Sabine Jungbauer, Dipl.-Ing. Werner Jungbauer
Rz. 119
Wir unterscheiden z.B. eine Handlungsvollmacht nach BGB und eine Prozessvollmacht nach ZPO oder anderen Verfahrensordnungen (z.B. § 11 FamFG).
Rz. 120
Eine Prozessvollmacht ist grundsätzlich "schriftlich" zu den Akten zu reichen, § 80 ZPO. Schriftlich bedeutet: im Original unterschrieben, d.h. Papierform, sofern der Mandant die Vollmacht nicht qualifiziert elektronisch signiert hat (was u.E. zulässig wäre, siehe dazu §§ 126 Abs. 4 i.V.m. § 126a BGB und ein fehlender Ausschluss durch elektronische Ersetzung in § 80 ZPO). Es verfügt jedoch nur ein geringer Anteil der Mandanten bisher über die Möglichkeit der Anbringung einer qualifizierten elektronischen Signatur. Das mag sich mit der fortschreitenden Digitalisierung ändern.
Rz. 121
Der BGH geht in seiner Entscheidung vom 29.9.2021 davon aus, dass die Vollmachtsurkunde grundsätzlich schriftlich vorzulegen ist und verweist insoweit auch auf § 126 BGB, wobei der hier angesprochene Fall die fehlende Vorlage einer Originalvollmacht eines Inkassodienstleisters betraf. Zum 1.1.2021 hat sich die Rechtslage in diesem Bereich jedoch geändert. § 753a ZPO regelt, dass bei der Durchführung der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in das bewegliche Vermögen Bevollmächtigte nach § 79 Abs. 2 S. 1 und 2 Nr. 3 u. 4 ZPO ihre ordnungsgemäße Bevollmächtigung zu versichern haben und es eines Nachweises einer Vollmacht in diesen Fällen nicht bedarf. Die Entscheidung des AG Calw, das im Vollstreckungsverfahren bei Einreichung des ZV-Auftrags via beA die Vorlage einer Originalvollmacht forderte, ist vor dem Hintergrund zu sehen (und zu verstehen), dass der Anwalt eine entsprechende Versicherung nicht abgegeben hatte. Übersehen hatte das Gericht hier jedoch nach Ansicht von Toussaint § 88 Abs. 2 ZPO, der regelt, dass das Gericht den Mangel der Vollmacht von Amts wegen (nur) zu berücksichtigen hat, wenn nicht als Bevollmächtigter – wie hier – ein Rechtsanwalt auftritt. Dabei betont der BGH in einer aktuellen Entscheidung die besondere Vertrauensstellung, welche Anwälte genießen, weshalb die Regelung in § 88 Abs. 2 ZPO gerechtfertigt ist. Nachdem der Gegner einen Mangel der Vollmacht nicht gerügt hatte, hätte es dem Gerichtsvollzieher u.E. jedenfalls nicht zugestanden, einen solchen zu rügen; denn es ist kein Grund ersichtlich, warum ein Gerichtsvollzieher weitergehende Befugnisse als ein Gericht haben sollte. Zu vergessen ist dabei nicht, dass grundsätzlich die Erteilung einer Prozessvollmacht formlos möglich ist, lediglich zu ihrem Nachweis bedarf es der Schriftform. Zulässig ist daher auch eine Vollmachtserteilung durch Aufnahme der Erklärung in das Sitzungsprotokoll oder aber die Vorlage einer beglaubigten Abschrift der Vollmacht.
Rz. 122
Haftungsträchtig kann es allerdings werden, wenn der Gegner den Mangel der Vollmacht rügt. Zwar hilft § 88 Abs. 2 ZPO in der Praxis hier oft weiter, aber gerade in einstweiligen Verfügungsverfahren sollte man sich hierauf nicht verlassen. Denn schon 1994 hat der BGH entschieden, dass eine Prozessvollmacht per Fax den Anforderungen des Nachweises durch Schriftform nicht genügt; etwas anderes kann daher – aufgrund der aktuell weiter geltenden Rechtslage – auch nicht für eine per beA übermittelte eingescannte Vollmacht gelten. Rügt ein Gegner im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes den Mangel der Prozessvollmacht, muss der Nachweis durch Vorlage der Originalvolllmacht auch hier erfolgen. Das LG Bochum hatte eine erlassene einstweilige Verfügung aufgehoben, da lediglich eine mit Unterschrift des Mandanten versehene, eingescannte Prozessvollmacht mit dem Antrag eingereicht worden war, und die schriftliche Vollmacht bis zum Tag des Schlusses der mündlichen Verhandlung nicht vorgelegt worden war. Die Entscheidung ist abzulehnen, soweit das LG Bochum seine Entscheidung (auch) darauf stützt, dass im Hinblick auf Sinn und Zweck eines Eilverfahrens eine Fristsetzung nicht in Betracht kommen würde. Gerade im Hinblick auf die besondere Vertrauensstellung der Anwälte und die Tatsache, dass eine vom Auftraggeber unterschriebene, eingescannte Vollmacht vorgelegt worden war, wäre hier eine entsprechende Fristsetzung – im Eilverfahren ggf. mit kurzer Frist – geboten gewesen. Durch die Nachreichung der schriftlichen Vollmacht wäre der Mangel ohne Weiteres heilbar gewesen. Diese Möglichkeit der Heilung hätte nach unserer Ansicht auch keine unzumutbare Belastung für den Antragsgegner bedeutet. Eine vollmachtslose Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten ist i.d.R. "eher unwahrscheinlich", wären die berufs- und ggf. strafrechtlichen Konsequenzen für einen Anwalt bei Vorlage einer von ihm gefälschten Vollmacht nun auch gravierend. Anders ist dies möglicherweise zu sehen, wenn das Gericht vor dem Erlass der einstweiligen Verfügung oder aber nach Erhebung des Widerspruchs terminiert und auch im Termin die bisher fehlende Originalvollmacht nicht vorgelegt wird."
Rz. 123
Im Übrigen gelten die Ausführun...