Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 1526
Die Gründe für die Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses sind in § 241 AktG enumerativ aufgezählt. Besondere Nichtigkeitsgründe bestehen in § 250 AktG für die Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern, in §§ 253, 173 Abs. 3 AktG für Gewinnverwendungsbeschlüsse und in §§ 256, 173 Abs. 3 AktG für festgestellte Jahresabschlüsse.
Rz. 1527
§ 241 Halbs. 1 AktG betrifft die bereits in anderen Vorschriften enthaltenen Nichtigkeitsgründe. Nichtig sind sodann Beschlüsse, die in einer nicht ordnungsgemäß einberufenen Hauptversammlung getroffen wurden (§ 241 Nr. 1 AktG; s.o. Rdn 1104 ff.), wenn es insgesamt an einer Einberufung fehlt, wenn die Einberufung durch unbefugte Personen erfolgt oder der Vorstand als Einberufungsorgan nicht ordnungsgemäß besetzt ist, wenn die Einberufung nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht oder wenn die Einberufung nicht den vorgeschriebenen Mindestinhalt hat (§ 121 Abs. 3 Satz 1 AktG). Zur Nichtigkeit führt auch, wenn bei einer Einberufung per Einschreiben einzelne Aktionäre übergangen werden. Bagatellverstöße führen aber nicht ohne Weiteres zur Nichtigkeit). Bei einer Vollversammlung führen die Einberufungsmängel ausnahmsweise nicht zu einer Nichtigkeit, wenn alle Aktionäre anwesend/vertreten sind und keiner der Beschlussfassung widerspricht (§ 121 Abs. 6 AktG). Fehler bei der Bekanntgabe der Tagesordnung (§ 121 Abs. 3 Satz 2 AktG) oder bei den in börsennotierten Gesellschaften zusätzlich zu machenden Angaben führen nach § 241 Abs. 1 Nr. 1 AktG n.F. dagegen lediglich zur Anfechtbarkeit.
Rz. 1528
Hinzuweisen ist hier auf eine Entscheidung des OLG Frankfurt am Main. Darin wird festgestellt, dass eine bestehende Satzungsregel für die Einberufung der Hauptversammlung solange maßgebend ist, solange diese Satzungsregel noch nicht rechtskräftig für nichtig erklärt bzw. ihre Nichtigkeit festgestellt wurde. M.E. kann dieser Entscheidung nicht gefolgt werden; sie verstößt gegen § 241 AktG.
Rz. 1529
Verstößt die Niederschrift der Hauptversammlung gegen § 130 Abs. 1, 2 und 4 AktG, sind die Beschlüsse nichtig (§ 241 Nr. 2 AktG; s.o. Rdn 1272 ff.). Eine Ausnahme für Bagatellverstöße ist grds. nicht anzuerkennen. Anders ist es in dem Sonderfall, wenn der Versammlungsleiter etwa wegen eines Zählfehlers das Abstimmungsergebnis falsch festgestellt hat und dies auch so protokolliert wurde. In diesem Fall wurde zwar das richtige Abstimmungsergebnis vom Versammlungsleiter nicht festgestellt und demgemäß auch nicht protokolliert. Gleichwohl führt dieser Fehler lediglich zur Anfechtbarkeit, nicht aber zur Nichtigkeit nach §§ 241 Nr. 2, 130 Abs. 2 AktG. Ähnlich entschied der BGH für den Fall, dass im notariellen Hauptversammlungsprotokoll das zahlenmäßige Ergebnis der Abstimmung nicht mit der Anzahl der Ja- und Nein-Stimmen wurde, sondern mit Prozentzahlen. Dieser Beurkundungsfehler führe nicht zur Nichtigkeit, wenn sich aus den Angaben in der Niederschrift das zahlenmäßige Abstimmungsergebnis so errechnen lässt, dass danach keine Zweifel über die Ablehnung oder Annahme des Antrags und die Ordnungsmäßigkeit der Beschlussfassung verbleiben. Str. ist, ob ein Fall des § 241 Nr. 2 AktG vorliegt, wenn das Beschlussergebnis durch den falschen Versammlungsleiter festgestellt wird. Ist Versammlungsleiter der Aufsichtsratsvorsitzende und ist der Wahlbeschluss im Aufsichtsrat fehlerhaft, sind die Hauptversammlungsbeschlüsse nach Ansicht des BGH weder nichtig noch anfechtbar. Nichtigkeit scheidet ebenso aus, wenn z.B. der Notar die Stimmenauszählung nicht überwacht oder die Stimmberechtigung der Aktionäre nicht prüft. Hierzu ist der Notar nicht verpflichtet.
Rz. 1530
Werden der Niederschrift notwendige Anlagen nicht beigefügt, führt der Rechtsverstoß weder zur Anfechtung noch zur Nichtigkeit. Eine Nichtigkeit kommt ferner nicht in Betracht, wenn Minderheits- oder Auskunftsverlangen bzw. ein Widerspruch nicht oder nicht ordnungsgemäß protokolliert wurde.
Rz. 1531
Nichtig sind nach § 241 Nr. 3 AktG Beschlüsse, die mit dem Wesen der AG nicht vereinbar sind oder gläubigerschützende bzw. im öffentlichen Interesse stehende Vorschriften verletzen. Z.T. bejaht wird dies bei satzungsändernden Beschlüssen unter Überschreitung der Grenze des § 23 Abs. 5 AktG. Erfasst werden auch kompentenzüberschreitende Hauptversammlungsbeschlüsse, die in die Geschäftsführungszuständigkeit des Vorstands eingreifen oder die gegen die §§ 25 ff. MitbestG verstoßen. Nichtig sind auch Beschlüsse, die z.B. gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften verstoßen (§§ 57, 71, 303 AktG).
Rz. 1532
Nach § 241 Nr. 4 AktG nichtig sind ferner Hauptversammlungsbeschlüsse, die ihrem Inhalt nach gegen die guten Sitten verstoßen. Es kommt auf den Beschlussinhalt an; das Zustandekommen oder die Beweggründe begründen lediglich die Anfechtbarkeit. Bedeutung hat diese Vorschrift v.a., wenn durch einen Hauptversammlungsbeschluss außenstehende Dritte (Gläubiger) geschädigt w...