Rz. 155
"Allgemeine" Straftaten fallen als "sonstige Vergehen" i.S.d. § 2 i bb ARB nur unter den Rechtsschutz, wenn es sich um Delikte handelt, deren vorsätzliche wie auch fahrlässige Begehung strafbar ist. Demgegenüber fallen Vergehen, die nur vorsätzlich begangen werden können, von vornherein nicht unter den Rechtsschutz (z.B. §§ 185, 242, 246, 263 StGB), völlig unabhängig von der Berechtigung des Vorwurfs und dem Ausgang des Verfahrens.
Rz. 156
Hinweis
Die meisten Vergehen, die sich aus dem Besonderen Teil des StGB ergeben, scheiden somit von vornherein beim Straf-Rechtsschutz nach § 2 i bb ARB aus. Vergehen, die vorsätzlich und fahrlässig begehbar sind, kommen außerhalb des Verkehrs-Strafrechts selten vor; zu erwähnen sind falsche Versicherung an Eides statt, fahrlässige Brandstiftung und fahrlässige Körperverletzung sowie einige Steuerdelikte.
Rz. 157
Rechtsprechung und Literatur beschäftigten sich immer wieder mit der Frage, ob die gefährliche Körperverletzung (§ 224 StGB) ein Vergehen ist, das vorsätzlich und fahrlässig verwirklicht werden kann. Zum Teil wird auf die strafrechtliche Sicht Bezug genommen, die allerdings ebenfalls nicht einheitlich beurteilt, ob es sich bei der gefährlichen Körperverletzung gem. § 224 StGB um eine Qualifikation der (einfachen) Körperverletzung gem. § 223 StGB handelt. Im Zweifel ist daher entsprechend der Auslegungsregel des § 305c BGB von einem vorsätzlichen und fahrlässig begehbaren Delikt auszugehen. Zu demselben Ergebnis gelangt man, wenn man – losgelöst von der strafrechtlichen Beurteilung – versicherungsrechtlich auf die Sicht des durchschnittlichen verständigen Versicherungsnehmers abstellt, da für diesen die gefährliche Körperverletzung begrifflich auch eine Körperverletzung darstellen dürfte. Der BGH hat die Streitfrage nunmehr dahingehend entschieden, dass die gefährliche Körperverletzung ein nicht unter den Versicherungsschutz fallendes nur vorsätzlich begehbares Delikt darstellt.
Rz. 158
Handelt es sich um ein (versichertes) Delikt, das vorsätzlich und fahrlässig begangen werden kann, so ist zu unterscheiden: Wird gegen den Versicherungsnehmer wegen Fahrlässigkeit ermittelt und kommt es nicht zu einer rechtskräftigen Verurteilung wegen Vorsatzes, besteht uneingeschränkt Versicherungsschutz.
Rz. 159
Wird dem Versicherungsnehmer hingegen eine vorsätzliche Begehung vorgeworfen, so besteht zunächst kein Rechtsschutz (also auch keine Vorschusspflicht des Rechtsschutzversicherers). Gemäß § 2 i bb S. 2 ARB wird allerdings rückwirkend Rechtsschutz gewährt, wenn es zu keiner rechtskräftigen Verurteilung des Versicherungsnehmers kommt, also das Verfahren gegen ihn eingestellt, der Versicherungsnehmer freigesprochen oder nur wegen Fahrlässigkeit verurteilt wird.
Rz. 160
Wird zunächst wegen Fahrlässigkeit ermittelt und wird der gegen den Versicherungsnehmer erhobene Vorwurf im Laufe der Ermittlungen auf Vorsatz erweitert, so entfällt der Rechtsschutz vom Zeitpunkt der Umstellung des Vorwurfes auf Vorsatz an, also nicht rückwirkend, sondern ex nunc. Dies ergibt sich wiederum aus dem eindeutigen Wortlaut des § 2 i bb S. 1 ARB, wonach Rechtsschutz besteht, "solange dem Versicherungsnehmer ein fahrlässiges Verhalten vorgeworfen wird". Eine Erstattungsregelung – wie in § 2 i aa S. 2 ARB oder § 20 Abs. 4 ARB 75 – fehlt im Bereich des § 2 i bb ARB vollständig, so dass keine Rechtsgrundlage für die Annahme eines rückwirkenden Rechtsschutzverlusts sowie einer entsprechenden Erstattungspflicht besteht.
Rz. 161
Hinweis
Auch im Bereich der allgemeinen Straftaten entfallen bei rechtskräftiger Verurteilung wegen einer Vorsatztat nicht sämtliche Rechtsschutzansprüche, sondern nur die für die Verteidigung nach Umstellung des Vorwurfes von Fahrlässigkeit auf Vorsatz entstandenen Kosten. Auch hier kommt wegen des Fehlens einer weiter gehenden Erstattungsregelung folglich allein die Erstattung von geleisteten Vorschüssen durch den Versicherungsnehmer an den Rechtsschutzversicherer gem. § 812 Abs. 1 BGB in Betracht, soweit für die Verteidigung gegen den Vorsatzvorwurf (weitere) Kosten entstanden sind. Anders wiederum Nr. 2.2.9 ARB 2012, nach dem "die entstandenen Kosten" zu erstatten sind.