Rz. 186

Mit dem Beweisantrag kann die Anregung[93] verbunden werden, dem Zeugen gem. § 377 Abs. 3 S. 1 ZPO zu gestatten, die Beweisfrage schriftlich zu beantworten, wenn dies im Hinblick auf den Inhalt der Beweisfrage und die Person des Zeugen für ausreichend erachtet wird.

 

Rz. 187

 

Tipp

Eine solche Verfahrensweise ist regelmäßig geeignet, den Prozess zu beschleunigen, da eine schriftliche Beantwortung der Beweisfrage bei stark belasteten Gerichten jedenfalls vor einem Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme zu erhalten ist. Dies umso mehr, wenn das Gericht – ggf. auf Anregung des Bevollmächtigten – auch die Beweisanordnung im schriftlichen Verfahren nach § 358a ZPO erlässt.

 

Rz. 188

Da dieses schriftliche Verfahren das Fragerecht der Parteien jedenfalls zunächst ausschließt, muss der Bevollmächtigte allerdings abwägen, wann sich eine solche Verfahrensweise anbietet. Es ist eine notwendige und sinnvolle Ergänzung möglicher Verfahrensweisen, ohne zur Regel werden zu können.

 

Rz. 189

 

Beispiel

Im Rahmen eines Arzthaftungsprozesses vor dem LG Köln ist die Frage, ob eine bestimmte Vorerkrankung bei der Partei vorgelegen hat, relevant. Der im maßgeblichen Zeitraum behandelnde Hausarzt praktiziert und lebt in Hamburg.

Hier kann es sachgerecht sein, dem Arzt als schreib- und formulierungsgewandter Person zu gestatten, die Aussage schriftlich zu machen. Dies gilt umso mehr, als auch die Beweisfrage hierfür geeignet ist, da der Arzt regelmäßig die Daten der Behandlungstermine, die jeweils gestellte Diagnose und die Behandlungsmaßnahmen sowie den Behandlungsverlauf aufgrund seiner schriftlich dokumentierten Unterlagen wiedergeben wird. Regelmäßig ist zu erwarten, dass der Arzt, der täglich eine Vielzahl von Patienten sieht, sich an wesentliche Details ohne seine Unterlagen in einem Termin zur mündlichen Vernehmung nicht wird erinnern können. Aufgrund der Tatsache, dass die ärztlichen Unterlagen gegebenenfalls nach § 142 ZPO von dem Arzt als Zeugen heraus verlangt werden können, ist auch die Gefahr gering, dass dieser den Sachverhalt unzutreffend darstellt.

 

Rz. 190

Auch bei anderen Sachverhalten, bei denen einerseits zu erwarten ist, dass die Beweisfrage nur eindeutig beantwortet werden kann und es sich andererseits bei dem Zeugen um eine vertrauenswürdige Person ohne persönliche Beziehung zu einer der Parteien handelt, wird dieser Weg möglich sein.

 

Rz. 191

Dabei kann prozesstaktisch berücksichtigt werden, dass die Anregung, den Zeugen die Beweisfrage zunächst schriftlich beantworten zu lassen, nicht zu einem Verlust des Rechtes führt, zu einem späteren Zeitpunkt noch die Ladung des Zeugen zu verlangen, wenn seine schriftliche Aussage nicht geeignet ist, die Beweisfrage hinreichend zu beantworten. Insoweit kann auch angeregt werden, den Zeugen seine Aussage "zunächst schriftlich" verfassen zu lassen. Diese schriftliche Aussage kann dann auch Grundlage für Vergleichsverhandlungen auf der Basis einer vorläufigen Beweiswürdigung sein. Diese Verfahrensweise sollte insbesondere bei langen Terminierungszeiten der Gerichte gewählt werden.

 

Rz. 192

Nach § 377 Abs. 3 S. 3 ZPO hat das Gericht die Ladung des Zeugen anzuordnen, wenn dies zur weiteren Klärung der Beweisfrage notwendig ist. Die Ladung des Zeugen ist zwingend, wenn die Partei von ihrem Fragerecht nach § 397 ZPO Gebrauch machen will.[94] Unterbleibt die Ladung, liegt ein wesentlicher Verfahrensfehler in der Tatsachenfeststellung vor, der auf die Berufung regelmäßig zur Zurückverweisung der Sache an das Ausgangsgericht führen kann.[95] Dies ist mit zusätzlichen Zeit- und Kostennachteilen verbunden.

 

Rz. 193

Das Fragerecht wird im Sinne eines mündlichen Befragungsrechtes verstanden, sodass dem Fragerecht nicht dadurch Rechnung getragen werden kann, dass die Parteien die Fragen schriftlich formulieren und der Zeuge diese ergänzend schriftlich beantwortet.[96]

 

Rz. 194

Ein zum Termin zur mündlichen Verhandlung geladener Zeuge kann auch von sich aus beantragen,[97] die Beweisfragen schriftlich beantworten zu dürfen. Wird dem Zeugen dies gestattet, muss er darauf achten, die Beweisfrage präzise zu beantworten und dem ersichtlichen Informationsbedürfnis der Parteien und des Gerichts Rechnung zu tragen, sofern er eine spätere Ladung vermeiden will. Er sollte sich auch Provokationen und Schuldzuweisungen im Hinblick auf eine Partei enthalten, da dies regelmäßig den Antrag auf persönliche Anhörung nach sich zieht. Das Gericht muss dabei die Grundrechte des Zeugen beachten, wenn dieser selbst darum bittet, eine Beweisfrage schriftlich beantworten zu dürfen. Die allgemeine Handlungsfreiheit des Zeugen kann es so gebieten, die schriftliche Beantwortung zuzulassen, wenn dieser schon mehrfach vor Gerichten zum immer gleichen Beweisthema ausgesagt hat und neben der schriftlichen Aussage diese Akten beigezogen werden können.[98]

[93] Muster einer Anregung, dem Zeugen die schriftliche Beantwortung der Beweisfrage zu gestatten, unter Rdn 719.
[94] OLGR Hamburg 2004, 99.
[95] OLGR Hamburg 200...

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