Rz. 249
Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats steht dem Geschädigten in Abweichung vom Wirtschaftlichkeitsgebot ausnahmsweise ein Anspruch auf Ersatz des den Wiederbeschaffungswert des beschädigten Fahrzeugs um bis zu 30 % übersteigenden Reparaturaufwands (Reparaturkosten zuzüglich einer etwaigen Entschädigung für den merkantilen Minderwert) zu, wenn er ein besonderes Integritätsinteresse zum Ausdruck bringt. Dies setzt voraus, dass er den Zustand des ihm vertrauten Fahrzeugs wie vor dem Unfall wiederherstellt, um es nach der Reparatur weiter zu nutzen. Von einer Wiederherstellung in diesem Sinne kann dabei nur dann ausgegangen werden, wenn die Reparatur fachgerecht und in einem Umfang durchgeführt wird, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat.
Rz. 250
Die Instandsetzung eines beschädigten Fahrzeugs ist demgegenüber wirtschaftlich unvernünftig, wenn der Reparaturaufwand (Reparaturkosten zuzüglich einer etwaigen Entschädigung für den merkantilen Minderwert) den Wiederbeschaffungswert um mehr als 30 % übersteigt. In einem solchen Fall, in dem das Kraftfahrzeug nicht mehr reparaturwürdig ist, kann der Geschädigte vom Schädiger grundsätzlich nur den Ersatz des Wiederbeschaffungsaufwands, also den Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwerts, verlangen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Geschädigte auf der Grundlage eines entsprechenden Gutachtens den Weg der Schadensbehebung mit dem vermeintlich geringeren Aufwand wählt, die Reparatur aber teurer wird und ihm nicht ausnahmsweise ein (Auswahl-)Verschulden zur Last fällt; denn das Werkstatt- und das Prognoserisiko geht zu Lasten des Schädigers. Lässt der Geschädigte sein Fahrzeug dagegen reparieren, obwohl der voraussichtliche Instandsetzungsaufwand nach der Schadensschätzung des vom ihm beauftragten Sachverständigen – wie hier – mehr als 30 % über dem Wiederbeschaffungswert des unfallbeschädigten Kraftfahrzeugs liegt und erweist sich die Schätzung des Sachverständigen als zutreffend, ist der Ersatzanspruch der Höhe nach auf den Wiederbeschaffungsaufwand beschränkt. Die Reparaturkosten können dann insbesondere nicht in einen vom Schädiger auszugleichenden wirtschaftlich vernünftigen Teil (bis zu 130 % des Wiederbeschaffungswerts) und einen vom Geschädigten selbst zu tragenden wirtschaftlich unvernünftigen Teil aufgespalten werden.
Rz. 251
Wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, bestimmen die Angaben des vom Geschädigten beauftragten Sachverständigen zur Höhe der voraussichtlich anfallenden Reparaturkosten nicht verbindlich den Geldbetrag, den der Geschädigte als Schadensersatz gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB beanspruchen kann. Der Geschädigte ist insbesondere nicht gehindert, den Angaben des Sachverständigen konkret entgegenzutreten und geltend zu machen, der von diesem ermittelte Betrag gebe den zur Herstellung objektiv erforderlichen Betrag nicht zutreffend wieder. Diese Frage ist dann im Rechtstreit – im Falle des Bestreitens durch den Gegner auf entsprechenden Beweisantrag des Geschädigten durch Einholung eines Sachverständigengutachtens – einer Klärung zuzuführen.
Rz. 252
Dementsprechend hat der Senat entschieden, dass dem Geschädigten in den Fällen, in denen die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten zwar über der 130 %-Grenze liegen, es dem Geschädigten aber – auch unter Verwendung von Gebrauchtteilen – gelungen ist, eine nach Auffassung des sachverständig beratenen Gerichts fachgerechte und den Vorgaben des Gutachtens entsprechende Reparatur durchzuführen, deren Kosten unter Berücksichtigung eines merkantilen Minderwerts den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen, ein Anspruch auf Ersatz der konkret angefallenen Reparaturkosten zusteht.
Rz. 253
Der Senat hat bisher offengelassen, ob ein entsprechender Ersatzanspruch auch dann besteht, wenn abweichend von der Schätzung des vorgerichtlichen Sachverständigen für die vollständige und fachgerechte Reparatur des Fahrzeugs Kosten entstehen, die sich unter Berücksichtigung eines merkantilen Minderwerts auf 101 % bis 130 % des Wiederbeschaffungswerts belaufen. Diese Frage ist nunmehr zu bejahen. Gelingt es dem Geschädigten entgegen der Einschätzung des von ihm beauftragten Sachverständigen zur Überzeugung des Tatrichters, die erforderliche Reparatur – auch unter Verwendung von Gebrauchtteilen – innerhalb der 130 %-Grenze fachgerecht und in einem Umfang durchzuführen, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat, und stellt er damit den Zustand seines Fahrzeugs wie vor dem Unfall wieder her, um es nach der Reparatur weiter zu nutzen, kann ihm die "Integritätsspitze" von 30 % nicht versagt werden. In diesem Fall wird der gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ersatzfähige Betrag durch den tatsächlich entstandenen Reparaturaufwand und nicht die hiervon abweichende Einschätzung des vorgerichtlichen Sachverständigen abgebildet. Der Geschädigte kann dann Ersatz der tatsächlich angefallenen Reparaturkosten und des merkantilen Minderwert...