Rz. 1

Die Rechtsprechung bejaht u.U. auch Schadensersatzansprüche Dritter – etwaiger Erben – aus Schlechterfüllung eines Anwaltsvertrages. Nach den später entwickelten Grundsätzen des BGH (vgl. nachfolgend Rdn 2)[1] wäre eine Klage auf Feststellung der Anwaltshaftung u.U. auch schon zu Lebzeiten des Erblassers zulässig. Erhält ein Rechtsanwalt den Auftrag, ein von seinem Mandanten erstrebtes Ziel zu erreichen, muss er anhand des ihm unterbreiteten und womöglich auf seine Frage hin ergänzten Sachverhalts prüfen, ob und gegebenenfalls auf welchem Wege das Ziel erreichbar ist. Bedenken, zu denen die Rechtslage Anlass gibt, sind zu erörtern. Weitere Schritte sind von der aufgrund der Erörterung getroffenen Entscheidung des Mandanten abhängig zu machen. Der Anwalt hat demgemäß dann, wenn mehrere Wege in Betracht kommen, den sichersten zur Wahrung der Interessen seines Auftraggebers zu wählen.

 

Rz. 2

Vom BGH entschiedener Fall:[2] Wenn ein lebensgefährlich erkrankter Erblasser ein durch Erbvertrag mit Rücktrittsklausel begründetes Alleinerbrecht seiner getrennt lebenden Ehefrau zugunsten seiner Kinder ausschließen will, kommen zwei Maßnahmen in Betracht. Zum einen kann ein Scheidungsverfahren eingeleitet werden (§ 2279 i.V.m. § 2077 BGB), zum anderen kann der Erblasser von dem im Erbvertrag vorbehaltenen Rücktrittsrecht Gebrauch machen (§ 2293 BGB). In Ansehung dessen, dass der Weg über das Scheidungsverfahren mit dem Risiko der nicht rechtzeitigen Zustellung des Scheidungsantrages des erkrankten Erblassers belastet ist, muss der Anwalt, um jede vermeidbare Schädigung des Mandanten auszuschließen, nicht nur den Scheidungsantrag auf den Weg bringen, sondern auch einen Notar zur Beurkundung der Rücktrittserklärung einschalten (§ 2296 BGB).

 

Rz. 3

In den Schutzbereich des Anwaltsvertrages sind bei dieser Sachlage auch die – zu begünstigenden – Kinder des Erblassers einbezogen. Ist den ausdrücklichen Erklärungen oder dem schlüssigen Verhalten der Parteien des Anwaltsvertrages ein entsprechender Wille zu entnehmen, können grundsätzlich Schutzrechte Dritter entstehen, wenn die zu schützende Personengruppe objektiv abgrenzbar ist.[3]

Dies wurde im konkreten Fall vom BGH bejaht. Für den Anwalt war der Wille des Erblassers, die Erbeinsetzung seiner Kinder anstelle von deren Mutter zu sichern, zweifelsfrei erkennbar. Der Annahme, das Interesse der Kinder an der Erbenstellung sei in den Schutz des Vertrages einbezogen gewesen, steht die fehlende Kenntnis des Anwalts von der Anzahl der Kinder nicht entgegen.

[1] BGH DNotZ 1997, 44 = FamRZ 1996, 412 = NJW 1996, 1062 = ZEV 1996, 228.
[2] BGH FamRZ 1994, 1173 = NJW 1995, 51 = ZEV 1994, 358.

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