Rz. 333
Beispiel
Es gibt vier Miterben zu je ¼: Zwei minderjährige Kinder, deren Vater und den Bruder des Vaters. Beide Kinder sollen aus der Erbengemeinschaft ausscheiden, sie sollen abgeschichtet werden. Sie sollen dafür Bargeld aus dem Nachlass erhalten. Beide Kinder erklären, dass sie am Tag der Gutschrift der ihnen zustehenden Beträge aus der Erbengemeinschaft ausscheiden. Zum Nachlass gehört ein Grundstück.
Rz. 334
Scheidet (wie im Beispiel) ein Minderjähriger aus der Erbengemeinschaft aus, so wird er zwar grundsätzlich beim (schuldrechtlichen) Abschichtungsvertrag durch seine Eltern vertreten. Da es sich um eine Form der vertraglichen Erbauseinandersetzung handelt, muss für jedes Kind ein besonderer Pfleger bestellt werden, denn die Kinder werden einerseits von Vater und Mutter vertreten, andererseits ist der Vater als Miterbe Geschäftsgegner auf der Seite der abschichtenden Miterben, es liegt also insoweit ein In-Sich-Geschäft vor.
Die Kinder, vertreten durch ihre Pfleger, sind im Zeitpunkt des Abschlusses des Abschichtungsvertrags noch Miterben. Sie geben die Versprechen ab, das Nachlass-Geld, das ja auch ihnen als Teil des Nachlasses zur gesamten Hand gehört, "auf sich selbst zu übertragen", genauer: Gesamthandseigentum in Eigentum jedes einzelnen zu übertragen (vgl. Rdn 332).
Da jedes Kind für sich eine eigene Erklärung abgibt, handelt es sich um parallel gerichtete Erklärungen, so dass die Vertretung durch einen einzigen Pfleger, der für beide Kinder handelt, genügen würde.
Rz. 335
Trotz des Ausdrucks "Abschichtungsvertrag" handelt es sich doch der Sache nach um einen (Teil-)Erbauseinandersetzungsvertrag (§ 2042 BGB). Da die Minderjährigen die Erbengemeinschaft verlassen, abgeschichtet werden, bedarf der schuldrechtliche Vertrag, der sie zu ihrem Ausscheiden verpflichtet, dann der familiengerichtlichen Genehmigung nach § 1822 Nr. 2 BGB, wenn auch nur auf einer Seite des Vertrages ein Pfleger handelt (§ 1915 BGB). Auf Eltern als Vertreter minderjähriger Miterben wäre im Beispielsfall § 1822 Nr. 2 BGB gemäß § 1643 nicht anwendbar.
Zwar könnte man auch an § 1822 Nr. 1 letzte Alt. BGB (Versprechen der Verfügung über einen Erbteil) denken, der auch für Eltern anwendbar wäre. Da aber die Abschichtung gerade die Verpflichtung zur Erbteilsübertragung vermeiden will und die §§ 1821, 1822 BGB wortgetreu anzuwenden sind, ist § 1822 Nr. 1 BGB nicht einschlägig.
Rz. 336
Einen eigentlichen Vollzug des (schuldrechtlichen) Abschichtungsvertrags hinsichtlich des Ausscheidens gibt es nicht. Entsprechend § 738 Abs. 1 S. 1 BGB – also kraft Gesetzes – scheidet der Abgeschichtete vermögensmäßig zu dem festgelegten Zeitpunkt aus der Gemeinschaft aus. Kraft Gesetzes wächst dann die vermögensmäßige Beteiligung am Nachlass den verbleibenden Miterben an. Da es sich beim Ausscheiden aus der Erbengemeinschaft durch Abschichtung um keine rechtsgeschäftliche Übertragung des Erbteils handelt, ist § 2033 BGB nicht anwendbar ist. Im Beispiel: Im Moment, in dem der jeweilige Geldbetrag an den Pfleger des Minderjährigen ausbezahlt wird (§ 929 BGB), bewirkt die Erklärung, dass er dann aus der Erbengemeinschaft ausscheiden werde, sein Ausscheiden. Die Erklärung im Abschichtungsvertrag, "dass er … ausscheide" ist dahin gehend zu verstehen, dass er aufschiebend bedingt schon diese Erklärung abgibt, sie nicht nochmals nach Gelderhalt zu wiederholen braucht, zumal sie nicht formbedürftig ist.
Wenn zum Nachlass beispielweise Grundstücke gehören, die auf die Miterben in ihrer Verbundenheit als Erbengemeinschaft eingetragen sind, so werden die Grundbücher im Moment des Ausscheidens unrichtig. Das Grundbuch wird berichtigt, indem die Kinder als Eigentümer in Erbengemeinschaft gelöscht werden.
Rz. 337
Eine familiengerichtliche Genehmigung für den Vollzug der Verpflichtung zum Ausscheiden ist nicht möglich. Der BGH hat die Verpflichtung zum Ausscheiden, also den Abschichtungsvertrag, dem "Erbteilungsvertrag" gleichgestellt und sie gerade nicht als eine Verpflichtung zur Erbteilsübertragung qualifiziert. So ist § 2033 BGB auch nicht anwendbar. Das Ausscheiden selbst geschieht analog § 738 Abs. 2 BGB kraft Gesetzes. Damit ist auch § 1822 Nr. 1 letzte Alt. BGB unanwendbar.
Rz. 338
Der Vollzug des schuldrechtlichen Abschichtungsvertrags hinsichtlich der Leistungen an den jeweiligen Abzuschichtenden (im Beispiel: Die Übereignung des jeweiligen Geldbetrags an die Pfleger) geschieht gleichermaßen seitens jeden einzelnen Miterben als Mitglied der Erbengemeinschaft, also durch gleichgerichtete, parallele Erklärungen (siehe Rdn 182). Alle Miterben, auch der Pfleger für jeden der beiden Minderjährigen, "übertragen" das den Miterben zur gesamten Hand gehörende Bargeld gemäß § 929 BGB, also durch Einigung und Übergabe, auf die Minderjährigen mit Ziel des Erwerbs des jeweiligen Alleineigentums. Dass es sich um Gesamthandseigentum der Miterben handelt, bewirkt nicht, dass sich die Erklärungen aller Miterben oder auch nur der beiden minderjähr...