Dr. Stephan Pauly, Michael Pauly
Rz. 242
Typischer Gegenstand der vorgeblichen Eilbedürftigkeit ist die Notwendigkeit der Kinderbetreuung. Auch diesbezüglich gibt es mittlerweile umfangreiche Rechtsprechung.
Rz. 243
Grundsätzlich soll die Notwendigkeit der Kinderbetreuung ein wesentlicher Grund sein, der auch den Erlass einer einstweiligen Verfügung rechtfertigt. Während in einigen Fällen offenbar der bloße Hinweis der Arbeitnehmerin gereicht hat, dass die Kindertagesstätte noch während der Arbeitszeit schließe, wird an anderer Stelle zumindest verlangt, dass die Arbeitnehmerin vorträgt, warum ihr eine Betreuung durch Dritte nicht möglich ist. Einstweiliger Rechtsschutz setzt voraus, dass im jeweiligen Einzelfall eine erheblich überwiegende Dringlichkeit in der persönlichen Lebenssituation des Antragstellers glaubhaft gemacht werden kann. Angesichts der tatsächlichen Situation, dass derartige Rechtsstreitigkeiten typischerweise Frauen betreffen, die nach der Geburt eines Kindes aus der Elternzeit zurückkehren, erweist sich die Beschränkung auf vorläufigen Rechtsschutz im Bereich des § 8 TzBfG als unbefriedigend. Jedenfalls in den Fällen des Teilzeitbegehrens einer Frau nach Rückkehr aus der Elternzeit sind auch die verfassungsrechtlichen Wertungen des Art. 6 Abs. 1 GG (Schutz der Familie) zu beachten. Dieser verfassungsrechtliche Hintergrund erlaubt und gebietet es, aus dem grundrechtlich gewährleisteten Schutz eine Pflicht der Gerichte zur tatsächlichen Gewährleistung dieser Rechtspositionen herzuleiten. Dient die begehrte Verringerung der Arbeitszeit dem Ziel der Betreuung eines Kindergartenkindes im Wechsel mit dem ebenfalls berufstätigen Ehegatten, so kann der Antragsteller im Rahmen der Prüfung des "Verfügungsgrundes" nicht auf eine Fremdbetreuung durch eine Kindertagesstätte o.Ä. verwiesen werden. Einer Verfügungsklägerin kann auch nicht vorgehalten werden, sie habe nicht dargelegt, dass sie rechtzeitig nach der Geburt der Kinder einen Ganztagsbetreuungsplatz in einer Kindertagesstätte für die Zeit nach dem Ende ihrer Elternzeit beantragt habe. Auch wenn ein Verfügungsgrund entfällt, wenn nicht selbst alles Zumutbare getan worden ist, um die Dringlichkeit für den Erlass einer einstweiligen Verfügung zu vermeiden, basiert vorliegend die Notwendigkeit und Dringlichkeit der erstrebten Regelung allein auf der Entscheidung der Verfügungsklägerin, sich selbst zu einem wesentlichen Teil um die Betreuung der Kinder zu kümmern und eine ganzheitliche Fremdbetreuung im Rahmen einer Drittbetreuung zu vermeiden. Diese familiäre Entscheidung, die Erziehung der Kinder neben dem vormittäglichen Besuch des Kindergartens und der begrenzten Betreuung durch eine Tagesmutter für die Dauer einer wesentlichen Entwicklungsphase der Kinder selbst zu übernehmen, ist aus verfassungsrechtlichen Gründen zu respektieren und kann nicht als Herbeiführung der Dringlichkeit für den Erlass einer einstweiligen Verfügung angesehen werden. Aber auch auf Seiten des Arbeitgebers streiten Grundrechte. Die Gestaltung des Betriebs, die Antwort auf die Frage, ob und in welcher Weise sich der Arbeitgeber wirtschaftlich betätigen will, sind Bestandteil der durch Art. 12, Art. 14 und Art. 2 Abs. 1 GG geschützten unternehmerischen Freiheit. Zum wesentlichen Inhalt der freien unternehmerischen Entscheidung gehört die Gestaltungsfreiheit bezüglich der betrieblichen Organisation. Sie umfasst auch die Festlegung, an welchem Standort welche arbeitstechnischen Ziele verfolgt werden.
Rz. 244
Richtigerweise wird die einfache pauschale Behauptung, die Betreuung des Kindes sei nicht gewährleistet, nicht ausreichen. Wenn man schon Nachteile, die sich nicht auf die Durchsetzung des Hauptsacheanspruchs beziehen, ausreichen lassen will, so muss die Arbeitnehmerin zumindest darlegen, welche Schließungszeiten der Kindergarten/eine erreichbare Betreuungseinrichtung hat und weshalb nicht andere Verwandte oder nahestehende Personen das Kind abholen können. Unseres Erachtens ist auch vorzutragen, aus welchen Gründen eine Fremdbetreuung faktisch nicht möglich ist. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass es im Wege des Verfahrens um den einstweiligen Rechtsschutz nur um eine Übergangslösung geht. Die praktische Erfahrung lehrt, dass spätestens der Einwand des Arbeitgebers, dass Übergangslösungen nicht hinreichend erwogen wurden, zu einem deutlich konkreteren Vortrag führt.
Rz. 245
Gerade im Hinblick auf den Übergangscharakter des einstweiligen Rechtsschutzes stellt sich die Frage, ob die Arbeitnehmerin sich auf ein Betreuungskonzept und den grundrechtlichen Schutz aus Art. 6 GG für dieses berufen kann. Wir meinen, dass dieser Einwand im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich keine Beachtung finden kann. Dem Arbeitnehmer ist es angesichts der drohenden Vorwegnahme der Hauptsache zuzumuten, bis zur Entscheidung über die Hauptsache eine Übergangslösung in Kauf zu nehmen, und zwar selbst dann, wenn grundsätzlich unter Hinweis auf ein bestehendes Erziehungsko...