Rz. 284

Wird das gerichtliche Verfahren ganz oder teilweise durch eine Einigung der Parteien beendet, kann der Anwalt neben der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG auch noch eine Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG verdienen. Es handelt sich um eine Erfolgsgebühr, die eine wirksame Einigung der Parteien, nicht jedoch einen Vergleich im Sinne eines gegenseitigen Nachgebens (§ 779 BGB) voraussetzt. An dieser Einigung muss der Anwalt ursächlich mitgewirkt haben, wobei sich die Höhe seiner Vergütung danach richtet, inwieweit die von der Einigung betroffenen Ansprüche anderweitig anhängig sind.

1. Auftrag

 

Rz. 285

Voraussetzung ist zunächst, dass dem Anwalt ein entsprechender Auftrag erteilt wurde. Dies kann entweder ausdrücklich oder konkludent geschehen, beispielsweise wenn der im Termin anwesende Mandant einem Vergleichsabschluss nicht widerspricht. Um spätere Diskussionen mit dem Mandanten zu vermeiden, der womöglich geltend macht, er habe den Inhalt und die genauen Auswirkungen des Vergleichs nicht verstanden bzw. nicht nachvollziehen können, hat eine entsprechende Aufklärung durch den Anwalt über die Vor- und Nachteile zu erfolgen.

 

Rz. 286

In der Praxis scheitert bedauerlicherweise eine Vielzahl von Vergleichsabschlüssen in Verkehrsunfallsachen an dem Unwillen der hinter den Parteien stehenden bzw. mitverklagten Haftpflichtversicherer, deren Sachbearbeiter eher eine (ungünstigere) gerichtliche Entscheidung als einen selbstverantworteten Vergleichsabschluss zu akzeptieren scheinen.

2. Einigung

 

Rz. 287

Eine Einigung im Sinne von Nr. 1000 VV RVG liegt vor, wenn die Parteien den Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigen. Ein gegenseitiges Nachgeben, wie bei einem Vergleich nach § 779 BGB, ist nicht erforderlich, so dass auch einseitige Zugeständnisse wie z.B. eine teilweise Kostenübernahme oder die Einräumung einer Ratenzahlungsmöglichkeit ausreichen.

 

Rz. 288

 

Beispiel

Fahrer F verlangt von seinem Unfallgegner G Schadensersatz und Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 EUR. G beruft sich auf eine Mithaftung des F. Nach Beweisaufnahme legt das Gericht in der mündlichen Verhandlung dar, dass es von einer Alleinhaftung des G ausgehe. Aufgrund finanzieller Schwierigkeiten des G einigen sich die Parteien, dass G den Betrag in 20 monatlichen Raten zu je 500 EUR mit entsprechender Verzinsung zahlt.

Der Anwalt des F kann folgende Gebühren aus einem Wert von 10.000 EUR abrechnen:

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100   798,20 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104   736,80 EUR
3. 1,0-Einigungsgebühr, VV 1003   614,00 EUR
4. Auslagenpauschale, VV 7002   20,00 EUR
Zwischensumme 2.169,00 EUR  
5. Umsatzsteuer, VV 7008   412,11 EUR
Gesamt   2.581,11 EUR
 

Rz. 289

Gemäß Abs. 1 Nr. 2 der Anmerkung zu Nr. 1000 VV RVG fällt die Einigungsgebühr auch beim Abschluss von (Raten-)Zahlungsvereinbarungen an. Allerdings liegt auch weiterhin keine Einigung im Sinne von Nr. 1000 VV RVG vor, wenn der Vertrag zwischen den Parteien sich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht beschränkt.

 

Rz. 290

 

Beispiel

Im obigen Beispiel erkennt G den Klageanspruch nach Beweisaufnahme an, so dass ein entsprechendes Anerkenntnisurteil ergeht.

In diesem Fall kann A nur die Verfahrens- und die Terminsgebühr abrechnen.

3. Vergütung

 

Rz. 291

Der Anwalt erhält die Einigungsgebühr sowohl für die Mitwirkung beim Abschluss der Einigung als auch für die Mitwirkungen bei den Einigungsverhandlungen, wenn diese Mitwirkung (zumindest mit-)ursächlich war. Voraussetzung ist stets, dass die Einigung wirksam zustande kommt, also eventuelle Widerrufsfristen verstrichen bzw. Bedingungen eingetreten sind (vgl. Abs. 3 der Anm. zu Nr. 1000 VV RVG).

 

Rz. 292

Die Einigungsgebühr beträgt für die im Verfahren anhängigen Ansprüche 1,0 (Nr. 1003 VV RVG). Kommt die Einigung erst im Berufungs- oder Revisionsverfahren zustande, beträgt die Einigungsgebühr 1,3 (Nr. 1004 VV RVG). Bezieht sich die Einigung der Parteien darüber hinaus auf Ansprüche, die nicht gerichtlich anhängig sind, greift die 1,5-Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG ein.

 

Rz. 293

 

Beispiel

F verklagt G auf Zahlung von Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall in Höhe von 5.000 EUR. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vergleichen sich die Parteien über diese Forderung sowie über einen Schmerzensgeldanspruch des G (2.500 EUR), den dieser noch nicht eingeklagt hat.

Hinsichtlich der Einigungsgebühr ist hier zwischen den verschiedenen Ansprüchen zu differenzieren: Aus einem Wert von 5.000 EUR ist eine 1,0-Einigungsgebühr nach Nr. 1003 VV RVG entstanden, aus einem Wert von 2.500 EUR eine 1,5-Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG. Gemäß § 15 Abs. 3 RVG kann insgesamt nicht mehr verlangt werden als eine 1,5-Einigungsgebühr aus 7.500 EUR.

4. Rechtsschutzversicherung

 

Rz. 294

Die Gebühr für eine gerichtliche Einigung wird im Rahmen eines bestehenden Verkehrsrechtsschutzes grundsätzlich vom Rechtsschutzversicherer übernommen. Hier ist allerdings eine Einschränkung durch die ARB zu beachten, die in der Praxis nicht unerhebliche Auswirkungen hat: Nach § 5 Abs. 3b ARB 2010 trägt der Versicherer die Koste...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?