Rz. 59
Errichtet jemand ein Testament, in dem er zu seinem Erben eine andere Person als den gesetzlichen Erben einsetzt, so hat letzterer zu Lebzeiten des künftigen Erblassers kein schutzwürdiges Interesse daran, im selbstständigen Beweisverfahren durch Einholung eines Sachverständigengutachtens die Testierfähigkeit im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments klären zu lassen.
Hiervon abgesehen ist ein berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Begutachtung der Testierfähigkeit des Antragsgegners zu dessen Lebzeiten durch einen Sachverständigen zu verneinen.
Dazu das OLG Frankfurt/M.:
Zitat
Für das zivilprozessuale Erkenntnisverfahren ist allgemein anerkannt, daß auf die Feststellung des Erbrechts nach noch lebenden Personen nicht geklagt werden kann, weil die bloße Möglichkeit, Erbe zu werden, kein Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 ZPO ist, und zwar auch dann nicht, wenn die Erbaussicht einer Partei der Lebenserfahrung entspricht (BGHZ 37, 137/143 = NJW 1962, 1723 …). Gleiches gilt für Klagen, durch die einzelne Voraussetzungen des künftigen erbrechtlichen Erwerbs festgestellt werden sollen, beispielsweise Klagen – mit oder ohne Beteiligung des künftigen Erblassers auf Feststellung der Gültigkeit oder Ungültigkeit eines Testaments (OLG Köln JW 1930, 2064 mit Anm. Herzfelder …). …
Nun wird zwar in Art. 41 HessFGG im Gegensatz zur Feststellungsklage vor dem Prozeßgericht nach § 256 ZPO nicht ein rechtliches Interesse, sondern bloß ein berechtigtes Interesse vorausgesetzt. Auch muß sich ein berechtigtes Interesse nicht auf ein bereits vorhandenes Recht stützen; es genügt vielmehr ein vernünftiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse, das auch tatsächlicher oder wirtschaftlicher Art sein kann (vgl. BayObLGZ 1995, 1/4 …). Darüber hinaus gibt es im Grundsatz kein besonders schutzwürdiges Interesse, nicht in ein gerichtliches Verfahren einbezogen zu werden, weil die Interessen des Verfahrensgegners in der Regel durch das Verfahrensrecht ausreichend geschützt werden. Anders liegt es aber nach Ansicht des Senats in Fällen der vorliegenden Art. Das durch den Grundsatz der Testierfreiheit (vgl. § 2302 BGB) anerkannte Interesse des Erblassers, nicht schon zu Lebzeiten über das Schicksal seines späteren Nachlasses Rechenschaft geben und sich von seinen potentiellen Erben nicht "zu Tode prozessieren" lassen zu müssen, ist in der Regel höher zu bewerten als ein wie auch immer geartetes Interesse der potentiellen künftigen Nachlaßbeteiligten (…). Vor dem Erbfall, also zu Lebzeiten des Erblassers hat sowohl der gesetzlich berufene als auch der durch einseitiges Testament eingesetzte Erbe nur eine tatsächliche Aussicht auf den Erbschaftserwerb, also eine rechtlich begründete Erwartung auf das Erbrecht, aber noch keine gesicherte Rechtsposition im Sinne eines Anwartschaftsrechts … Der Erbanwärter kann seine Stellung jederzeit dadurch einbüßen, daß er den Erbfall gar nicht erlebt (§ 1923 Abs. 1 BGB) oder daß sie ihm vom künftigen Erblasser genommen wird, indem dieser durch Verfügung von Todes wegen eine die gesetzlichen Erben nicht berücksichtigende Regelung trifft oder eine getroffene Erbeinsetzung widerruft.
Nach diesen Grundsätzen muß das Interesse des als künftiger gesetzlicher Erbe in Betracht kommenden Antragstellers daran, daß wegen der möglichen Erschwerung einer etwaigen Rechtsverfolgung nach dem Tode des Antragsgegners schon jetzt geklärt wird, ob das notarielle Testament vom 28.6.1995 wirksam oder wegen Testierunfähigkeit des Antragsgegners unwirksam ist, hinter dem Interesse des Antragsgegners zurücktreten, zu seinen Lebzeiten nicht mit gerichtlichen Verfahren über seinen künftigen Nachlaß behelligt zu werden (vgl. dazu auch OLG Karlsruhe FamRZ 1989, 1351/1353 zu 2.). Hiervon abgesehen schafft im selbstständigen Beweisverfahren weder § 485 ZPO noch Art. 41 HessFGG eine Pflicht für eine am Verfahren beteiligte Person, die Untersuchung durch einen Sachverständigen gegen ihren Willen zu dulden (vgl. dazu Thomas/Putzo ZPO 19. Aufl. § 485 Rn 8). Soweit demgegenüber das OLG Köln (JW 1930, 2064 a.E.) für einen vergleichbaren Sachverhalt ausgesprochen hat, der Gefahr eines Verlusts des Beweismittels (durch den Tod der künftigen Erblasserin) lasse sich durch ein Verfahren zur Sicherung des Beweises nach §§ 485 ff. ZPO begegnen, vermag dem der Senat nicht zu folgen. Einer Vorlage der Sache an den Bundesgerichtshof nach § 28 Abs. 2 FGG bedarf es aber nicht. Denn zum einen sind die Ausführungen des Senats zur Sache nicht zu einer bundesrechtlichen Vorschrift, sondern zu Art. 41 HessFGG gemacht worden, und zum anderen ist die Entscheidung des OLG Köln nicht auf weitere Beschwerde, sondern in einem Zivilprozeß ergangen.“