanz- und Lohnbuchführung) als Dienste höherer Art anzusehen sein, wenn sie Bestandteil eines einheitlichen Dienstvertrages sind, der auch die rechtliche oder steuerliche Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat.
Rz. 86
Dienste höherer Art erfordern, dass die Dienste üblicherweise nur infolge besonderen persönlichen Vertrauens übertragen werden. Ein solches besonderes Vertrauen wird i.d.R. nur Personen, nicht aber Instituten oder Unternehmen entgegengebracht. Die Anwendbarkeit von § 627 BGB auf Berufsausübungsgesellschaften könnte daher zweifelhaft sein. Tatsächlich wird nur die Annahme eines "typisierten persönlichen Vertrauens" in Abhängigkeit von der Art der Dienste den Realitäten gerecht werden können. Eine Vielzahl von Beratungsleistungen wird von Einmann- oder kleinen GmbHs erbracht. Dann wird regelmäßig der oder den Handelnden das erforderliche persönliche Vertrauen entgegengebracht. Gleiches gilt bei der Beauftragung einer Sozietät oder Partnerschaft für den oder die sachbearbeitenden Berufsträger. Um solche eindeutigen Sachverhalte zu erfassen und schwierige bis unmögliche Abgrenzungen zu vermeiden, ist lediglich auf die Art der Dienste abzustellen. Eine solche Abstrahierung ist auch im Gesetz selbst angelegt ("… übertragen zu werden pflegen."). Mit der Interessenlage der Beteiligten ist dieses Verständnis zwanglos vereinbar. Die persönliche Entschließungsfreiheit des Auftraggebers bleibt gewahrt; aufseiten des Auftragnehmers wird die zu schützende Existenzsicherung umso weniger tangiert sein, je größer die Gesellschaft ist. Entsprechend hat die Rechtsprechung § 627 Abs. 1 BGB ohne besondere Begründung auf den Dienstvertrag einer Steuerberatungsgesellschaft angewendet.