Rz. 124

Zweck der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung ist es, für den Fall, dass der Versicherungsnehmer durch gesundheitliche Beeinträchtigungen nicht mehr imstande ist, seinen Beruf auszuüben, eine vertraglich vereinbarte Leistung zu erhalten, um somit seinen bisherigen sozialen Status erhalten zu können. Die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung ist eine Summenversicherung und keine Schadensversicherung. Es wird also nicht z.B. ein Nettobetrag ausgezahlt für eine bestimmte Gehaltsklasse, sondern es ist eine vertraglich vorher bestimmte Leistung geschuldet.

 

Rz. 125

Insofern ist es auch wichtig, dass das Bereicherungsverbot nicht gilt und auch kein Forderungsübergang stattfindet, so dass z.B. gerade bei schweren Verkehrsunfällen kein Versicherer, der aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung leistet, Regress beim Haftpflichtversicherer nehmen kann. Die betroffene Person kann daher dementsprechend auch gegenüber dem Haftpflichtversicherer den vollen Schadensersatz geltend machen und darüber hinaus die BUZ-Leistungen vollständig behalten. Dies ist auch losgelöst von etwaigen privaten Unfallversicherungen möglich. Im Zweifel kann der Geschädigte in ein und demselben Schadensfall daher "3-mal" kassieren: einmal gegenüber dem Haftpflichtversicherer, dann aus der Privaten Unfallversicherung und das dritte Mal aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Dies ist damit begründet, dass sich der Versicherte durch seine Prämie diese Leistungen vertraglich erkauft hat.

 

Rz. 126

Rechtlich geregelt ist die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung in den §§ 172 ff. VVG und in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen.

 

Praxistipp

Auch hier ist zwingend erforderlich, dass der Anwalt sich die zum Eintritt des Versicherungsfalls geltenden Bedingungen und die Police vom Mandanten geben lässt, da er nur so individuell prüfen kann, welcher Vertragsinhalt und welche Bedingungen hier zugrunde liegen. Ohne diese Unterlagen lässt sich ein Fall aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung nicht bearbeiten. Manche Mandanten können dies zunächst schwer nachvollziehen und fragen, ob sie denn tatsächlich das ganze "Kleingedruckte" in ihren Unterlagen suchen müssen. In diesem Fall kann die Antwort nur lauten, dass der Mandant sich diese Mühe zwingend machen muss, da das in seinem Interesse ist.

 

Rz. 127

Zwar ist im VVG die Berufsunfähigkeit in den §§ 172 ff. VVG geregelt, die jeweilig zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen sind jedoch auch nach der VVG-Reform maßgeblich und stets zu berücksichtigen.

 

Rz. 128

Wie bereits erwähnt, ist die Mehrzahl der Berufsunfähigkeitsversicherungen als Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (BUZ) abgeschlossen. Insofern ist die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung vom Bestand der jeweiligen Hauptversicherung (Lebensversicherung) abhängig. Es besteht Akzessorietät. Wenn die Hauptversicherung (Lebensversicherung) gekündigt wird, ist daher auch die Beendigung der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung gegeben. In diesem Zusammenhang ist auf eine Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 16.2.2006 (12 U 261/05, VersR 2006, 1348) hinzuweisen. In dem zugrunde liegenden Sachverhalt war die BUZ an eine Lebensversicherung gekoppelt und an eine Bank abgetreten, wobei es anschließend zur Kündigung kam. Das OLG Karlsruhe hatte hier jedoch entschieden, dass sich ein Ausschluss der Leistungspflicht nur für die Versicherungsfälle ergibt, die nach der Kündigung eingetreten sind.

 

Rz. 129

Ferner sind in diesem Zusammenhang die Entscheidungen des OLG Saarbrücken (VersR 2007, 780) und des BGH (VersR 1989, 588) von Bedeutung, wonach für den Fall der Kündigung nach Eintritt der Berufsunfähigkeit ein Wegfall der Leistungspflicht verneint wurde, da es sich bei der BUZ um einen sog. gedehnten Versicherungsfall handelt.

 

Rz. 130

Zudem ist die Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 20.3.2007 (12 U 11/07, VersR 2007, 1359) zu erwähnen, wonach die Umwandlung des Vertrages in eine beitragsfreie Versicherung die Leistungspflicht für einen zuvor eingetretenen Versicherungsfall nicht entfallen lässt. Diese Fälle können immer wieder gerade auch in finanziellen Krisen eine Rolle spielen, wenn eine Umwandlung in eine beitragsfreie Versicherung vereinbart wurde, da möglicherweise etwaige Rückkaufswerte bei Kündigung der Lebensversicherung für den Versicherungsnehmer nachteilig wären.

 

Praxistipp

Der Rechtsanwalt, der BUZ-Fälle bearbeitet, sollte nach Erhalt der Allgemeinen Versicherungsbedingungen durch den Mandanten diese generell einer Inhaltskontrolle unterziehen und unter Maßgabe von § 307 BGB die vorhandenen Klauseln überprüfen. Alle Versicherungsbedingungen und somit auch die Versicherungsbedingungen der Berufsunfähigkeitszusatzversicherungen sind nach ständiger Rechtsprechung des BGH "immer so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhanges verstehen muss" (vgl. z.B. BGH VersR 2001, 1502).

 

Praxistipp

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