Dr. iur. Nikolas Hölscher
Rz. 112
Errichtet der Erblasser lebzeitig eine Stiftung und stattet diese mit seinem Vermögen aus, liegt mangels Vereinbarung über die Unentgeltlichkeit keine Schenkung vor. Die Vorschriften zur Pflichtteilsergänzung sind in diesen Fällen jedoch analog anzuwenden. Unentgeltliche Zuwendungen an eine Stiftung unterliegen nach der Entscheidung des BGH unstreitig ebenfalls der Pflichtteilsergänzung, gleich ob als Spende oder kapitalerhöhende Zustiftung. Schwierigkeiten bereiten in der Praxis dabei die Fälle, in denen der Erblasser das Stiftungsgeschäft noch selbst vorgenommen hat, die Gründung der Stiftung aber im Anerkennungsverfahren steckengeblieben ist, entweder, weil über den Antrag des Erblassers auf Anerkennung noch nicht entschieden wurde oder der Erblasser den Antrag noch nicht gestellt hatte. Dann stellt sich die Frage, ob die Anerkennung der Stiftung noch nach dem Tod des Erblassers durch Betreiben der Erben erfolgen kann.
Rz. 113
Der Antrag auf Anerkennung des Stiftungsgeschäfts (§ 81 BGB) kann nachträglich von den Erben des verstorbenen Erblassers gestellt werden, mit der Folge, dass die Stiftung rückwirkend entsteht und die Ausstattung der Stiftung eine auf den Zeitpunkt der Gründung rückwirkende unentgeltliche Zuwendung darstellt. Hat der verstorbene Stifter selbst den Antrag auf Anerkennung der Stiftung bei der zuständigen Behörde des Landes gestellt oder im Fall der notariellen Beurkundung des Stiftungsgeschäfts den Notar mit der Antragstellung betraut, ist der Erbe des Stifters zum Widerruf des Stiftungsgeschäfts nicht mehr berechtigt (§ 81a S. 3 BGB). Auch wenn der Anspruch auf Vermögensausstattung der Stiftung gegen den Stifter erst mit Anerkennung der Stiftung durch die Stiftungsbehörde besteht, so gilt die Zuwendung des Stifters durch die Rückwirkungsfiktion des § 80 Abs. 2 S. 2 BGB als vor dem Eintritt des Erbfalls erfolgt. Es liegt dann eine unentgeltliche lebzeitige Zuwendung im Sinne des § 2325 BGB vor.
Rz. 114
Für den Pflichtteilsberechtigten besteht die Gefahr, dass er, abhängig von dem weiteren Verfahrensverlauf bezüglich der Anerkennung der Stiftung durch die zuständige Behörde, Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen die in Gründung befindliche Stiftung geltend machen muss (§ 2329 BGB, sofern der Nachlass nicht ausreichend ist) und diese Ansprüche der kenntnisunabhängigen Verjährung des § 2332 Abs. 2 BGB unterliegen. Kommt es nicht zur Anerkennung der Stiftung, verbleibt das Vermögen im Nachlass und unterliegt dem ordentlichen Pflichtteilsanspruch.
Rz. 115
Ist der Pflichtteilsberechtigte aufgrund drohender Verjährung (§§ 2329, 2332 Abs. 2 BGB) gehalten, zur Hemmung der Verjährung Klage zu erheben, wurde vertreten, dass für die in Gründung befindliche Stiftung eine Pflegschaft nach § 1912 BGB a.F. analog beantragt werden kann. Nach neuem Recht wäre eine entsprechende Pflegschaft analog § 1810 BGB zu beantragen.