Rz. 119

In der Praxis finden sich im Rahmen der lebzeitigen Übertragung von Immobilienvermögen immer wieder vertraglich vorbehaltene "freie" Rückforderungsrechte, nach denen der Veräußerer jederzeit und grundlos die Rückforderung verlangen kann. Zivilrechtlich ist eine solche Vereinbarung grundsätzlich wirksam (allerdings steht sie dem Anlauf der Zehnjahresfrist i.S.d. § 2325 Abs. 3 BGB im Rahmen der Pflichtteilsergänzung entgegen[87]).

 

Rz. 120

Schenkungsteuerlich sind freie Rückforderungsrechte unschädlich.[88] Insbesondere entsteht die Steuer gem. § 9 Abs. 1 ErbStG mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung, bei einer Schenkung von Grundbesitz grundsätzlich mit Auflassung i.S.d. § 925 BGB sowie Eintragungsbewilligung i.S.d. § 19 GBO (siehe § 9 Rdn 18>).

 

Hinweis

Ein "freies Rückforderungsrecht" (wohl auch, wenn es kumulativ zu einem Vorbehaltsnießbrauch vereinbart wird), nach dem der Schenker jederzeit und grundlos die Rückforderung verlangen kann, steht der (unverzögerten) Entstehung der Steuer gem. § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG nicht entgegen.[89]

 

Rz. 121

Allerdings können freie Rückforderungsrechte ungewollte einkommensteuerrechtliche Folgen haben. Insbesondere können sie zu einem Verbleib des wirtschaftlichen Eigentums i.S.d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 AO beim Veräußerer führen,[90] diesem also z.B. die Erträge weiterhin zugerechnet werden.

 

Rz. 122

Hat sich der Schenker etwa einen Nießbrauch vorbehalten, ist ihm der Schenkungsgegenstand einkommensteuerrechtlich weiterhin zuzurechnen (siehe Rdn 92 ff.>). Verzichtet er später lebzeitig auf den Nießbrauch und besteht ein freies Rückforderungsrecht, wird die Finanzverwaltung u.U. den Verbleib des wirtschaftlichen Eigentums i.S.d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 AO beim vormaligen Nießbraucher bejahen.

 

Rz. 123

Im Rahmen der Übertragung von Personengesellschaftsanteilen kann die Vereinbarung eines freien Rückübertragungsrechts im Einzelfall die Mitunternehmerstellung i.S.d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG des Erwerbers in Frage stellen, was im Ergebnis einer schenkungsteuerlichen Vergünstigung i.S.d. §§ 13a ff. ErbStG entgegensteht.

 

Hinweis

Grundsätzlich sollte wegen der angesprochenen einkommensteuerrechtlichen Gefahren – jedenfalls bei Nießbrauchskonstellationen – von der Vereinbarung eines freien Rückübertragungsrechts abgesehen werden.

[87] Palandt/Weidlich, § 2325 BGB Rn 28.
[89] BFH v. 13.9.1989 – II R 67/86, BStBl II 1989, 1034: Vorbehaltsrechte (z.B. Vorbehaltsnießbrauch oder Wohnrecht) waren nicht vereinbart.

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