Inga Leopold, Dr. iur. Jürgen Peter
Rz. 103
Eine Verdachtskündigung liegt immer dann vor, wenn der Arbeitgeber die Kündigung darauf stützen möchte, dass der zu kündigende Arbeitnehmer im Verdacht stehe, eine Vertragsverletzung, meist eine Straftat oder einen Vertrauensbruch, begangen zu haben. Dabei kann die Verdachtskündigung sowohl als ordentliche als auch als außerordentliche Verdachtskündigung ausgesprochen werden. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass der Arbeitgeber dann, wenn er den Betriebsrat nach § 102 BetrVG zu einer angeblich begangenen Tat/Pflichtverletzung angehört hat, die Kündigung später nicht mehr auf den Verdacht der Tat/Pflichtverletzung stützen kann, wenn die Tat/Pflichtverletzung sich nicht beweisen lässt. In diesem Fall muss der Arbeitgeber den Betriebsrat zur Verdachtskündigung (erneut) zuvor anhören. Werden nachträglich neue Verdachtstatsachen bekannt, kann der Arbeitgeber den Betriebsrat hierzu nachträglich anhören und den Verdacht der entsprechenden Handlung als Kündigungsgrund im Kündigungsschutzverfahren nachschieben. Stützt der Arbeitgeber seine Kündigungsabsicht alleine auf den Verdacht einer Tat/Pflichtverletzung, dann reicht selbstverständlich die Anhörung zu dieser beabsichtigten Verdachtskündigung. Steht aufgrund der Sachverhaltsumstände allerdings die Vollendung der Tat/Pflichtverletzung im Raume, bietet es sich an, den Betriebsrat zu einer dann gegebenen verhaltensbedingten Tatkündigung anzuhören und hilfsweise auch zu einer entsprechenden (personenbedingten) Verdachtskündigung, wenn und soweit der Ausspruch einer solchen in diesem Zusammenhang vom Arbeitgeber beabsichtigt ist, was für die Praxis zu empfehlen wäre. Sowohl bei der ausschließlichen als auch bei der hilfsweisen Verdachtskündigung sind dann u.a. anzugeben
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Verdachtsmomente (konkrete Tatsachen als Verdachtsgrundlage), |
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konkrete Aufklärungsbemühungen und konkrete Ergebnisse, einschl. entlastender Umstände, |
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Anhörung des Arbeitnehmers (Name, Zeit, Inhalt, Ergebnis). |
Ist also der Betriebsrat (zunächst) allein zu einer Verdachtskündigung angehört worden, dann steht dies nach der Rechtsprechung des BAG der (kollektivrechtlichen) Wirksamkeit einer Tatkündigung dann nicht entgegen, wenn der Betriebsrat über alle Umstände, die auch den Tatvorwurf einer Tatkündigung begründen, umfassend und vollständig informiert worden ist. Der Praxis ist gleichwohl zu empfehlen, jedenfalls vorsorglich eine erneute Anhörung, dann bezogen auf die zu diesem Zeitpunkt aus Arbeitgebersicht feststehende Tat/Pflichtverletzung, vorzunehmen (zu den Einzelheiten der Verdachtskündigung vgl. § 2 Rdn 30 ff.). Zu beachten ist, dass die vorstehenden Grundsätze allerdings für die umgekehrte Fallkonstellation, also für die arbeitgeberseitige beabsichtigte Änderung von einer Tatkündigung auf eine Verdachtskündigung grundsätzlich nicht gilt.