Rz. 391
Im Bereich des Schadensersatz-Rechtsschutzes kommen je nach vereinbarten Bedingungen für den Versicherungsfall zwei unterschiedliche Zeitpunkte in Betracht.
Beispiel
Der Versicherungsnehmer begehrt Rechtsschutz für die Geltendmachung von Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls, der sich bereits im Jahre 2001 ereignet hat, der jedoch erst im Jahre 2004 zu einem Getriebeschaden geführt hat.
Rz. 392
Gem. § 14 Abs. 1 ARB 75 ist maßgeblich "das dem Anspruch zugrunde liegende Schadenereignis", worunter das Folgeereignis (der Schadenseintritt) verstanden wird, also der Vorgang, der den Schaden unmittelbar herbeiführt. Danach läge der Rechtsschutzfall im Jahre 2004. Diese Regelung hat für die Rechtsschutzversicherer den Nachteil, dass bei bereits angelegten Schadenursachen, die noch zu keinem Schaden geführt haben, der Versicherungsnehmer die Möglichkeit hat, sich in das schon absehbare Risiko noch "hineinzuversichern".
Rz. 393
Aus diesem Grunde ist nach den neueren ARB (§ 4 Abs. 1 a ARB 94/2000/2008) hingegen maßgeblich das "erste Ereignis, durch das der Schaden verursacht wurde/worden sein soll". Darunter wird das Kausalereignis (die Schadenursache) verstanden. Danach läge also in unserem Beispiel der Rechtsschutzfall bereits im Jahre 2001 (Verkehrsunfall).
Rz. 394
Doch auch die durch die Neuregelung erfolgte Vorverlagerung des Versicherungsfalls bringt neue Probleme mit sich, was an folgendem Beispielsfall verdeutlicht werden soll:
Beispiel
Der Versicherungsnehmer einer Rechtsschutzversicherung wird bei einem Verkehrsunfall im Jahre 2004 geschädigt, bei dem sich jedenfalls mitursächlich ausgewirkt hat, dass die Fahrzeugbremsen des gegnerischen Pkw aufgrund eines Herstellungsfehlers (Baujahr 2002) nicht betriebssicher waren. Der Versicherungsnehmer möchte nun Ansprüche gegen den Halter gem. § 7 StVG geltend machen. Der Rechtsschutzversicherungsvertrag besteht seit dem Jahre 2003.
Rz. 395
Nach der Regelung des Versicherungsfalles in den ARB 75 wäre der Fall problemlos versichert, weil auf den Schadenseintritt im Jahre 2004 abzustellen wäre. Nach der Regelung in den ARB 94/2000/2008 ist jedoch das Kausalereignis (die Schadenursache) maßgeblich. Da eine Mitursächlichkeit im Sinne der Adäquanz ausreicht, wäre hier der Versicherungsfall bereits im Jahre 2002 eingetreten aufgrund des Herstellungsfehlers, der adäquat kausal jedenfalls mitursächlich zum Unfall im Jahre 2004 geführt hat. Damit bestünde kein Versicherungsschutz wegen Vorvertraglichkeit.
Rz. 396
Nach den neueren ARB stellt sich daher die Frage, wie weit der Versicherungsfall zurückverlagert werden darf, insbesondere bei vor Versicherungsbeginn fehlerhaft hergestellten Produkten. Der BGH hat zu diesem Problemkreis in seiner grundlegenden Entscheidung zu den ARB 94 (VersR 2003, 1503, 1504 – Report-Fall) ausgeführt, dass für die Bestimmung des Versicherungsfalles nur Ursachen maßgeblich sind,
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die durch den Haftpflichtigen zurechenbar gesetzt wurden, d.h. nicht von dem Geschädigten selbst oder Dritten, und |
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die "den Eintritt jedenfalls irgendeines Schadens nach der Lebenserfahrung hinreichend wahrscheinlich machen". |
Rz. 397
Aufgrund dieser Rechtsprechung ist auch der Pkw-Fall mit Produktionsfehler gedeckt, weil nur auf den Haftpflichtigen (den Unfallgegner) abzustellen ist. Die Report-Fall-Formel sorgt ferner dafür, dass Haftungsfall und Rechtsschutzversicherungsfall nicht auseinanderdriften.
Rz. 398
In einer weiteren Entscheidung zu den ARB 75 hat der BGH (VersR 2003, 638 – Reemtsma) noch einmal bekräftigt, dass für den Versicherungsfall im Schadensersatz-Rechtsschutz nur maßgeblich ein Ereignis sein kann, "das geeignet ist, den Anspruch rechtlich zu begründen" und für das der Schädiger "in haftungsrechtlich zurechenbarer Weise verantwortlich ist". Danach kommt als für die Bestimmung des Versicherungsfalls maßgebliches Ereignis kein eigenes Verhalten des Geschädigten in Betracht.
Rz. 399
Hinweis
Aufgrund der vorgenannten Entscheidung des BGH hat es der Versicherungsnehmer (bzw. sein Anwalt) in der Hand, mit welchen Ereignissen er den Anspruch begründet. Tunlichst sollte daher vermieden werden, die Ansprüche mit vorvertraglichen Ereignissen zu begründen, um den Deckungsanspruch aus der Rechtsschutzversicherung nicht zu gefährden.