Rz. 304

Bezieht sich der Verfahrensauftrag auf denselben Gegenstand, so erhält der Anwalt die Gebühren ebenfalls nur einmal und nur aus dem Wert dieses Gegenstandes. Jedoch erhöht sich die Verfahrensgebühr gemäß Nr. 1008 VV RVG für jeden weiteren Auftraggeber um 0,3. Der Höchstsatz beträgt bei mehreren Erhöhungen 2,0 (Anm. Abs. 3).

 

Rz. 305

 

Beispiel

Anwalt A wird vom Haftpflichtversicherer V mit der Vertretung in einem Verfahren beauftragt, in welchem V sowie Fahrer F und Halter H auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 10.000 EUR verklagt werden. Nach mündlicher Verhandlung wird die Klage abgewiesen.

A erhält für diesen Auftrag, der sich auf denselben Gegenstand bezog, eine 1,3-Verfahrensgebühr aus 10.000 EUR, die für zwei weitere Auftraggeber um insgesamt 0,6 erhöht wird. Neben der 1,9-Verfahrensgebühr kann er eine 1,2-Terminsgebühr sowie Auslagenpauschale und Umsatzsteuer abrechnen.

 

Rz. 306

Die erhöhte Verfahrensgebühr berechnet sich aber stets nur nach demjenigen Wert, an dem die Auftraggeber gemeinschaftlich beteiligt sind.

 

Rz. 307

 

Beispiel

E ist Eigentümer und Halter eines Fahrzeugs, das bei einem Verkehrsunfall durch G beschädigt wurde. E beauftragt Anwalt A, den Sachschaden in Höhe von 12.000 EUR einzuklagen. G erhebt Widerklage gegen E, sowie Drittwiderklage gegen den Fahrer F und den Haftpflichtversicherer V auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 7.000 EUR. Auch F und V beauftragen daraufhin A mit ihrer Vertretung im Verfahren. Nach mündlicher Verhandlung wird der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.

Der Wert beläuft sich zwar insgesamt auf 19.000 EUR. Die Beteiligung der drei Auftraggeber des A ist allerdings unterschiedlich: An einem Teilwert von 12.000 EUR ist nur E beteiligt, da weder F noch V etwas mit der Geltendmachung des Sachschadens gegen G zu tun haben. An einem Teilwert von 7.000 EUR sind alle drei Auftraggeber beteiligt, da sie alle für den Sachschaden des G haften können.

Die Gebühren des A berechnen sich entsprechend der Teilwerte[203] wie folgt:

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100    
aus 12.000 EUR 865,80 EUR  
2. 1,9-Verfahrensgebühr, VV 3100, 1008    
aus 7.000 EUR 847,40 EUR  
gemäß § 15 Abs. 3 RVG max. 1,9 aus 19.000 EUR 1.463,00 EUR
3. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104    
aus 19.000 EUR   924,00 EUR
4. Auslagenpauschale, VV 7002   20,00 EUR
Zwischensumme 2.407,00 EUR  
5. Umsatzsteuer, VV 7008   457,33 EUR
Gesamt   2.864,33 EUR
 

Rz. 308

Nach anderer Ansicht ist in solchen Fällen aus dem Gesamtwert eine 1,3-Verfahrensgebühr zu berechnen und aus dem Wert der gemeinschaftlichen Beteiligung eine 0,6-Erhöhungsgebühr.[204] Dies ist schon deshalb unzutreffend, weil das Gesetz keine Erhöhungsgebühr kennt, sondern nur eine Erhöhung der Geschäfts- bzw. Verfahrensgebühr.

 

Rz. 309

 
Praxis-Beispiel

Die Gebühren würden sich nach dieser Meinung wie folgt berechnen:

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100    
aus 19.000 EUR   1.001,00 EUR
2. 0,6-Erhöhungsgebühr, VV 1008    
aus 7.000 EUR   267,60 EUR
3. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104    
aus 19.000 EUR   924,00 EUR
4. Auslagenpauschale, VV 7002   20,00 EUR
Zwischensumme 2.212,60 EUR  
5. Umsatzsteuer, VV 7008   420,39 EUR
Gesamt   2.632,99 EUR
 

Rz. 310

Die Entstehung der erhöhten Verfahrensgebühr bei mehreren Auftraggebern ist selten problematisch. Die Schwierigkeiten liegen eher auf der Ebene der Erstattung, wenn von mehreren Streitgenossen nur einige bzw. die Streitgenossen nur teilweise obsiegen und sodann zu prüfen ist, welchen Erstattungsanspruch dieser Streitgenosse – der die Anwaltskosten im Innenverhältnis möglicherweise nicht in vollem Umfang zu tragen hat – gegen den Gegner geltend machen kann (zu den Einzelheiten vgl. § 3 Rdn 81 ff.).

 

Rz. 311

Ein weiteres Problem stellt sich in diesem Bereich, wenn sich die Streitgenossen nicht durch denselben, sondern jeder durch einen eigenen Anwalt vertreten lassen und der Gegner im Rahmen der Erstattung einwendet, es seien allenfalls die für eine fiktive Mehrvertretung erhöhten Gebühren zu erstatten, da die Beauftragung mehrerer Anwälte einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht darstellt.

[203] Vgl. OLG Hamburg MDR 1978, 767; LG Bonn Rpfleger 1995, 384; AG Augsburg AGS 2008, 434; Engels, MDR 2001, 355; Schneider, Das verkehrsrechtliche Mandat, § 8 Rn 494; Mayer/Kroiß (Dinkat), RVG, VV1008 Rn 7; Hergenröder, AGS 2007, 53; N. Schneider, ProzessRB 2003, 130; N. Schneider, AnwBl 2008, 773; AnwK-RVG (Volpert), VV 1008 Rn 72.
[204] Gerold/Schmidt (Müller-Rabe), RVG, VV 1008 Rn 227 ff.; OLG Düsseldorf JurBüro 1990, 601; OLG Hamburg MDR 2001, 56; OLG München MDR 1998, 1439; OLG Köln JurBüro 1987, 692; OLG Saarbrücken JurBüro 1988, 189; LG Freiburg Rpfleger 1982, 393.

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