1. Allgemeines
Rz. 32
Interessante Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet auch das Nachvermächtnis (§ 2191 BGB). Das Vor- und Nachvermächtnis weist viele Bezüge zur Nacherbschaft auf, auch wenn es dem Nachvermächtnisnehmer nur einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Vorvermächtnisnehmer auf Erfüllung des Vermächtnisses gibt (§ 2191 Abs. 1 BGB). Sein richtiger Einsatz setzt allerdings eine genaue Kenntnis der Rechtsstellung des Nachvermächtnisnehmers voraus.
Rz. 33
Das Nachvermächtnis wird dadurch gekennzeichnet, dass
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damit ein Vermächtnisnehmer (sog. Vorvermächtnisnehmer) und nicht der Erbe beschwert ist; es ist also immer Untervermächtnis, was zur Anwendung auch der §§ 2186 bis 2188 BGB führt; |
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der vermachte Gegenstand ganz oder wenigstens teilweise der Gleiche sein muss wie der des Vorvermächtnisses (Identitätsgebot); |
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der Vermächtnisgegenstand zunächst für eine bestimmte Zeit dem Vorvermächtnisnehmer zusteht und nach Eintritt eines bestimmten Ereignisses oder Termins dem Nachvermächtnisnehmer zufallen soll (Unterschied zum Ersatzvermächtnis); |
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zwischen dem Vor- und dem Nachvermächtnisnehmer allein schuldrechtliche Rechtsbeziehungen bestehen und die Bestimmungen zur Vor- und Nacherbschaft nur entsprechend der ausdrücklichen Verweisung nach § 2191 Abs. 2 BGB im dort genannten Rahmen anwendbar sind. |
Rz. 34
Von dem "normalen" aufschiebend bedingten oder befristeten Vermächtnis (§ 2177 BGB) unterscheidet sich das Nachvermächtnis dadurch, dass die gesetzliche Regelungsdichte etwas höher ist, weil die in § 2191 Abs. 2 BGB genannten Bestimmungen der Vor- und Nacherbschaft Anwendung finden. Als Alternative zur Vor- und Nacherbschaft mit keineswegs so einschneidenden Wirkungen findet es in der Kautelarpraxis zunehmend Verwendung, insbesondere wenn man die Rechtsstellung des überlebenden Ehegatten gegenüber der Vor- und Nacherbschaft verbessern will, aber auch im Rahmen eines sog. Behindertentestaments. Bei der Pflichtteilsbeschränkung in guter Absicht wird es im Gesetz als Gestaltungsmittel ausdrücklich erwähnt (§ 2338 Abs. 1 S. 1 BGB). Auch ein Rückvermächtnis kann ein Nachvermächtnis sein, wenn bei Eintritt einer bestimmten Bedingung oder eines bestimmten Termins der Vermächtnisgegenstand wiederum an den mit dem Vermächtnis Beschwerten herauszugeben ist. Ein Nachteil des Vor- und Nachvermächtnisses ist jedoch, dass die Surrogationsvorschrift des § 2111 BGB nicht gilt und es damit zu Abgrenzungsproblemen hinsichtlich der Frage kommt, was dem Anspruch des Nachvermächtnisnehmers unterliegt, wenn Vermögensumschichtungen eintraten.
2. Pflichtteilsfestigkeit
Rz. 35
In gleicher Weise wie beim befristeten Herausgabevermächtnis wurde auch hier die Frage diskutiert, ob es "pflichtteilsfest" gegenüber den Ansprüchen ist, welche die Pflichtteilsberechtigten des Vorvermächtnisnehmers bei dessen Tod haben. Dies hängt davon ab, ob der daraus resultierende Erfüllungsanspruch den Pflichtteilsansprüchen derjenigen Pflichtteilsberechtigten vorgeht, die erst durch den Erbfall des Vorvermächtnisnehmers einen Pflichtteilsanspruch an seinem Nachlass erlangt haben. Die ganz h.M. ist aber mittlerweile die Pflichtteilsfestigkeit des Nachvermächtnisanspruchs in gleicher Weise wie beim aufschiebend befristeten Herausgabevermächtnis zu bejahen. Höchstrichterlich wurde diese Frage aber bislang nicht entschieden.