1. Allgemeines
Rz. 403
Auf die Anfechtung der Annahme bzw. Ausschlagung einer Erbschaft finden grundsätzlich die §§ 119 ff. BGB Anwendung, da §§ 1954 bis 1957 BGB lediglich einzelne Sondervorschriften enthalten. Die Anfechtungsfrist beträgt gemäß § 1954 BGB sechs Wochen. Die Frist beginnt mit Kenntnis des anfechtungsberechtigten Erben vom Anfechtungsgrund, bei der Anfechtung wegen Drohung mit dem Wegfall der Zwangslage.
Rz. 404
Für den Fall, dass der Anfechtungsberechtigte vor Ablauf der Anfechtungsfrist verstirbt und das Anfechtungsrecht auf den Erbeserben übergeht, endet die Frist frühestens sechs Wochen (§ 1954 Abs. 1 BGB) bzw. sechs Monate (§ 1954 Abs. 3 BGB) nach Annahme der Erbschaft durch den Erbeserben. Anfechtungsberechtigt ist grundsätzlich nur der Erbe, der zuvor Annahme oder Ausschlagung erklärt hatte bzw. wiederum dessen Erben.
Hinweis
Bei Minderjährigen entsteht durch die Anfechtung der Ausschlagung kein rechtlicher Nachteil.
2. Die Anfechtungsgründe
Rz. 405
Hinsichtlich der Anfechtungsgründe ist vollumfänglich auf §§ 119 ff. BGB zu verweisen mit der Folge, dass hier im Gegensatz zur Anfechtung letztwilliger Verfügungen der Motivirrtum – mit Ausnahme des Sonderfalls des § 119 Abs. 2 BGB – nicht zu einem Anfechtungsrecht führt. Auch das Verstreichenlassen der Ausschlagungsfrist kann eine Anfechtung der Erbschaftsannahme rechtfertigen, § 1956 BGB.
a) Anfechtung wegen Erklärungs- und Inhaltsirrtums
Rz. 406
In Betracht kommt hier zunächst der Erklärungsirrtum gemäß § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB sowie der Inhaltsirrtum nach § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB. Einen Inhaltsirrtum stellen etwa die Fälle dar, in denen der Annahmewille trotz äußeren Anscheins in Wirklichkeit gar nicht vorliegt. Dies wird besonders deshalb relevant, weil die Annahme der Erbschaft auch durch schlüssiges Verhalten, z.B. Auszahlung von Nachlassgläubigern aufgrund angenommener Rechtspflicht, wobei der Erbe die Erbschaft letztlich gar nicht behalten will, erfolgen kann.
Rz. 407
Eine Anfechtung der Ausschlagung scheidet allerdings aus, wenn der Ausschlagende irrtümlich angenommen hatte, der Nachlass falle nunmehr bestimmten Personen zu, wobei in Wahrheit andere Personen zum Zuge kommen. Der Irrtum bezieht sich hier nämlich nicht auf die mit der Ausschlagung beabsichtigte unmittelbare Rechtsfolge (Rückgängigmachung des Anfalls der Erbschaft), sondern auf mittelbare weitere gesetzliche Auswirkungen dieser Ausschlagung. Genauso wenig berechtigt der Irrtum, der Nächstberufene werde die Erbschaft annehmen, zur Ausschlagung. Allerdings wird dann ein relevanter Inhaltsirrtum angenommen, wenn der Erbe in der Absicht ausschlägt, dadurch seinen Pflichtteilsanspruch i.S.d. § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB geltend machen zu können, in Wirklichkeit die Voraussetzungen dieses Anspruchs aber überhaupt nicht vorliegen.
BGH, Beschl. v. 5.7.2006, NJW 2006, 3353:
Zitat
"Die irrige Vorstellung des unter Beschwerungen als Alleinerbe eingesetzten Pflichtteilsberechtigten, er dürfe die Erbschaft nicht ausschlagen, um seinen Anspruch auf den Pflichtteil nicht zu verlieren, rechtfertigt die Anfechtung einer auf dieser Vorstellung beruhenden Annahme der Erbschaft."
Rz. 408
Ein Pflichtteilsberechtigter kann die Annahme der Erbschaft demgegenüber nicht mit der Begründung anfechten, dass er sich in Unkenntnis über den damit eintretenden Verlust seines Pflichtteilsanspruchs befand. Ebenso kann der Erbe nicht mit der Begründung anfechten, dass er nicht gewusst habe, dass er die Erbschaft ausschlagen kann.
b) Anfechtung wegen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft
Rz. 409
Zwar ist eine Anfechtung hier nicht allgemein wegen Motivirrtums möglich, jedoch berechtigt § 119 Abs. 2 BGB zur Anfechtung wegen Irrtums über verkehrswesentliche Eigenschaften der Erbschaft.
Rz. 410
Ein entsprechender Anfechtungsgrund ist etwa dann gegeben, wenn einem Erben bei Annahme der Erbschaft die testamentarische Berufung eines weiteren Miterben nicht bekannt ist. Hier kann er die Annahme wegen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses anfechten. Dies hat seinen Grund darin, dass in jedem Fall der Miterbe bis zur Erbteilung dinglich an allen Nachlassgegenständen mitberechtigt ist, selbst wenn sie ihm letzten Endes nicht zustehen (§§ 2032 ff., 2040 BGB). Ohne seine Zustimmung kann die Erbengemeinschaft auch hinsichtlich der den anderen Miterben zugedachten Nachlassgegenständen nicht auseinander gesetzt werden. Vor der Erbteilung steht ihm nämlich gemeinschaftlich mit den anderen Miterben die Verwaltung des gesamten Nachlasses zu. Ebenso kann der Miterbe zum Nachlass gehörende Ansprüche selbstständig geltend machen (§§ 2038, 2039 BGB). Schon im Hinblick auf diese Rechte ist die bei Annahme der Erbschaft unbekannte Berufung eines zusätzlichen Miterben ebenso als eine z...