Dr. Julia Bettina Onderka, Dr. Michael Pießkalla
Rz. 216
Vertritt der Anwalt im gerichtlichen Verfahren mehrere Auftraggeber, so erhöht sich die Verfahrensgebühr für jeden weiteren Auftraggeber um 0,3 – maximal auf einen Erhöhungssatz von 2,0. Die erhöhte Gebühr bezieht sich aber nur auf denjenigen Gegenstand, an dem die Auftraggeber gemeinschaftlich beteiligt sind.
Rz. 217
Beispiel
E ist Eigentümer und Halter eines Fahrzeugs, das bei einem Verkehrsunfall beschädigt wurde. Er beauftragt Anwalt A, den Sachschaden in Höhe von 12.000 EUR gegenüber dem Unfallgegner G einzuklagen. G erhebt Widerklage gegen E sowie gegen Fahrer F und Haftpflichtversicherer V auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 7.000 EUR. Auch F und V beauftragen daraufhin A mit ihrer Vertretung im Klageverfahren.
Insgesamt beläuft sich der Gegenstandswert auf 19.000 EUR (§ 22 Abs. 1 RVG). Die Beteiligung der drei Auftraggeber des A ist allerdings unterschiedlich: An einem Teilwert von 12.000 EUR ist nur E beteiligt, da weder F noch V etwas mit der Geltendmachung des Sachschadens zu tun haben. An einem Teilwert von 7.000 EUR sind alle drei Auftraggeber beteiligt, da sie alle für den Sachschaden des G haften können.
Die Gebühren des A berechnen sich entsprechend der Teilwerte wie folgt:
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 |
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aus 12.000 EUR |
865,80 EUR |
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2. 1,9-Verfahrensgebühr, VV 3100, 1008 |
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aus 7.000 EUR |
847,40 EUR |
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gemäß § 15 Abs. 3 RVG max. 1,9 aus 19.000 EUR |
1.463,00 EUR |
3. Auslagenpauschale, VV 7002 |
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20,00 EUR |
Zwischensumme |
1.483,00 EUR |
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4. Umsatzsteuer, VV 7008 |
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281,77 EUR |
Gesamt |
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1.764,77 EUR |
Die Gegenmeinung hält § 15 Abs. 3 RVG in diesen Fällen nicht für anwendbar. Sie ermittelt zunächst eine 1,3-Verfahrensgebühr aus dem gesamten Streitwert und nimmt sodann für den Teil mit demselben Gegenstand die Erhöhung vor.
Rz. 218
Eine Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG findet aber nicht statt, wenn der Anwalt für eine im Wege des Direktanspruchs mitverklagte Partei und zugleich für diese als Streithelfer einer anderen Partei tätig wird. Denn in diesem Fall vertritt er nicht mehrere Auftraggeber, sondern nur einen Auftraggeber, der in verschiedenen Rollen am Verfahren teilnimmt.
Rz. 219
Beispiel
Der Anwalt vertritt den Haftpflichtversicherer, der vom Unfallgegner (Kläger) im Wege des Direktanspruchs als Beklagter in Anspruch genommen wird. In demselben Rechtsstreit ist der Haftpflichtversicherer den durch einen eigenen Anwalt vertretenen anderen Beklagten (Fahrer und Halter) als Streithelfer beigetreten, weil wegen des Einwands der Unfallmanipulation eine Interessenkollision nicht ausgeschlossen werden konnte. Der Anwalt des Haftpflichtversicherers vertritt in einer solchen Konstellation nicht mehrere Auftraggeber, sondern nur den Haftpflichtversicherer, der sowohl die Rolle des Beklagten zu 3) als auch die Rolle des Streithelfers einnimmt.