Rz. 73
Haben die Vertragspartner einen Dritten in den Schutzbereich ihres Vertrages einbezogen, ohne ein unmittelbares Forderungsrecht des Dritten gem. § 328 Abs. 1 BGB zu begründen, hat der Dritte grds. einen aus dem Vertrag abgeleiteten Anspruch auf Ersatz seines Schadens infolge schuldhafter Verletzung einer drittbezogenen Schutz-(Neben-)pflicht oder (Haupt-)Leistungspflicht. Dieser Anspruch kann auf Ersatz eines Körper-, Sach- oder Vermögensschadens gerichtet sein; insoweit kann auch ein Anspruch auf Ersatz eines immateriellen Schadens ("Schmerzensgeld") in Betracht kommen (§ 253 Abs. 2 BGB; vgl. § 5 Rdn 145).
Rz. 74
Hat ein Rechtsberatervertrag Schutzwirkung für einen Dritten, geht es i.d.R. darum, dass dieser vom Rechtsberater als Vertragsschuldner Ersatz seines Schadens aus einer Schlechterfüllung der Vertragsleistung des Rechtsanwalts, Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers verlangt. Daneben kann der Auftraggeber (Mandant) den Ersatz eines eigenen Schadens aus dieser Leistungsstörung fordern; dieser Anspruch kann auch auf die Freistellung von einer eigenen Ersatzpflicht ggü. dem geschützten Dritten gerichtet sein.
Rz. 75
Die Rechtsstellung des Dritten ist zwar bei einem Vertrag mit Schutzwirkung schwächer als bei einem Vertrag zu seinen Gunsten; da beide Vertragsarten aber den Dritten begünstigen und ihm Ansprüche aus einer fremden Vereinbarung verleihen, sind sie miteinander rechtlich verwandt. Deswegen können die §§ 328 ff. BGB auf einen Vertrag mit Schutzwirkung insoweit entsprechend angewendet werden, als diese Verwandtschaft reicht. Dies gilt insb. für eine entsprechende Anwendung des § 334 BGB, soweit die Vertragspartner dies nicht ausnahmsweise ausgeschlossen haben. Danach kann der Vertragsschuldner (Rechtsberater) dem geschützten Dritten alle Einwendungen und Einreden entgegenhalten, die ihm aus dem Vertrag mit dem Mandanten zustehen. Der Dritte hat aus dem fremden Vertrag mit Schutzwirkung zu seinen Gunsten grds. kein weiter gehendes Recht als der Vertragspartner des Schädigers. Insoweit kann im Wesentlichen auf die Ausführungen zum Vertrag zugunsten Dritter verwiesen werden (vgl. § 9 Rdn 11 ff.). In dem wichtigen Fall des Gutachten- oder Prüfvertrages mit Schutzwirkung für Dritte (vgl. Rdn 34 ff., 50) kann die Vertragsauslegung ergeben, dass die entsprechende Anwendung des § 334 BGB mit Rücksicht auf den Vertragszweck "stillschweigend" insoweit abbedungen worden ist, als falsche Angaben des Auftraggebers zu dem unrichtigen Gutachten oder Prüfbericht beigetragen haben; dann kann der Sachverständige dem geschützten Dritten nicht den Einwand des Mitverschuldens (§ 254 BGB) seines Auftraggebers entgegenhalten (vgl. Rdn 48, 61, 63). In diesem Falle haftet der Berater dem geschützten Dritten selbst dann – voll – für ein falsches Gutachten, wenn der Auftraggeber die Unrichtigkeit des Gutachtens in unredlicher Weise herbeigeführt hat; einem Schadensersatzanspruch des Auftraggebers selbst steht dann der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen. Dies gilt entsprechend, wenn der Mandant die Unrichtigkeit eines Prüfberichtes zu verantworten hat.
Rz. 76
Soweit eine entsprechende Anwendung des § 334 BGB nicht abbedungen wurde, kann der Rechtsanwalt als Vertragsschuldner sowohl seinem Auftraggeber als auch dem geschützten Dritten alle Einwendungen aus dem Anwaltsvertrag entgegenhalten (im Einzelnen vgl. hierzu § 9 Rdn 17 ff.); dies gilt für einen Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer entsprechend. In diesem Fall kann der Vertragsschuldner (Rechtsberater) dem Ersatzanspruch des Dritten ein (Mit-)Verschulden seines Vertragspartners (Auftraggebers) – und dessen Erfüllungsgehilfen – auch dann entgegenhalten, wenn dieser nicht gesetzlicher Vertreter oder Erfüllungsgehilfe des geschädigten Dritten ist (vgl. § 9 Rdn 21). Da der geschützte Dritte in die Gläubigerstellung eingebunden ist, muss sich nach dem Rechtsgedanken des § 334 BGB der Auftraggeber auf einen Anspruch gegen den Vertragsschuldner (Rechtsanwalt) auf Ersatz eines eigenen Schadens ein schadensursächliches Mitverschulden des Dritten zurechnen lassen.
Dem geschädigten Dritten ist auf einen Schadensersatzanspruch gegen den Vertragsschuldner auch ein eigenes Mitverschulden anzurechnen. Deswegen kann z.B. ein Schadensersatzanspruch einer Bank gegen einen Steuerberater, der auf eine Schutzwirkung des Steuerberatungsvertrages mit einer – inzwischen insolventen – Kreditnehmerin gestützt wird, wegen eines Mitverschuldens entfallen (§§ 254, 334 BGB), wenn die Bank die in ihren eigenen Kreditvergabebedingungen enthaltenen Mindestanforderungen für die Kreditgewährung missachtet hat.
Rz. 77
Gegen eine Schadensersatzforderung des Dritten kann der haftpflichtige Vertragsschuldner (Rechtsberater) mit einem gleichartigen Anspruch aufrechnen. Mit einem Honoraranspruch gegen den Auftraggeber kann der Rechtsanwalt – entgegen einer früheren Entscheidung des BGH – i.d.R. gegen eine Schadensersatzforderung des Mandanten...